Atommülllager ASSE II: Kontroverse um neue Struktur der Öffentlichkeitsbeteiligung

Atommülllager ASSE II: Kontroverse um neue Struktur der Öffentlichkeitsbeteiligung

Seit längerem verläuft der öffentliche Begleitprozess beim Atommülllager ASSE II unrund. Verschiedene Sachprobleme im Zusammenhang mit der geplanten Rückholung der dort eingelagerten Atommüllfässer haben zu Kontroversen nicht nur mit dem ASSE-Betreiber (ehemals Bundesamt für Strahlenschutz, jetzt Bundesgesellschaft für Endlagerung) geführt. Nicht nur Maßnahmen zur Verfüllung von Stollen, sondern z.B. auch die Frage, wo ein Zwischenlager für die zu bergenden Abfälle entstehen sollte, waren heftige Streitpunkte. Dabei ist es auch zwischen den beteiligten Initiativen zu Auseinandersetzungen gekommen. Zahlreiche Versuche, im Rahmen der bisherigen Strukturen zu einer Lösung der Konflikte zu kommen – inklusive einer Mediation – schlugen fehl. Jetzt kommt es zu einer Neuordnung der Beteiligungsstrukturen, die von einigen Gruppen bzw. Akteuren abgelehnt wird, aber beispielsweise von der AG Schacht Konrad aufgrund der bislang völlig verfahrenen Situation begrüßt wird.

Auf der Homepage der Asse-II-Begleitgruppe finden sich unter der Überschrift „Stellungnahmen zum Strukturvorschlag für die angepasste Weiterentwicklung und Fortsetzung der Asse2 Begleitgruppe“ jede Menge Papiere, die sich mit dem „Strukturvorschlag der Bürgermeisterinnen der Samtgemeinde Elm-Asse und Sickte, des Bürgermeisters der Stadt Wolfenbüttel sowie der Landrätin des Landkreises Wolfenbüttel für die angepasste Weiterentwicklung und Fortsetzung der Asse2 Begleitgruppe“ auseinandersetzen. Der Vorschlag war bereits am 27.02.2017 den politischen Gremien vorgestellt worden und ist inzwischen auf vielen Treffen und Veranstaltungen diskutiert und vor wenigen Wochen in veränderter Form verabschiedet worden.

Auf der Seite ASSE-Watch findet sich die Kritik aus einem Teil der Initiativen vor Ort gegen diesen Strukturvorschlag (eine aktuelle Seite des ASSE-2-Koordinationskreises habe ich leider nicht gefunden). (Siehe hier zum A2K bei der AG Schacht Konrad)

Die AG Schacht Konrad hat auf die Neustrukturierung des ASSE-Begleitprozesses inzwischen mit zwei Stellungnahmen grundsätzlich positiv reagiert und „wirbt für Neuanfang der ASSE II-Begleitgruppe (24.11.)“. Zuvor hatte die AG am 17.11. gefordert:“Für einen Neuanfang des ASSE II-Begleitprozesses„.

Schon seit Jahren verläuft der Prozess im Koordinationskreis A2K schwierig. Darauf verweist die AG Schacht Konrad, wenn sie über den Kreis schreibt: „Die zunächst sehr erfolgreiche Arbeit des A2K bekam einen ersten Knick nach der Zustimmung der A2K-Vertreter in der ASSE II-Begleitgruppe (a2b) zu der durchaus umstrittenen „Lex ASSE“. Sie hatten sich dem Druck von Landrat Jörg Röhmann gebeugt und entgegen ihrer eigenen vorher im A2K geäußerten Position gestimmt.

In der Folge haben sich mehrere Gruppen, so auch die AG, aus dem Briefkopf des A2K entfernen lassen. Um die Zusammenarbeit trotzdem weiterhin aufrecht zu erhalten, hat der ASSE-Beauftragte der AG, Claus Schröder, weiterhin im A2K und auch als A2K-Vertreter im a2b mitgearbeitet.

Ab Anfang 2015 gab es zunehmend inhaltliche Differenzen zu der Frage der Standortsuche für ein Zwischenlager für den zu bergenden Müll. Die Zusammensetzung der Treffen veränderte sich (es gibt keine festen Delegierten; jedeR Anwesende hat eine Stimme) und die Mehrheit entfernte sich von der Position, die eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe noch im Februar 2014 erarbeitet hatte. Von einigen Mitgliedern wurde sogar explizit die Forderung „Kein Zwischenlager an der ASSE“ erhoben.

Die Aktivitäten des A2K erschöpften sich im gesamten Jahr 2015 im Wesentlichen in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Vorsitzenden der a2b, Landrätin Christiana Steinbrügge. Manche Maßnahmen der Landrätin fand auch die AG kritikwürdig; die öffentliche Auseinandersetzung schadete jedoch der Begleitgruppe insgesamt. Parallel wurden Positionen per Mehrheitsentscheidung durchgedrückt, obwohl die ursprüngliche Aufgabe des A2K lediglich war, die Aktivitäten zu koordinieren. In der Folge traten AG, Sickter BASA und die GRÜNEN KV Wolfenbüttel aus dem A2K aus und setzen zukünftig ihre ASSE-Arbeit außerhalb des A2K fort.“

An diese und aktuellere Konflikte knüpft die AG an, wenn sie nun in Reaktion auf einige andere Initiativen aus dem A2K feststellt: „Ein Treffen am „runden Tisch“ führe nicht automatisch dazu, dass die Region in Sachen Rückholung mit einer Stimme spricht“, erklärt Claus Schröder, ASSE-Beauftragter der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad und Mitglied der ASSE-II-Begleitgruppe (a2b). „Der Vorschlag des ASSE-II-Koordinationskreises (A2K) ignoriere schlichtweg die Erfahrungen in der Begleitgruppe. Die befürchtete Zersplitterung sei seit knapp drei Jahren bereits Realität“, so Schröder weiter. „Damit die Region mit einer Stimme spreche, sei es vielmehr nötig, dass alle Beteiligten inhaltlich kompromissbereit seien.“

Zu den Kritisierten gehört u.a. auch aufpASSEn.org. RegionalWolfenbüttel berichtet über deren Kritik z.B: „Kritische Stimmen unerwünscht? „Kritische Mitglieder der Asse 2 Begleitgruppe, die genauer hinschauen und Fehler aufzeigen, sind wohl nicht mehr erwünscht. Die Politik schafft sich nun einen politisch gesteuerten Begleitprozess, der jederzeit veränderbar ist“, so die Einschätzung von Asse II Koordinationskreis und AufpASSEn e.V.. Der Schein der Bürgerbeteiligung solle so erhalten bleiben. Dies geschehe wie zufällig in einer Zeit, in der der Betreiber den Standort zum Zwischenlager festlege. Eine starke regionale Asse 2 Begleitgruppe, die fachlich arbeitet und möglichst mit einer Stimme spricht, sei hier im Weg.“

Ganz anders betrachtet die AG Schacht Konrad die Situation. In der Presseerklärung vom 17. November ist zu lesen: „Kreistag spricht sich für Änderungsvorschlag der AG aus – Bei nur einer Gegenstimme hat der Kreistag Wolfenbüttel auf seiner Sitzung am 13.11.17 mit breiter Mehrheit das Modell der Hauptverwaltungsbeamten (HVBs) für eine neue Struktur der ASSE II-Begleitgruppe (a2b) mit dem Änderungsvorschlag von Claus Schröder (für die AG) beschlossen. Es folgen noch bis zum 20.12.17 die Ratssitzungen der Samtgemeinden Sickte und Elm-Asse, sowie der Stadt Wolfenbüttel, auf denen ebenfalls über die neue Struktur beraten wird. Wenn es auch dort entsprechende Mehrheiten gibt – was zu erwarten ist -, kann es im Februar/März nächsten Jahres mit der Gründungsversammlung einer „Zivilgesellschaftlichen Kammer“ zu einem Neuanfang der Begleitgruppenarbeit kommen.

Warum ist ein Neuanfang nötig?

Die in den ersten Jahren durchaus erfolgreiche Arbeit der a2b war in den letzten knapp drei Jahren geprägt von einer nicht sachorientierten Auseinandersetzung zwischen dem ASSE II-Koordinationskreis (A2K) und den HVBs. Auch zwei Mediationen konnten die Probleme in der Art der Zusammenarbeit nicht lösen, die immer wieder aufflammten, sobald es um strittige Themen ging. Die AG hatte – aus ähnlichen Gründen – vor zwei Jahren den A2K verlassen und einen Antrag auf einen eigenen Sitz in der a2b gestellt, der bis heute nicht abschließend behandelt wurde. Die AG hat beide Seiten kritisiert und zu einer gemeinsamen Arbeit aufgerufen, bei der auf die Empfindlichkeiten der jeweils anderen Seite Rücksicht genommen wird; leider ohne Erfolg. Aus sich heraus war die a2b nicht in der Lage, die Krise zu lösen.

Warum wurde der Kreistag eingeschaltet?

Es gibt keine gesetzlichen Regelungen für derartige Problemfälle der a2b. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf den Ursprung dieses Begleitprozesses: 2008 wurde die a2b aufgrund entsprechender Forderungen der Samtgemeindebürgermeisterinnen der umliegenden Kommunen durch die beteiligten Behörden installiert. Für die AG ist es nachvollziehbar, wenn das demokratisch gewählte Gremium der Region über einen Ausweg aus der Sackgasse berät; besser, als wenn das Land oder der Bund ein neues Modell vorsetzen würden.

Was ändert sich mit dem neuen Modell?

Statt einer Begleitgruppe mit 17 Mitgliedern soll es zwei Kammern geben:  „KommunalvertreterInnen“ (HVBs und Fraktionen im Kreistag) und „Zivilgesellschaftliche VertreterInnen“ (ZGV). Die VertrerInnen der ZGV sollen auf einer Gründungsversammlung gewählt werden. Das Gremium soll deutlich breiter aufgestellt sein als bisher; z.B. mit Landvolk, Gewerkschaften, Landeskirche und VertreterInnen der jungen Generation. Es wird keine Mehrheitsentscheidungen mehr geben. Das folgt der – aus AG-Sicht – richtigen Erkenntnis, dass die a2b nichts zu entscheiden hat (Entscheidungen trifft allein der Betreiber). Trotzdem sollte natürlich um gemeinsame Forderungen an den Betreiber gerungen werden. Bei Mehrheitsentscheidungen würde man der unterlegenen Gruppierung zumuten, nach außen Forderungen zu vertreten, die sie selbst inhaltlich nicht richtig findet. Die AG verweist in diesem Zusammenhang immer auf das gelungene Beispiel des Salzgitter-Bündnisses gegen Schacht KONRAD.

Was hat die AG vorgeschlagen?

Die AG akzeptiert die Aufspaltung auf zwei Kammern, da so die zerstrittenen Blöcke erstmal getrennt werden und eine sachgerechte Arbeit wieder möglich wird. Der Vorschlag der AG, dem der Kreistag zugestimmt hat, ist, dass sich die beiden Kammern vier Mal pro Jahr zu gemeinsamen Sitzungen treffen. Auf diesen Sitzungen stellen die Wissenschaftler, die die a2b beraten, ihre Stellungnahmen vor. Die Positionsfindung erfolgt dann in den getrennten Sitzungen der beiden Kammern.

Wann geht es wie weiter?

Ab sofort sind alle Gruppen und Organisationen aufgerufen, für die Mitarbeit in der Kammer der Zivilgesellschaft zu werben. Anfang des Jahres wird es vermutlich eine Infoveranstaltung des Landkreises über die neue Struktur des Begleitprozesses geben. Im Februar/März nächsten Jahres wird dann die Gründungsversammlung der Zivilgesellschaftlichen Kammer stattfinden. Moderiert wird diese Versammlung -wie auch die anderen Sitzungen – von dem Umweltbeauftragten der Landeskirche Hannover, Pastor Rolf Adler. Bis dahin soll dann auch die Forderung der AG nach korrekter Auflösung der bisherigen a2b gemäß §10 der jetzigen Geschäftsordnung erfüllt sein. Die neue Struktur ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Geplant ist schon jetzt eine Evaluation nach zwei oder drei Jahren mit der Möglichkeit einer erneuten Anpassung.“

Dirk Seifert

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