EU-Richtlinie, Atomgesetz-Novelle, Schacht Konrad: Mitspracherechte der Anrainerstaaten fehlen – Schacht Konrad braucht Alternativenvergleich

Gesetze zur Atomenergie im Wochenrhythmus: Gestern wurde das Atomgesetz zur Umsetzung einer EU-Richtlinie zum 15. Mal geändert. Mangelhaft das Ganze, stellte Hubertus Zdebel, Sprecher für Atomenergie der Fraktion DIE LINKE gestern Abend im Plenum des Bundestages fest. Zu einem weiteren Antrag in der gleichen Debatte zum geplanten Atommülllager im Schacht Konrad stellte der Abgeordnete fest: Ohne ein vergleichendes Suchverfahren und entsprechende Sicherheitskriterien, wie es jetzt bei den hochradioaktiven Abfällen und Gorleben laufen solle, darf Konrad nicht in Betrieb gehen. Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

Die Richtlinie EU/Euratom-Richtlinie 2014/87 verfolgt Änderungen zu Sicherheitszielen, regelt den Austausch zwischen Atomaufsichten der EU-Staaten und schreibt minimale Informationspflichten für AKW-Betreiber und Behörden vor. Aus Sicht des Bundesumweltministeriums ist die Richtlinie ein Erfolg: „Deutschland konnte im Verhandlungsgang nahezu alle grundsätzlichen Forderungen zum Inhalt der Richtlinie durchsetzen.“

Ganz anders bewertet Hubertus Zdebel von der Bundestagsfraktion DIE LINKE die EU-Richtlinie. In seiner Rede kritisierte er: “Lediglich Informationen über Sicherheitsprobleme von Atomkraftwerken zwischen den EU-Staaten auszutauschen, wie jetzt vorgesehen, reicht bei weitem nicht aus; denn die wesentlichen Entscheidungen werden weiterhin durch die jeweilige nationale Behörde getroffen.”

Zdebel fordert zur Umsetzung der Atomgesetz-Änderung auf Basis der EU-Richtlinie: “Machen wir doch einmal den Realitätscheck, was das Ganze angeht. Von sichereren Reaktoren ist in der Wirklichkeit nichts zu spüren. Immer ältere Atommeiler sind am Netz. Sie werden unter immer abenteuerlicheren Bedingungen von der jeweiligen Atomaufsichtsbehörde gesundgebetet. Ein Blick über die Grenze nach Belgien genügt: Trotz aller toller EU-Richtlinien und deren jeweils nationaler Umsetzung bleiben selbst so marode Atommeiler wie die in Tihange und Doel in Betrieb. Gleichzeitig lässt es die Bundesregierung zu, dass Uranbrennstoff aus deutschen Fabriken in Gronau und Lingen in großem Stil für den Weiterbetrieb der Atommeiler in Belgien sorgen, und das, obwohl diese selbst aus Sicht des Bundesumweltministeriums dringend abgeschaltet gehören. Es ist eine überaus kuriose Sicherheit, die uns hier verkauft werden soll. Was hier erklärt wird, passt doch hinten und vorn nicht zusammen.”

Die gesamte Rede des MdB Hubertus Zdebel (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit der heute zu debattierenden Atomgesetzänderung will die Bundesregierung eine Euratom-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Dabei geht es, so der Anspruch, um die Verbesserung der Information der Öffentlichkeit, um die Verbesserung der Zusammenarbeit der Atomaufsichtsbehörden zwischen den EU-Staaten und um die Verbesserung der Sicherheit der in Europa und Deutschland noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke. Es sollen also alles Verbesserungen sein.

Machen wir doch einmal den Realitätscheck, was das Ganze angeht. Von sichereren Reaktoren ist in der Wirklichkeit nichts zu spüren. Immer ältere Atommeiler sind am Netz. Sie werden unter immer abenteuerlicheren Bedingungen von der jeweiligen Atomaufsichtsbehörde gesundgebetet. Ein Blick über die Grenze nach Belgien genügt: Trotz aller toller EU-Richtlinien und deren jeweils nationaler Umsetzung bleiben selbst so marode Atommeiler wie die in Tihange und Doel in Betrieb. Gleichzeitig lässt es die Bundesregierung zu, dass Uranbrennstoff aus deutschen Fabriken in Gronau und Lingen in großem Stil für den Weiterbetrieb der Atommeiler in Belgien sorgen, und das, obwohl diese selbst aus Sicht des Bundesumweltministeriums dringend abgeschaltet gehören. Es ist eine überaus kuriose Sicherheit, die uns hier verkauft werden soll. Was hier erklärt wird, passt doch hinten und vorn nicht zusammen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch in Sachen verbesserter Informationspolitik gegenüber der Bevölkerung kann man nur den Kopf schütteln. Am 10. März – das ist gerade einmal drei Wochen her – blockierten Atomkraftgegnerinnen und -gegner das AKW Brokdorf. Während der laufenden Aktion wurden sie in Anwesenheit von Pressevertretern aufgefordert, ihre Aktion zu unterbrechen. Wäre das nicht passiert, hätte niemand in Deutschland je von dem Flugterroralarm „Renegade“ und von der teilweisen Evakuierung der Mitarbeiter in den Atomkraftwerken erfahren. Eine sofortige Information der Bevölkerung über solche Vorgänge ist nämlich nicht vorgesehen.

(Zuruf von Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin)

– Das haben Sie selber in der Antwort auf eine Anfrage gesagt, die ich letztens gestellt habe. – So weit zur Realität.

Das wird durch die Gesetzesnovelle nicht besser. Lediglich Informationen über Sicherheitsprobleme von Atomkraftwerken zwischen den EU-Staaten auszutauschen, wie jetzt vorgesehen, reicht bei weitem nicht aus; denn die wesentlichen Entscheidungen werden weiterhin durch die jeweilige nationale Behörde getroffen.

Die Bundesregierung hat es versäumt, mehr Mitspracherechte für die EU-Kommission und die betroffenen Anrainerstaaten einzufordern, um auf den weiteren Betrieb störanfälliger Atomkraftwerke wie in Tihange in Belgien unmittelbar einwirken zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist nämlich nicht Bestandteil der Umsetzung der EU-Richtlinie.

Die radioaktiven Wolken machen nicht an Grenzen halt. Deswegen fordern wir Linken schon seit langem mehr Mitbestimmungsrechte für die betroffenen Staaten in den Grenzregionen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern von der Bundesregierung jetzt ganz aktuell, im Zuge der anstehenden Brexit-Verhandlungen, bei denen es auch um den Euratom-Vertrag gehen wird, über gemeinsame Sicherheitsüberprüfungen sowie gemeinsame Entscheidungen der Behörden bei grenznahen Kraftwerken zu verhandeln. Setzen Sie das bitte durch!

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Wort noch zum Grünenantrag zum Schacht Konrad, der hier auch zur Abstimmung steht, auf den ich aus Zeitgründen aber leider nicht lange eingehen kann. Natürlich kann eine Inbetriebnahme als Endlagerstandort für schwach- und mittelradioaktiven Müll nur auf Basis des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik erfolgen. Insofern folgen wir dem Grünenantrag. Aber auch beim Schacht Konrad – zumindest das will ich ansprechen – fehlt jeder Alternativenvergleich mit anderen Standorten, genauso wie er bei Gorleben fehlt und gefehlt hat. Deswegen fordern wir Linken: Ohne ein vergleichendes Suchverfahren und entsprechende Sicherheitskriterien, wie es jetzt bei den hochradioaktiven Abfällen laufen soll, darf Konrad nicht in Betrieb gehen. Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit zu später Stunde.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dse4Zdebel

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