AKWs stilllegen – Wohin mit dem Atommüll?

Parken statt Atommüll lagern. Der Schacht Konrad. Foto: Dirk Seifert

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima beginnt jetzt bundesweit die Debatte, wie die Atommeiler konkret stillgelegt werden können. Landesregierungen favorisieren dabei den kompletten Rückbau der Atommeiler, ziehen diese Variante dem so genannten “sicheren Einschluss” vor. Doch was passiert mit den beim Rückbau anfallenden großen Mengen von leicht- und mittelradioaktivem Atommüll? Eine kritische Betrachtung zeigt auch hier: Atommüllentsorgung? ungelöst!

Einerseits werden große Mengen dieses Mülls nach einer 2001 vollzogenen Änderung der Strahlenschutzverordnung einfach über Hausmülldeponien oder im Straßenbau entsorgt. Dazu hier mehr.

Andererseits soll der radioaktive Müll, der nicht unter die “Freigaberegelung” der Strahlenschutzverordnung fällt, im ehemaligen Eisenerzbergwerk Schacht KONRAD dauerhaft gelagert werden.

Bei Salzgitter-Bleckenstedt befindet sich damit das bislang einzige genehmigte Atommülllager der Bundesrepublik. Doch bis heute ist dort noch kein Atommüll eingelagert. Zur Zeit läuft im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz noch der Ausbau des Schachts. Dabei kommt es immer wieder zu Verzögerungen:

“Hieß es 2007 noch, KONRAD solle 2013 in Betrieb gehen, wurde daraus bald 2014 und zuletzt 2019. In letzter Zeit war die Sprachregelung „frühestens 2019“ und seit gestern (8.6.2012): KONRAD sei 2019 betriebsbereit und könne dann nach einer Erprobungsphase 2024 in Betrieb gehen. Damit wären dann zwischen Idee und Inbetriebnahme schlappe 50 Jahre ins Land gegangen. Das 2024 aber das Ende der Fahnenstange ist, ist angesichts der Probleme, offenen Fragen und Kontroversen hinter den Kulissen, kaum anzunehmen”, heißt es auf der Seite der AG Schacht Konrad dazu.

Die Betreiber haben offenbar große Probleme, die alten Plandaten auf den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik zu aktualisieren.

Allein diese Verzögerungen beim Schacht Konrad haben erhebliche Auswirkungen für den Rückbau der Atommeiler. Denn wenn diese ab ca. 2014 – nach den erforderlichen Genehmigungsverfahren – mit den praktischen Rückbaumaßnahmen beginnen, fallen auch die Atomabfälle an. Da diese dann noch nicht Richtung Schacht Konrad abtransportiert werden können, müssen sie – über mehrere Jahre – vor Ort weiter gelagert werden.

Bereits heute ist klar, dass der hochradioaktive Atommüll noch für Jahrzehnte an den AKW-Standorten bleiben wird: Dafür stehen dort so genannte Standortlager, genehmigt für eine Dauer von 40 Jahren! Doch auch hier gibt es schon Probleme für die Rückbauplanungen. Es fehlt an den erforderlichen Castorbehältern, um den hochradioaktiven Atommüll aus den Reaktoren und den Nasslagern zu entfernen.

Schacht Konrad – Genehmigte Unsicherheit

Doch obwohl das Atommülllager höchstrichterlich genehmigt ist, bleiben massive Zweifel an der Sicherheit des Schachts für die dauerhafte Atommülllagerung. Denn ausgerechnet der so genannte Langzeitsicherheitsnachweis, in dem der Betreiber aufzeigen muss, dass für mehrere hunderttausend Jahre das radioaktive Material von der Umwelt abgeschlossen bleibt, ist von den Gerichten nicht überprüft worden. Im Oktober 2010 wies das Bundesverfassungsgericht die Klage des Anwohners Walter Traube ab und bestätigte damit ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg.

Der entscheidende Satz in der Begründung des Verfassungsgerichts lautet:

„Die Fragen, die die Endlagerung radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Hinblick auf die Langzeitsicherheit aufwirft, betreffen der Sache nach erst in der (fernen) Zukunft aktuell werdende Szenarien, die keinen Bezug zu einer gegenwärtigen Betroffenheit des Beschwerdeführers in einem eigenen verfassungsbeschwerdefähigen Recht erkennen lassen.“

Die AG Schacht Konrad kritisiert dieses Urteil scharf: “Damit bestätigt das BVerfG das skandalöse Urteil des OVG Lüneburg, es gäbe kein Recht auf Nachweltschutz. Die jetzige Generation wird von jeglicher Verantwortung für künftige Folgen ihres Tuns freigesprochen. Nicht einmal die Erkenntnis, dass die Zukunft sehr schnell kommen kann wie bei ASSE II und Morsleben, wurde auch nur ansatzweise berücksichtigt.”

Bereits am 21.02.08 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, die zeitlgeich mit Traube eingereichte Klage der Stadt Salzgitter nicht anzunehmen.

In seiner Entscheidung stellte das Verfassungsgericht fest: “Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzlich verfassungsrechtliche Bedeutung”. Die Stadt Salzgitter ist im Hinblick auf die Einhaltung der Grundrechte nicht beschwerdefähig. Zudem sei das OVG alleine entscheidungsbefugt.

Die Aussage von BMU Gabriel nach der Urteilsverkündung des OVG Lüneburg am 8.3.2006 “Das Gericht hat alle Sicherheitsbedenken der Kläger als unbegründet zurückgewiesen” ist ebenso falsch, wie die von NMU Sander am 26.3., das BVerfG habe entschieden, “die Arbeit des Umweltministeriums und der zugezogenen Sachverständigen nicht zu beanstanden”. Richtig ist: Sowohl das OVG Lüneburg, als auch das Bundesverwaltungsgericht, als auch das Bunddesverfassunggericht haben bisher die Substanz der Klagen und die Sicherheit von KONRAD nicht überprüft, sondern nur den Klägern die Rechte genommen, gegen ein Atommüllendlager zu klagen.

Eine Übersicht über den Genehmigungsverlauf für den Schacht Konrad gibt es hier. Dort werden auch die wesentlichen Kritikpunkte und Sicherheitsmängel des Standorts dargestellt.

Auch im Schacht Konrad gibt es Wasser-Probleme

Doch nicht nur der Langzeitsicherheitsnachweis ist als problematisch anzusehen. Auch im Schacht Konrad gibt es das Risiko, dass der dort eingelagerte Atommüll mit Wasser in Kontakt kommen kann. Das wäre der Super-Gau in einem Endlager.

Auf dieses Problem hat jüngst noch einmal der Geochemiker Dr. Ralf Krupp hingewiesen und ist damit Äußerungen des Niedersächsischen Umweltministers Birkner entgegen getreten, es gäbe in Schacht KONRAD keine mit ASSE II vergleichbaren Probleme.

Krupp stellt fest, dass mit 16,3 Kubikmetern pro Tag mehr salzhaltiges Wasser in KONRAD eindringe, als derzeit in die Asse. KONRAD werde daher nach seiner Schließung ebenfalls ersaufen.

Ausdrücklich warnt er, sich in Fragen der Sicherheit nicht auf die rechtskräftige Genehmigung zu beschränken: „Nach den Erfahrungen mit der Asse sollte Konrad trotzdem nicht in Betrieb gehen“, meint Krupp und erläutert: „Die Abfälle werden nach Wasserzutritt genauso wie in der Asse unter Gasbildung korrodieren, und Radionuklide in Lösung gehen. Aufgrund des größeren Abfallvolumens und des kleineren Grubenhohlraums in Schacht Konrad werden aber mehr Gase und höhere Gasdrücke entstehen. Die über dem Endlager Konrad befindlichen und vermeintlich als geologische Barriere wirksamen Tonschichten der Unterkreide wurden durch zahlreiche Bohrungen auf Eisenerz, Öl- und Gas durchlöchert. Weitgehende Analogien zwischen Konrad und Asse bestehen auch hinsichtlich der Wissenschaftler und Behörden, die für die Befürwortung der jeweiligen Bergwerke als Endlager verantwortlich waren. Die Politik wäre daher gut beraten, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und auch für die schwach- und mittelaktiven Abfälle ein neues und diesmal geeignetes Endlager einzurichten.“ (zitiert nach AG Schacht Konrad)

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) widerspricht diesen Darstellungen von Krupp. Auf der Konrad-Seite des BfS stellt die Behörde dar, dass die Hinweise auf das vorhandene Wasser nichts neues sein und seit Anfang an bekannt wären. Ein Vergleicht mit der ASSE sei aus Sicht des BfS nicht statthaft, weil es sich bei der ASSE um einen Salzstock handelt, der vielfach zerklüftet war. Außerdem würde das Wasser von außen eindringen. Dagegen handele es sich beim Schacht Konrad um ein Eisenerzbergwerk, das kaum zerklüftet ist, das Wasser von innen stamme, aber keinerlei Kontakt zur Außenwelt habe. Nach der Verfüllung mit dem Atommüll würden die Kammern verschlossen, so dass – zusätzlich geschützt durch eine über dem Bergwerk liegende Schutzdecke aus Ton – kein Wasser eindringen könne. Daher – so das BfS – sei ein Vergleich der ASSE mit dem Schacht Konrad nicht statthaft.

Auch der Deutschlandfunk berichtet über diese Kontroverse.

 

Dirk Seifert

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