Kommentar zur Atommüll-Debatte: Politik verweigert Verständigung

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Erhebliche Startprobleme bei der Atommüll-Endlagersuche. Foto: Dirk Seifert

(*) Eines hat die Atommüll-Tagung der Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen am vergangenen Wochenende gezeigt: Mit großer Ernsthaftigkeit und viel Fachkunde sind sie bereit, sich verantwortlich an der Suche um sinnvolle Wege für den sicheren Umgang mit den immer noch wachsenden Atommüllbergen zu beteiligen. Dafür müssen allerdings auch ihre An-Forderungen, wie ein gesellschaftlicher Konsens für einen sicheren Umgang erreicht werden kann, aufgegriffen werden. Mit dem derzeitigen Gesetz zur Endlagersuche und der Besetzung der damit verbundenen Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfälle“, ist das aber bislang nicht zu machen.

Die Politik macht derzeit massiv Druck auf die Bewegung, damit sich diese an der Kommission mit zwei VertreterInnen beteiligt. Diese Kommission soll nun – neun Monate nachdem das Gesetz unter Ausschluss und mit massiver Kritik der Umweltverbände beschlossen wurde – am 10. April durch den Bundestag offiziell ernannt werden. Erste direkte Gespräche zwischen VertreterInnen der Umweltverbände mit den BerichterstatterInnen der Fraktionen im Bundestag und mit der Umweltministerin hat es jedoch erst vor knapp drei Wochen erstmals gegebenen – obwohl die Weigerung zur Besetzung der Kommissionsplätze durch die Umweltverbände bereits im Dezember 2013 mitgeteilt und nochmals begründet worden ist (abgesehen davon, dass es schon zu heftigen Kontroversen während der vorhergehenden Gesetzgebungsphase gekommen war).

Jetzt macht die Politik mit den selbst verursachen Fakten (und Fehlern) Druck: Es bleibe keine Zeit mehr für Diskussion, die Kommission müsse ihre Arbeit endlich aufnehmen. Zeit – so scheint es – wird jetzt zum größten Problem auf der Suche nach einer Verständigung. Die einen fordern sie, die anderen behaupten, die gäbe es nicht (nach dem seit der Verabschiedung des Gesetzes nun schon ziemlich viel Zeit ohne Gespräche die Spree hinunter floss).

Klar ist eines: Wer für die dauerhafte Lagerung des radioaktiven Atommülls einen gesellschaftlichen Konsens erreichen will, der braucht die Verständigung mit der Anti-Atom-Bewegung. Ohne sie kann das nicht gelingen. Und diese Bewegung hat viel zu verlieren, wenn sie sich an falschen Verfahren beteiligt: Für Fragen der Atomsicherheit ist sie es, die sich über Jahrzehnte das Vertrauen in der Bevölkerung erarbeitet hat. Viel zu häufig hat sich gezeigt, dass sie auf Sicherheitsmängel hinwies und Maßnahmen einforderte, während Politik, Atomwirtschaft und auch große Teile der Wissenschaft diese Probleme ignorierten oder gar beschönigten (z.B. ASSE II).

Die Verbände suchen nach einer Verständigung und ringen untereinander, wie das gehen könnte. Sie machen es sich nicht leicht mit der Frage, wie es mit dem Atommüll und seiner möglichst sicheren Verwahrung weiter geht. Bereits seit dem Spätsommer haben zahlreiche Runden unter dem Dach des Deutschen Naturschutz Rings (DNR) stattgefunden. Mit großer Ernsthaftigkeit wurden die Mängel des Such-Gesetzes und der Kommission miteinander diskutiert und beraten, mit welchen Schritten und Maßnahmen trotz dieser Mängel ein sinnvoller Weg gefunden werden könnte. Diese Debatten waren auch Bestandteil der aus diesem Prozess hervorgegangenen Tagung “Atommüll ohne Ende – Auf der Suche nach einem besseren Umgang” vom letzten Wochenende.

Eines der am häufigsten gebrauchten Worte auf dieser Tagung hieß “Vertrauen” oder besser “fehlendes Vertrauen”, dass es diesmal mit dem Endlagersuchgesetz wirklich um ein “ergebnisoffenes Verfahren” gehen wird. Allzu tief und begründet sind die Erfahrungen an allen Atomstandorten, dass mit Tricksereien bis hin zu Lügen in Dialogen vor allem die Durchsetzung atomwirtschaftlicher Interessen erreicht werden sollte. Es waren fast immer machtpolitische Entscheidungen, die Argumente ersetzten. (Der weitgehende Ausschluss der Umweltverbände bei den Beratungen zum Endlagersuchgesetz war in diesem Sinne eben vor allem “alte Politik”, in der von einen “Neustart” auch in diesem Sinn nichts neues sichtbar wurde.)

Für viele in der Umweltbewegung ist Gorleben dafür das herausragende Symbol! Daher ist es eigentlich klar, dass ein vermeintlicher Neustart, der diesen Konflikt nicht beendet, sondern ihn neben weiteren Mängeln mit dem Endlagersuchgesetz weiter führt, nur wenig Glaubwürdigkeit oder Überzeugungskraft erreichen kann.

Die Umweltverbände fordern, dass das Gesetz an zahlreichen Stellen geändert werden müsse. Das haben CDU/CSU, SPD und die Bundestags-Grünen bereits abgelehnt. Dennoch haben die Umweltverbände weiter nach Wegen gesucht, wie es zu einer Verständigung kommen könnte, auch unterhalb gesetzlicher Lösungen.

Deshalb haben sie in den Gesprächen mit der Umweltministerin, mit den BerichterstatterInnen des Bundestags und auch auf der Konferenz dafür geworben, dass die Einsetzung der Kommission vom Bundestag bis zum Sommer verschoben wird und diese Phase mit intensiven Gesprächen genutzt wird, mit allen Beteiligten über die Voraussetzungen und Ziele eingehend zu beraten. Dieser Vorschlag zielte nicht nur auf die Politik, sondern auch auf die Gewerkschaften, die Kirche und die Wirtschaft. Eine solche vorgeschaltete Phase bietet die Chance, dass die massiven Bedenken auf Seiten der Umweltverbände und Anti-Atom-Initiativen geklärt werden könnten, dass die Voraussetzungen und Ziele gemeinsam erarbeitet werden. Eine Anforderung, die von Mediatoren und Konfliktberatern eigentlich als Grundbedingung für erfolgreiches Umgehen mit Konflikten anerkannt ist.

Doch diese Grundkenntnisse über den Umgang mit Konflikten will eine Mehrheit im Bundestag nicht annehmen. Ein Treffen zwischen den BerichterstatterInnen des Bundestags und den UmweltvertreterInnen nach der Konferenz, brachte in dieser Frage keine Einigung.

Entschließungsantrag statt Verständigung

Der Bundestag will nun mit einem Entschließungsantrag (hier der Entwurf als PDF) um das Vertrauen der Anti-Atom-Bewegung werben und diese davon überzeugen, sich an der Kommission zu beteiligen. Dazu gibt es einige durchaus hilfreiche Hinweise, die in den Gesprächen eine Rolle spielten. Das ist gut gemeint, aber an den grundlegenden Voraussetzungen ändert das nichts.

Der Antrag wird von der CDU/CSU, den Grünen und der SPD gemeinsam eingebracht. An dem Fahrplan, dass die Kommission am 10. April eingesetzt wird, soll sich demnach nichts mehr ändern. Die Links-Fraktion wird den Antrag nicht unterstützen, weil sie die Forderungen der Anti-Atom-Verbände unterstützt und daher eine Verschiebung der Einsetzung der Kommission für sinnvoll hält.

Bislang einziges Ergebnis der Gespräche ist die von der Umweltministerin erklärte Rücknahme der Klage gegen die Aufhebung des Rahmenbetriebsplans für Gorleben. Eine Forderung, die der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) schon vor Monaten erhoben hatte. Ein sicherlich erster Schritt, bei dem allerdings nicht vergessen werden darf, dass eine SPD-Umweltministerin in Berlin und ein SPD-Ministerpräsident in Hannover beteiligt sind und die SPD in Niedersachsen vor der Wahl eigentlich erklärt hatte, dass Gorleben bei einer künftigen Endlagersuche nicht mehr beteiligt sein darf. Gorleben aber ist weiter im Verfahren und daran ändert die Rücknahme der Klage gar nichts. Kein Wunder also, dass sich die Begeisterung für diesen längst überfälligen Schritt in Grenzen halt – so gut er auch ist.

Kaum was Neues beim Neustart

Fast zeitgleich zum vermeintlichen Neustart bei der Endlagersuche endete der Gorleben-Untersuchungsausschuss. Für viele zeigte sich nach der jahrelangen Aufarbeitung zahlloser Akten, wie sehr politische Interessen gegen alle Wissenschaft und Argumente dafür sorgten, dass Gorleben Standort blieb. Die CDU/CSU erklärte als Fazit: Dieser Ausschuss sei „überflüssig und teuer“ gewesen und ansonsten sei alles nach „streng wissenschaftlichen Kriterien” erfolgt. Warum will die CDU/CSU dann eigentlich einen Neustart bei der Endlagersuche?

Die Atomwirtschaft ist da vergleichsweise klar: Sie sieht absolut keinen Grund, warum es eine neue Endlagersuche geben muss, sie hält – gut in der Kommission vertreten – an Gorleben fest und will das neue Verfahren auch besser nicht bezahlen. Immerhin stecken ja schon 1,6 Mrd Euro im Salzstock von Gorleben.

Nicht nur, dass das Gesetz und Verfahren die katastrophalen Fehler der bisherigen Endlagerung nicht aufarbeitet und daraus Konsequenzen zieht (z.B. ASSE II). Wer heute noch einen ehemaligen Vattenfall-Manager allen Ernstes als Vertreter der Wissenschaft verkaufen will, der zeigt nicht nur, wie sehr er Interessenpolitik betreibt, sondern sagt auch, dass die Tricksereien weiter gehen.

Die Anti-Atom-Bewegung hat in den letzten Wochen viele konstruktive und von der Sache her begründete Vorschläge gemacht, wie es trotz der massiven Fehler des Gesetzes zu einer Verständigung kommen könnte. Diese Angebote auszuschlagen – wie es die Mehrheit der Fraktionen im Bundestag jetzt tut – ist auch ein Hinweis, dass Terminpläne und Parlaments-Logik offenbar bedeutsamer sind, als an dieser für Generationen bedeutsamen Frage mit Zeit und Geduld einen Weg zur Verständigung zu gehen.

*Dieser Kommentar ist zuerst veröffentlicht im Blog von ROBIN WOOD.

Dirk Seifert

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