Israels rissiger Plutonium-Reaktor – Gebaut und finanziert mit französisch-deutscher Hilfe

Noch älter als der Reaktor in Dimona ist der israelische Forschungsreaktors Sorek, der 1955 am Fluß Nahel Sorek errichtet wurde. Das Foto zeigt die frühere israelische Regierungschefin Golda Meir und den ehemaligen Arbeitsminister Shimon Peres im Jahr 1960 beim Besuch der Anlage. Foto: Israelische Atomenergie Kommission
Noch älter als der Reaktor in Dimona ist der israelische Forschungsreaktor Sorek, der 1955 am Fluß Nahel Sorek errichtet wurde. Das Foto zeigt die frühere israelische Regierungschefin Golda Meir und den ehemaligen Arbeitsminister Shimon Peres im Jahr 1960 beim Besuch der Anlage. Darauf verweist das Online-Portal Ingenieur.de. Foto: Israelische Atomenergie Kommission

„Tief in der israelischen Negev-Wüste liegt der gerüchteumwobene Atomreaktor von Dimona. Streng geschützt ist diese Anlage mit Zäunen und Wachtürmen und Soldaten an den Pforten. Gehütet wird hier seit Jahrzehnten das Geheimnis der israelischen Atombombe. Doch nun sorgt eine Nachricht aus dem Hochsicherheitstrakt für Aufregung: 1537 Mängel am Gehäuse des Reaktors haben Wissenschaftler entdeckt“, berichtet die Süddeutsche am 2. Mai.  Der ehemalige Mitgründer der Anlage, Uzi Even, rät „zum Abschalten. Knesset-Mitglieder forderten bereits, sofort nach den Pessach-Feiertagen die Risiken des Reaktorfossils zu beraten“, schreibt die Frankfurter Rundschau. Geliefert wurde der Reaktor Ende der 1950er Jahre von Frankreich, finanziert wurde der mit Geld aus Deutschland.

  • Dieser Text erscheint in meiner „Spurensuche„, weil das israelische Atomzentrum in der Negev-Wüste mit finanzieller Unterstützung Deutschlands gebaut wurde und sich daher auch die deutschen Ambitionen einer auch militärischen Nutzung der Atomenergie in der Frühphase der jungen Bundesrepublik spiegeln. Über die Atomforschung in Nazi-Deutschland und die in der frühen Bundesrepublik berichte ich hier ausführlich im Zusammenhang mit dem Buch von Rainer Karlsch – Hitlers Bombe.
  • Zum Bild oben: Im Jahr 1958 begannen die Baumaßnahmen am Kernforschungszentrum Sorek. Der Reaktor wurde 1960 in Betrieb genommen. Dabei handelt es sich um einen 5-MW-Leichtwasserreaktor, der in den 1950er-Jahren von den USA im Rahmen des Programms Atoms for Peace geliefert wurde. (Siehe wikipedia)
  • In der Welt schreibt Hans Rühle am 14. April 2015 unter der Überschrift „Hat Deutschland Israels Atomwaffen finanziert?“ folgendes: „Jahrzehntelang zahlte Bonn dem jüdischen Staat unter strenger Geheimhaltung Hunderte Millionen. Angeblich für Entwicklungsprojekte. In Wahrheit ging es um Atomwaffen. Davon ist unser Autor überzeugt.“ Über Hans Rühle heißt es zur Erläuterung: Er „gilt als einer der führenden Nuklearwaffenexperten Deutschlands. Er war von 1982 bis 1988 Planungschef im Bundesverteidigungsministerium und bekleidete danach Leitungspositionen in der Nato. Er ist Oberst der Reserve.“
  • Beachte unten auch die Hinweise auf Gaby Weber und ihr „Eichmann-Buch“, in dem auch ausführlich auf die deutsche Finanzierung des israelischen Atomwaffen-Projekts eingegangen wird!

Eine unmittelbare Gefahr, so die israelischen Behörden, bestehe (natürlich) nicht. Ingenieur.de informiert: „Der Reaktor in Dimona wurde Ende der 1950er-Jahre von der französischen Industrie gebaut und ging schließlich 1963 in Betrieb. Damals wurde die Lebensdauer mit 40 Jahren angegeben. Der Metallkern, der mit Beton ummantelt ist, altert durch die extremen Hitze- und Strahlungsbelastungen, denen er ständig ausgesetzt ist, stark.“ Außerdem stellt das Online-Portal fest: „So ist der Reaktor in keiner Weise gegen Raketenbeschuss abgesichert, obwohl im Umfeld Israels in den meisten Ländern mit immer stärkeren und zielsichereren Raketen experimentiert wird. Genauso wenig ist Dimona gegen Flugzeugabstürze oder Erdbeben geschützt.“

Der Forschungsreaktor in der Negev-Wüste in der Nähe der Stadt Dimona wurde mit neuesten Ultraschall-Geräten untersucht: entdeckt wurden 1537 Mängel. Foto: Negev Nuclear Research Center
Der Forschungsreaktor in der Negev-Wüste in der Nähe der Stadt Dimona wurde mit neuesten Ultraschall-Geräten untersucht: entdeckt wurden 1537 Mängel. Foto: Negev Nuclear Research Center

Dort heißt es auch: „Dieser Reaktor wird im Gegensatz zur überwältigenden Mehrheit aller Reaktoren in Europa nicht zur Stromgewinnung eingesetzt sondern dient als Forschungsreaktor im Negev Nuclear Research Center vor allem der israelischen Wehrtechnik. Israel hat jahrzehntelang die Beschäftigung mit nuklearen Waffen abgestritten. Bekannt wurde sie schließlich durch einen israelischen Insider, der seine Kenntnisse im Ausland an Journalisten weitergab. Dafür wurde er vom israelischen Geheimdienst in Südeuropa gekidnappt und zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Ausreisen darf er aus Israel auch heute noch nicht.

Israel hat den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet, stellt der „Ingenieur“ fest. „Dass über den Dimona-Reaktor nicht wesentlich mehr bekannt ist, liegt auch daran, dass Israel nicht den Vertrag über die Non-Proliferation of Nuclear Weapons unterschrieben hat und damit auch nicht den regelmäßigen Untersuchungen durch die International Atomic Energy Agency (IAEA) unterworfen ist. Israel praktiziert lediglich – auf freiwilliger Basis – das Sicherheitsreglement der IAEA. Im Land selbst unterliegt der Dimona-Reaktor nur der Kontrolle durch eine spezielle Kommission, die allein an den israelischen Regierungschef berichtet.“

Peter Münch von der Süddeutschen berichtet in seinem Artikel weiter: „Entdeckt wurden die Schäden an dem von einem Betonmantel umgebenen Aluminiumkern der Anlage durch eine neuartige Ultraschalluntersuchung, und bekannt gemacht wurden sie nach einer Expertenkonferenz in Tel Aviv von der Tageszeitung Haaretz. Verwunderlich ist die Mängelliste eher nicht, schließlich hat der 26-Megawatt-Reaktor seine übliche Laufzeit von 40 Jahren längst überschritten. In den Fünfzigerjahren, noch in der Aufbauphase des jüdischen Staats also, war er in aller Heimlichkeit aus Frankreich geliefert worden, 1963 nahm er seinen Betrieb auf. Doch was hier betrieben und produziert wurde, sollte eigentlich keiner wissen.“

Forschungszentrum Negev für die israelische Atombombe

Offiziell war die Anlage, in der rund 2700 Menschen arbeiten sollen, zunächst als Textilfabrik getarnt worden. In Wirklichkeit arbeiteten hier unter der Leitung des späteren Präsidenten und Friedensfreundes Schimon Peres die Wissenschaftler an Israels viel zitierter „nuklearen Option“. Ausländische Experten gehen inzwischen davon aus, dass Israel dank Dimona die sechstgrößte Atommacht auf Erden ist: mit 100 bis 300 hier produzierten nuklearen Sprengköpfen, die auf Boden-Boden-Raketen und Cruise Missiles verteilt und auch auf den von Deutschland gelieferten U-Booten eingesetzt werden können.

Weiter berichtet die SZ: „Bekannt und berüchtigt wurde Dimona spätestens 1986, als der israelische Atomspion Mordechai Vanunu über die britische Sunday Times wissen ließ, dass dort jedes Jahr 40 Kilogramm Plutonium produziert werden. Seither redet die ganze Welt darüber – nur Israel schweigt. Die Bombe ist das große Tabu. Eingebürgert hat sich für diese Haltung der Begriff der nuklearen Ambiguität – und die Zweideutigkeit verfolgt einen eindeutigen strategischen Zweck.“

Gebaut mit deutscher Finanzierung

Über die historischen Hintergründe berichtet die Welt in dem oben bereits erwähnten Artikel von Hans Rühle (es lohnt sich unbedingt den Artikel dort im Original vollständig nachzulesen, um mehr über die Details zu erfahren). Dort heißt es: „Im November 1956 fragte Peres den französischen Verteidigungsminister Maurice Bourgès-Maunoury: „Was halten Sie davon, wenn sich Israel ein eigenes Vergeltungspotenzial schaffen würde?“ Ein Jahr später unterzeichnete Peres mit Vertretern der sozialistischen Regierung Mollet drei geheime Verträge. Frankreich lieferte einen 24-Megawatt-Schwerwasserreaktor, lieh Israel 385 Tonnen Natururan, würde mit Israel bei der Forschung und der Herstellung von Nuklearwaffen zusammenarbeiten und das Land beim Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage zur Plutoniumgewinnung unterstützen.“

Gestützt auf diese französische Hilfe baute Israel den Atomwaffen-Reaktor: „Der Bau des Reaktors begann Ende 1957 nahe dem Ort Dimona in der Negev-Wüste. 1964 war er fertig, ein Jahr später stand die Wiederaufarbeitungsanlage. Ende 1966 hatten die israelischen Ingenieure den nuklearen Bombenbau im Griff. Zu Beginn des Sechstagekriegs 1967 besaß Israel zwei zündfähige Gefechtsköpfe, beim Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges 1973 waren es zehn bis 20.“

Rühle berichtet interessante Hintergründe, bevor er zur Frage der Finanzierung des Atomkomplex Dimona kommt: „Als die Frage der deutsch-israelischen Beziehungen wieder einmal hohe Wellen schlug, deutete Ben-Gurion anlässlich eines Hintergrundgesprächs mit Herausgebern israelischer Tageszeitungen am 31. März 1963 an, dass eine Konfrontation mit der Regierung Adenauer die Entwicklung einer Abschreckungswaffe stören könne und dass deren Bedeutung für die Sicherheit Israels und die Vermeidung kommender Kriege gar nicht hoch genug einzuschätzen sei.“

Demnach ging es um zwei Milliarden D-Mark aus Deutschland, mit denen das Atomprojekt in der Negev-Wüste realisiert wurde. Rühle: „Dieser Hinweis war nicht nur unmissverständlich, er entsprach auch der damals Ben-Gurion wohlvertrauten Realität: Die Bundesrepublik finanzierte seit 1961 das israelische Nuklearwaffenprogramm, getarnt als Beitrag „zur Entwicklung des Negev“, einem Steckenpferd Ben-Gurions seit den Tagen der Staatsgründung.“

Über die Einzelheiten schreibt Rühle in der Welt weiter: „Am 14. März 1960 trafen sich Adenauer und Ben-Gurion im New Yorker Hotel „Waldorf Astoria“. Dabei einigten sich die beiden Regierungschefs, dass die Bundesrepublik Israel mit einem über zehn Jahre laufenden Kredit von insgesamt 500 Millionen Dollar – damals zwei Milliarden D-Mark – bei der „Erschließung des Negev“ behilflich sein solle. Umgesetzt wurde die Absprache, die kein Abkommen im technischen Sinn war und daher weder der Einschaltung des Bundestags noch des Kabinetts bedurfte, durch die streng geheime „Aktion Geschäftsfreund“ – so ihr Deckname in den Akten des Auswärtigen Amtes.“

In dem Artikel werden zahlreiche weitere Hinweise und Belege genannt und darauf verwiesen, dass die Geheimhaltung über diese Finanzierung aus Deutschland immer noch der Geheimhaltung unterliegt: „Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die KfW sich bis heute standhaft weigert, die „streng geheimen“ Dokumente über Zahlungen an Israel im Kontext der „Aktion Geschäftsfreund“ herauszugeben. Doch für die Beantwortung der Frage, was aus den Überweisungen geworden ist, spielt das keine allzu große Rolle. Wie Hansen auf der Basis der Akten des Auswärtigen Amts kommentiert, liefen die Zahlungen im Rahmen der „Aktion Geschäftsfreund“ bis 1973.“

Beteiligt möglicherweise auch Franz Josef Strauß

Die Welt möge es verzeihen, wenn ich den Artikel vom Mai 2015 hier vielleicht über Gebühr zitiere, aber er liefert wertvolle Details und Hintergründe auch über die deutsche Atompolitik in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, die auch zeigen, wie eng die Frage der vermeintlich zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie beieinander lagen. Dabei kommt man um die Rolle von Franz Josef Strauß nicht umhin, dem ersten deutschen Atomminister und anschließenden Verteidigungsminister.

Rühle berichtet also in dem Welt-Beitrag weiter: „Nur einmal wurde ein prominenter deutscher Politiker direkt mit der Finanzierung der israelischen Nuklearwaffen in Verbindung gebracht. In einem Artikel in der Tageszeitung „Haaretz“ vom 19. Januar 1996 über „die deutsche Kolonie in Dimona“ wurde über einen „vergessenen israelischen Roman“ aus den 60er-Jahren berichtet, der wegen vielfältiger Verwendung von Pseudonymen für Verfasser und handelnde Personen damals offenbar dem Zensor entgangen war. Die Entschlüsselung ist jedoch nicht schwierig. Die zentrale Aussage ist die Behauptung, der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Strauß habe 500 Millionen D-Mark zur Finanzierung des Reaktors in Dimona zur Verfügung gestellt. Das Geld habe er unautorisiert einem Reptilienfonds der deutschen Regierung entnommen, wofür er später zum Rücktritt gezwungen worden sei.“

  • Strauß hat in den 50er Jahren intensive Verhandlungen und geheime Verträge mit der französischen und italienischen Regierung geführt, u.a. zum Bau einer Urananreicherungsanlage in Frankreich und einem Raketenversuchszentrum in Algerien. Dazu ist u.a. hier in meinem Blog nachzulesen.

Allerdings stellt Rühle fest: „Für diese Behauptungen gibt es bis heute keine Belege. Richtig dürfte allerdings sein, dass Strauß nicht nur die deutsche „Rüstungshilfe“ an Israel betrieb, sondern auch die Anfänge der „Aktion Geschäftsfreund“ mitgestaltet hat.“

Dirk Seifert

2 Gedanken zu “Israels rissiger Plutonium-Reaktor – Gebaut und finanziert mit französisch-deutscher Hilfe

  1. Dank für diese Hinweise. In meinem Atomkrimi „Die unheilige Strahlkraft des Gral“ bin ich ebenfalls auf diese Geschichte eingegangen. Der Adenauer-Vertraute und Staatssekretär Globke, der an den Rassegesetzen in Nürnberg federführend mit gewirkt hat, war der operative Teil des Dimona-Projektes, das übrigens offiziell „Atomare Meerwasserentsalzungsanlage“ genannt wurde. Und hier kommt Eichmann in das Spiel, der beabsichtigte, Namen führender Nazis und wieder in der BRD-Zeit fungierender Leute für seine Interessen zu nutzen, nämlich durch öffentliche Hinweise.
    Es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass sich zwar Namen und Köpfe geändert haben, die Allmachtphantasien zur Atomenergie sich weiter gehalten haben, siehe GRAL. Freundliche Grüße von Wolf Schluchter

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