Neues Atomgesetz: Ringen um Kosten und Atomausstieg im Bundesrat und Bundestag

Neues Atomgesetz: Ringen um Kosten und Atomausstieg im Bundesrat und Bundestag

Im Bundestag steht die 16. Novelle des Atomgesetzes auf dem Plan. Bis Ende Juni muss ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden, mit dem die Atomkonzerne nach dem Ausstiegsbeschluss nach der Fukushima-Katastrophe finanziell entschädigt werden müssen. Die Fraktionen der Grünen und Linken wollen mit dieser Novelle auch die Stilllegung der immer noch vom Atomausstieg ausgenommenen Uranfabriken in Gronau und Lingen erreichen. Doch die CDU/CSU und SPD sorgen dafür, dass dies erst nach der Sommerpause auf die Tagesordnung kommen wird. Der Bundesrat, der am 8. Juni Stellung nehmen muss, begrüßt die Novelle und stimmt ihr im Wesentlichen zu. Allerdings fordern sie – nach dem Sommer – eine weitere Atomgesetzänderung, in der einerseits ein Exportverbot von Uranbrennstoff aus Gronau und Lingen z.B. für das belgische AKW Tihange geregelt werden soll. Andererseits sollen in Netzausbaugebieten keine Strommengen mehr auf die dortigen AKWs Brokdorf und Emsland übertragen werden. Die AKWs müssten dann früher als gesetzlich vorgeschrieben abgeschaltet werden. Ob es dazu kommt?

  • Der Antrag, über den der Bundesrat in der nächsten Woche befinden wird, ist hier online (siehe Top 15) und hier als PDF. Die Anträge der Linksfraktion und der Grünen zur Stilllegung der Uranfabriken in Gronau und Lingen sind auf den Seiten der zuständigen Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel hier und Sylvia Kotting-Uhl hier zu finden. Der Entwurf für die 16. Atomgesetz-Novelle, der von der Bundesregierung und den Regierungsfraktionen gemeinsam in den Bundestag eingebracht wird, ist hier als PDF.
  • 9. Juni: Anti-Atom-Demo in Lingen – aus mehreren Städten fahren Sonderbusse (z. B. Aachen, Bonn/Köln, Münster, Wendland/Lüneburg sowie aus den Niederlanden). Alle Demo-Infos auf: www.lingen-demo.de.
  • Am 13. Juni findet im Bundestag eine Anhörung zur 16. Atomgesetznovelle im Umweltausschuss (PDF, dort auch die geladenen Sachverständigen) statt. Die Sitzung ist öffentlich und von 9 – 11 Uhr geplant.

Mit den jetzigen Vorschlägen bleibt es zwar bei den gesetzlich festgelegten Ausstiegsterminen. Aber für die AKW-Betreiber RWE und Vattenfall könnte nach 2022 noch einmal ein hoher dreistelliger Millionenbetrag fließen, der sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben könnte. Forderungen – wie z.B. vom BUND, den Atomausstieg zu beschleunigen, indem sämtliche Strommengenübertragungen in der jetzt laufenden ATG-Novelle untersagt und damit alle noch am Netz befindlichen AKWs und ihre Super-Gau-Risiken früher abgeschaltet werden, werden weder von der Großen Koalition noch im Bundesrat verfolgt.

Nur für die beiden AKWs Brokdorf und Emsland könnten – sollte es im Herbst dafür eine Mehrheit im Bundestag geben – früher vom Netz, wenn Strommengenübertragungen in Netzausbaugebieten untersagt würden. Allerdings bleibt ein Risiko: Die Betreiber könnten in der Zwischenzeit diese Strommengen komplett übertragen, so dass es am Ende auch in dieser Sache nichts mehr zu regeln gibt.

Mit Blick auf die Debatte um die vom Atomausstieg ausgenommenen Uranfabriken in Gronau und Lingen und deren Uran-Brennstoff-Lieferung für marode AKWs wie Tihange und Doel in Belgien ist im Bundesrats-Antrag lediglich das Exportverbot gefordert – die Stilllegung der Uranfabriken ist kein Thema. Hier aber hat sich schon vor einiger Zeit die SPD bzw. das Bundesumweltministerium festgelegt: Ein solches Exportverbot sei rechtlich nicht umsetzbar, hat es sich durch Gutachter attestieren lassen. Wolle man Exporte untersagen, dann müsse man die Uranfabriken stilllegen, so das BMU. Wie das geht, hat das Ministerium ebenfalls gutachterlich darstellen lassen.

Problem: Die CDU und allen voran NRWs Ministerpräsident Armin Laschet wollen diese Stilllegung nicht, sondern fordern lediglich das Exportverbot. Ansonsten hat die CDU aber kein Problem, wenn deutsche Uranfabriken weltweit AKWs weiter beliefern. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist entsprechend lediglich vorgesehen zu prüfen, wie ein rechtssicheres Exportverbot geregelt werden kann. Setzt sich in dieser auch rechtspolitischen Debatte die CDU durch, könnte es zu einem Exportverbot kommen, der weitere unbefristete Betrieb der Uranfabriken und die deutsche Beteiligung im weltweiten Uranhandel aber bliebe gesichert. Genau das hatte Armin Laschet jüngst mit Blick auf die außenpolitischen Machtinteressen Deutschlands als wichtig bezeichnet. „Das (die Stilllegung, UmweltfAIRaendern) würde bedeuten, dass Deutschland auch nicht mehr Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde und dann auch nicht an Gesprächen mit dem Iran beteiligt wäre.“

Siehe dazu ausführlicher: Sprengstoff: Naher Osten, Atomenergie, Urananreicherung und die Waffe

Dirk Seifert