Terrorgefahren, Innentäter, “schmutzige Bomben”: Belgische Atommeiler und eine Nukleare Sicherheitskonferenz

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Nuklear-Terrorismus: Immer neue Berichte – wie derzeit vor allem aus Belgien – zeigen enorme neue Gefahrenpotentiale, die beim Betrieb von Atomanlagen und im Umgang mit Nuklear-Material bislang wenig in der Öffentlichkeit beachtet werden. Ende März beginnt in den USA eine internationale Sicherheits-Konferenz zu diesen Gefahren. Foto: Screenshot eines Videos zur Nuclear Security Summit 2014 in Den Haag.

Belgische Atomanlagen stehen seit geraumer Zeit unter Militärschutz, nachdem mehrere Vorfälle den Verdacht nahe legen, dass sie als terroristische Ziele oder als “Lieferant” für Kernspalt-Material zum Bau so genannter “schmutziger Bomben” dienen könnten. Bei einem der mit den Pariser Anschlägen in Verbindung gebrachten Verdächtigten wurde nach seiner Festnahme und Hausdurchsuchungen Videomaterial gefunden, auf dem ein wichtiger belgischer Atomfachmann offenbar ausspioniert wurde. Wie der Deutschlandfunk nun meldet, ist bereits im Oktober 2014 bekannt geworden, dass ein “belgischer Dschihaddist drei Jahre lang für Belgiens ältestes Kernkraftwerk gearbeitet hatte. Und zwar als Techniker im Hochsicherheitsbereich des AKW Doel nahe Antwerpen.” Obwohl den Behörden bekannt war, dass er sich an Aktionen für den Islamischen Staat beteiligte, hatte er keine Probleme beim Zugang zum Atomreaktor. Nuklear-Terrorismus ist Thema einer internationalen Sicherheitskonferenz Ende März in Washington.

“Der gebürtige Marrokaner hatte alle Background-Checks, Befragungen und Sicherheitsprüfungen problemlos absolviert. Obwohl der 26 Jährige Ilyass Boughalab damals zu den besonders aktiven Mitgliedern der radikal-islamischen Terrororganisation ‘Sharia 4 Belgium’ gehörte”, berichtet der DLF. Weiter heißt es: “Regelmäßig versammelten sich Mitglieder der Terrororganisation vor dem königlichen Palais in Brüssel. Und kündigten an, das Königreich in einem Islamischen Staat zu verwandeln.

AKW-Sicherheitstechniker Boughalab warb in seiner Freizeit für das salafistische Netzwerk und warb Kämpfer für den heiligen Krieg an. Die belgischen Sicherheitsbehörden hatten ihn im Visier. Und als der Dschihaddisten-Organisation ‘Sharia 4 Belgium’ in Antwerpen der Prozess gemacht wurde, tauchte der Name des Atom- Kraftwerktechnikers sogar auf der Liste der Angeklagten auf. Dennoch konnte der erklärte Symphatisant des Islamischen Staats weiter ungehindert die Sicherheitschecks im Nuklearbereich des AKW Doel durchführen. Bevor er sich dann 2014 vom belgischen Antwerpen aus als Kämpfer für den Islamischen Staat nach Syrien absetzte und sich fortan Abu Ubaydah al-Jarah al-Beljiki nannte.”

BUND-Studie warnt vor wachsenden nuklearen Terror-Gefahren

Gerade so genannte “Innentäter” stellen für die Sicherheit von Atomanlagen eine massive Bedrohung dar, vor allem wenn sie Zugang zu wichtigen Sicherheitsbereichen haben. Darauf hat erst jüngst eine Studie von der Expertin Oda Becker im Auftrag des BUND verfasste Studie (PDF) hingewiesen. Dort heißt es u.a.: “Mögliches Innentäter-Szenario ist das Auslösen eines schweren Unfalls durch den Einsatz von Sprengladungen. Die für einen solchen Anschlag erforderliche Sprengstoffmenge liegt in der Größenordnung von einigen Kilogramm.” (S. 43) (Die Studie ist auch hier online, PDF)

Der DLF verweist zu Recht darauf, dass die von den belgischen Behörden betriebenen “Sicherheitschecks” erhebliche Fragen aufwerfen.

umweltFAIRaendern.de hatte auf Basis von Medienberichten bereits über das erwähnte Video bei einem der Verdächtigen im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen informiert. Der DLF präzisiert nun, dass die überwachte Person in dem Video offenbar der “Direktor und Spitzenforscher eines belgischen Nuklearzentrums” war, welches “weltweit zu den größten Produktionsanlagen für radioaktive Isotope zählt. Radioisotope werden in der Medizin zur Krebsdiagnose eingesetzt. Die Isotope sind auch ein potentielles Mittel um sogenannte schmutzige Bomben zur Verstrahlung ganzer Stadtteile zu bauen.”

DLF-Autor Ralph Sina zitiert zum Schluss seines Artikels: “Führende Terrorismusexperten wie Laura Holgate vom Nationalen US-Sicherheitsrat warnen seit langem vor der Möglichkeit, dass atomtechnisch versierte IS-Anhänger versuchen könnten, eine schmutzige Bombe zu bauen.”

In der Tat werden die Sorgen um Nuklear-Terrorismus immer bedeutsamer und führen überall zu verstärkten Sicherungsmaßnahmen. Auch in Deutschland stehen Atomanlagen unter verstärkter Überwachung. Atomanlagen werden außerdem unter Ausschluss der Öffentlichkeit verstärkt gegen Terrorangriffe durch bauliche Maßnahmen zusätzlich gesichert. Dazu sind seit 2011 in Deutschland entsprechende Genehmigungen erteilt worden bzw. stehen noch aus. In der Bundesrepublik werden diese Maßnahmen unter dem Stichwort “Sonstige Einwirkungen Dritter” (SEWD) behandelt.

Erstaunlich an all den Meldungen über wachsende Risiken eines Nuklear-Terrorismus: Die Stilllegung aller Atomanlagen zur Reduzierung der Gefahren durch den Betrieb dieser Anlagen ist nicht auf der Tagesordnung.

Nukleare Sicherheit und Terrorgefahren: Konferenz in Washington

NSS-2010-screenshotBereits seit 2010 findet zur “Nuklear Sicherheit” auf Initiative der USA die internationale Sicherheitskonferenz “Nuclear Security Summit” statt. Die vierte Konferenz steht unmittelbar bevor und wird vom 27. März bis zum 2. April in Washington, D.C. stattfinden.

  • In den USA läuft zu dieser Konferenz eine Kampagne “5priorities” von der “Fissile Materials Working Group” (FMWG), deren Mitglieder hier einzusehen sind. Ein Forderungskatalog auf Deutsch ist hier nachzulesen (PDF).
  • Auf der Homepage der “NSS” ist unter anderem ein Video zu finden, in dem die US-Regierung über die wachsenden nuklearen Terror-Gefahren informieren und ihre Ziele mit der Konferenz erläutern. Das Video ist hier online.

Wie bedeutsam die Gefahren eines nuklearen Terrorismus genommen werden, zeigt sich auch darin, dass die USA derzeit massiv darauf drängen, sämtliche “überschüssigen” atomwaffenfähigen Materialien in die USA zu holen. Erst vor kurzem wurde Plutonium, welches für rund vier Atombomben gereicht hätte, unter strikter Geheimhaltung aus der Schweiz und Deutschland über Nordenham in die USA transportiert. Dort wird es in der Savannah River Site (SRS) zunächst zwischengelagert.

Umweltgruppen in den USA kritisieren das Programm der USA, u.a. weil die Sicherheitsstandards in der alten Militäranlage SRS nicht sonderlich hoch sind. Hinzu kommt, dass die USA derzeit kein echtes Konzept haben, was mit dem Atomwaffenmaterial jenseits der Zwischenlagerung eigentlich passieren soll.

Wie die Umweltorganisation SRS-Watch auf ihrer Homepage mitteilt, finden derzeit Plutoniumtransporte mit speziellen bewaffneten Schiffen aus Japan in die USA statt. Diese riskanten Seetransporte werden von Greenpeace und anderen Organisationen kritisiert. (Siehe PanOrientNews)

Dirk Seifert

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