BUND: Vergleichende und transparente Atommülllager-Suche von Beginn an umsetzen

BUND: Vergleichende und transparente Atommülllager-Suche von Beginn an umsetzen

In einem Als BUND-Kurzinfo bezeichneten Papier hat der BUND zum laufenden Endlager-Suchverfahren für hochradioaktive Abfälle Stellung genommen. Als PDF ist das Papier hier beim BUND online zu finden. Auf dieser Seite informiert der Bundesverband des BUND hier. UmweltFAIRaendern.de dokumentiert den Text gliech hier unten…

BUND-Kurzinfo:  Vergleichende und transparente Atommülllager- Suche von Beginn an umsetzen.

Einleitung

Mit der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete rückt das Thema Atommüll 1 in zahlreichen Regionen Deutschlands wieder oder erstmals in den Fokus. Die Erwartungen an einen fairen und wissenschaftlichen Prozess – insbesondere vor dem Hintergrund des bisherigen Gemauschels um den politisch gewollten, aber geologisch ungeeigneten Standort Gorleben 2 (Hinweis: Das Papier ist der Veröffentlichtung des „Zwischenberichts Teilgebiete“ durch die BGE Ende September 2020 veröffentlicht worden, in dem Gorleben wegen ungeeigneter Geologie aus dem Verfahren ausgeschlossen worden ist) – werden nun von zahlreichen Regionen vorgebracht. Doch schon jetzt ist klar, dass diese Auswahl in der ersten Phase des Suchverfahrens an vielen Stellen mangelhaft ist 3. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mahnt, dass nicht schon zu Beginn des langjährigen Auswahlprozesses die Weichen falsch gestellt werden dürfen. Ein Gelingen würde damit in weite Ferne rücken. Daher braucht es spätestens jetzt Transparenz, Beteiligung und Wissenschaft als Grundlage.

Noch immer ein Flug ohne Landebahn

 Die knapp 60-jährige Geschichte der Atomstromerzeugung in Deutschland hinterlässt einen großen Berg an Atommüll4, der für Mensch und Umwelt hochgefährliche radioaktive Strahlung abgibt – und das für mehr als eine Million Jahre. Noch immer gibt es weltweit keinen sicheren Umgang mit dem Müll und auch in Deutschland ist man noch Jahrzehnte von einem „Endlager“ entfernt. Dennoch laufen die Atomkraftwerke noch bis zum Jahr 2022 und produzieren den giftigen Müll. Sogar über das Jahr 2022 hinaus wird weiterhin Atommüll in Deutschland produziert, etwa in der Uranfabrik in Gronau. Ein echter Atomausstieg sieht anders aus.

Der Bau der Atomkraftwerke in Deutschland war auch mit dem Glauben an eine schnelle Lösung des Atommüllproblems verbunden: Es begann ein Flug ohne Landebahn und das bis heute. Die zahlreichen Lagerungsversuche wie in der Schachtanlage Asse, im Bergwerk Morsleben oder im geologisch ungeeigneten Salzstock Gorleben sind Zeugen einer unzulänglichen und unverantwortlichen Atompolitik. Entscheidungen wurden im geheimen getroffen und wichtige Informationen blieben unter Verschluss.

Aktuell stehen die strahlenden Hinterlassenschaften in teils hochproblematischen Zwischenlagern5, deren Genehmigungen Mitte der 2040er Jahre auslaufen. Ein „Endlager“ wird nach realistischen Schätzungen dann noch lange nicht betriebsbereit sein. Daher braucht es ein neues, solides Konzept für die Zwischenlager.

Der Begriff „Endlager“ täuscht hier eine Lösung vor, die es nicht geben kann. Angesichts der großen Gefahr, die von Atommüll ausgeht, und dem unvorstellbaren Zeithorizont betont der BUND, dass es kein „sicheres“ Endlager geben kann. Entscheidend ist ein Atommülllager zu finden, bei dem in Abwägung mehrerer Alternativen von einem relativ geringen Risiko ausgegangen wird. Hierbei sind nicht nur technische, sondern auch sozialpolitische und ethische Fragestellungen mit wissenschaftlichen Methoden zu behandeln. Die größtmögliche Sicherheit hat absoluten Vorrang vor  den Kosten der  Lagerung. „Wirtschaftlichkeit“  und Verhältnismäßigkeit sind keine Abwägungsgründe. Der BUND mahnt, dass es einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Atommüll geben muss – ein Weiterschieben darf es nicht geben.

Neues Verfahren – Alte Probleme

 Nach 40 Jahren Gorleben wurde mit der Atommüll-Kommission beim deutschen Bundestag der Versuch unternommen, die Suche neu zu beginnen. Auch der BUND hat sich konstruktiv und kritisch an der Kommissionsarbeit beteiligt, hat den Abschlussbericht wegen erheblicher Mängel und Probleme aber nicht mitgetragen.6 Und tatsächlich wurde das darauffolgende, im Jahr 2017 gestartete Verfahren den gesetzlich formulierten Zielen einer partizipativen, wissenschaftsbasierten und transparenten Suche bis heute nicht gerecht. Die geplante Suche nach einem Atommülllager in Deutschland soll in drei Phasen ablaufen und bis zum Jahr 2031 einen Standort ausfindig machen. Die erste Phase der neuen Suche begann mit der „weißen Landkarte“, die eine Gleichbehandlung aller Regionen in Deutschland symbolisieren sollte. Der bisherige Kenntnisstand über geologische Eigenschaften einiger Regionen in Deutschland und der jahrelang „untersuchte“ Standort Gorleben färbten diese „weiße Landkarte“ jedoch schon zu Beginn mit dunklen Flecken.

Mit der Veröffentlichung des Zwischenberichtes Teilgebiete werden nun weitere Flecken auf der Landkarte bekannt. Zur Eingrenzung in dieser Phase bewertet die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) bereits erhobene geologische Daten. Diese Arbeit verlief drei Jahre hinter verschlossener Tür und weder der BUND noch andere Verbände konnten diese kritisch überprüfen. Schon vor dem ersten Schritt der Suche brauen sich dunkle Wolken zusammen. Das Verfahren muss daher in wichtigen Punkten sofort umsteuern:

Umfangreiche Transparenz für alle gewährleisten

 Bisherige Entscheidungen in der Atommülllager-Suche wurden entweder durch politische Willkür oder durch Diskussionen in abgegrenzten Expert*innengremien erstellt. Grundlage für ein Gelingen der neuen Suche muss daher zum einen Transparenz bei der Entscheidungsgrundlage   und   zum   anderen   bei   den   Entscheidungsprozessen   und   -möglichkeiten sein. Was bedeutet das? Der BUND erwartet, dass alle dem Zwischenbericht zugrundeliegenden Daten, Kriterien und Methoden mit der Vorstellung des Zwischenberichtes nachvollziehbar veröffentlicht werden. Nur der frühzeitige Einblick in diese Daten und freie Bereitstellung von allen Unterlagen kann zu einer glaubwürdigen Standortentscheidung führen. Auch das neue Geologiedatengesetz7 kann diese Ansprüche an Transparenz nicht erfüllen. Daten, die privaten Firmen gehören, können trotz des Gesetzes nicht ohne weiteres veröffentlicht werden und landen in einem Datenraum. Nur Mitglieder des Nationalen Begleitgremiums und von ihm bestimmte Sachverständige haben die Möglichkeit, in diese Geheimkammer zu blicken. Der BUND sieht mit Sorge, dass viele Daten im Datenraum verschwinden können und eine nachvollziehbare Suche verhindern.

Mit dem Standortauswahlverfahren ist die Verantwortung für den Atommüll und die Atommülllager-Suche vollständig an den Staat übertragen worden und die Entscheidungen bündeln sich auf Bundesebene allein beim Bundesumweltministerium. Diese Zentralisierung stellt hohe Anforderungen an die Transparenz. Der BUND begrüßt, dass die Atommülllager- Suche zur staatlichen Aufgabe geworden ist, auch wenn die einmalige Zahlung der Atomwirtschaft von 24 Milliarden Euro deutlich zu gering war. Der BUND fordert, dass die neuen staatlichen Akteure ihre Rolle sofort deutlich machen und Verantwortungsbereiche klar abgrenzen. Nur wenn klar ist, welche Akteure welche Zuständigkeiten bedienen, ist eine glaubwürdige Beteiligung möglich.

Beteiligung auf Augenhöhe sicherstellen

 Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung hat es bisher vollständig versäumt, die Bürger*innen aber auch Umwelt-/Verbände mitzunehmen. Mögliche Betroffene wurden in keiner Weise beteiligt oder auf die Auswahl der Teilgebiete vorbereitet. Auch der Versuch, das erste Beteiligungsgremium, die Fachkonferenz Teilgebiete, in einer Beratungsgruppe vorzubereiten ist gescheitert. Hier wurde zwar geredet, ausgearbeitet und bestimmt wurde jedoch zwischen den Sitzungen vom ausrichtenden BASE. Die Teilnahme der Zivilgesellschaft war gar nicht vorgesehen und über mehrere Sitzungen hinweg musste ein Rederecht der Zivilgesellschaft erstritten werden.

Im Oktober beginnt die Fachkonferenz Teilgebiete, die allen Betroffenen die Möglichkeit geben soll, den nun vorgelegten Bericht zu kommentieren. Von echter Beteiligung kann hier jedoch nicht gesprochen werden. Die Fachkonferenz, so sagt es der Name schon, soll sich fachlich mit dem Bericht auseinandersetzten. Eine wissenschaftliche Überprüfung funktioniert jedoch nicht unter Zeitdruck. Insgesamt wird für eine Überprüfung des umfangreichen und komplexen Berichtes den Betroffenen nur bis Juni 2021 Zeit gegeben. Das ist viel zu kurz für einen umfangreichen Fachbericht, der in drei Jahren Arbeit entstanden ist. Bei der Diskussion des Berichtes auf der Fachkonferenz stehen die zumeist sich ehrenamtlich mit dem Thema Atommüll beschäftigenden Betroffenen einem gut vorbereiteten und ausgestatteten Unternehmen gegenüber. Die Bürger*innen und ihre Initiativen, die Umweltverbände und betroffenen Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, auch komplexe Fragestellungen selbst oder durch selbst beauftragte Fachleute bearbeiten zu können. Dafür sollten Mittel für kritische Gutachten und wissenschaftliche Expertise bereitgestellt werden. Das BASE lehnt dies kategorisch ab und unterläuft damit eine ernstgemeinte Beteiligung. Gleichzeitig wurde Ende Mai 2020 bekannt, dass das BASE eine Million Euro an eine Privatfirma für eine Imagekampagne 8 zahlt. Obwohl also Gelder zur Verfügung stehen, werden diese für PR statt echte Beteiligung eingesetzt.

Vergleichende, wissenschaftliche Suche verankern

 Die Suche nach einem Atommülllager muss auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und dem aktuellen Stand der Technik erfolgen. Zwar wurde dieser Anspruch gesetzlich verankert, doch schon jetzt zeigt sich etwa durch Äußerungen des bayerischen Umweltministers Thorsten Glauber, dass politischer Gebietsschutz an Fahrt aufnimmt9. Der BUND drängt darauf, weiterhin die verschiedenen geologischen Gesteinsschichten (Salz, Tongestein, Kristallin (z.B. Granit)) hinsichtlich ihrer Eignung gleichberechtigt zu vergleichen. Die vergangenen Untersuchungen zu Gorleben oder die Vorkenntnisse zu einigen Regionen dürfen nicht zu einer vorzeitigen Eingrenzung führen.

Was das Verfahren jetzt leisten muss

  •  Der BUND mahnt, die Atommülllager-Suche nicht bereits zu Beginn scheitern zu Die Weichen des Verfahrens müssen am Anfang richtiggestellt werden. Bereits seit drei Jahren arbeitet der BUND intensiv in Gesprächen mit dem BASE, auf Veranstaltungen und in Stellungnahmen daran, das Verfahren auf das richtige Gleis zu setzen.
  • Der BUND fordert vollständige Transparenz durch Offenlegung und Erläuterung aller Daten und Methoden, sowie Nachvollziehbarkeit von der Anwendung der Kriterien bis zu den Ergebnissen – und das spätestens mit der Veröffentlichung des Die bisherige Atompolitik hat alle Glaubwürdigkeit verspielt – nur wer mit offenen Karten spielt, kann das verlorengegangene Vertrauen zurückgewinnen.
  • Für den BUND ist Beteiligung auf Augenhöhe von Anfang an eine wichtige Voraussetzung für die Suche nach einem Atommülllager. Nur durch die Bereitstellung ausreichender zeitlicher und finanzieller Ressourcen für Verbände und Betroffene zur Überprüfung des Berichts a. durch unabhängige wissenschaftliche Expertise besteht die Chance auf echte Mitsprache. Betroffenen müssen ausreichend Klagemöglichkeiten gewährt werden.
  • Der BUND kritisiert, dass schon jetzt politische Interessen in die Suche einfließen. Aus Sicht des BUND muss Sicherheit an oberster Stelle Die Suche muss vergleichend erfolgen und nach nachvollziehbaren, wissenschaftlichen Kriterien ablaufen. Gorleben muss daher sofort ausscheiden.

Kontakt

Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) e.V.

 Juliane Dickel

Referent Atom und Energiepolitik Tel. 030/27586-562

Mail: juliane.dickel@bund.net

Edo Günther

Sprecher Bundesarbeitskreis Atom und Strahlenschutz Mail: edo.guenther@bund.net

1 Unter den Begriff Atommüll fallen zahlreiche radioaktive Abfallprodukte und international gibt es keine einheitliche Klassifizierung. Häufig wird nach Aktivität zwischen hoch,mittelund schwachradioaktivem Abfall unterschieden. Das Standortauswahlgesetz sieht vor, dass beim jetzigen Suchverfahren neben den hochradioaktiven Abfällen aus Atomkraftwerken auch schwachund mittelradioaktive Abfälle an einem Standort eingelagert werden können.

2 BUND-Studie (09/2020) „Wichtige Endlager-Anforderungen nicht erfüllt. Geologische Defizite des Salzstocks Gorleben mit Relevanz für die „Ermittlung von Teilgebieten“ nach Paragraf 13 StandAG“: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_geologische_defizite_gorleben.pdf

3 BUND KurzInfo (04/2020): „Atommülllagersuche: Glaubwürdige Öffentlichkeitsbeteiligung nur bei Moratorium“: https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_zwischenbericht_teilgebiete_kurzinfo.pdf

4 Die Atomenergiewirtschaft und die damaligen Bundesregierungen sowie öffentliche Einrichtungen haben mit mehr als 600.000 Kubikmetern schwachund mittelaktiven Atommüll und zusätzlich über 10.500 Tonnen Schwermetall (t SM) hoch radioaktiver wärmeentwickelnder Abfälle der Bevölkerung in Deutschland und der Menschheit eine höchst gefährliche Erblast überlassen.

5 BUND-Studie (09/2020): „Aktuelle Probleme und Gefahren bei deutschen Zwischenlagern für hoch radioaktive Abfälle“:   https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/atomkraft/atomkraft_zwischenlager_studie_2020.pdf   6 Sondervotum des BUND Vertreters zum Bericht der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfälle“ (06/2016):  https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/_migrated/publications/160701_bund_atomkraft_atommuell_kommi   ssion_abschlussbericht_sondervotum.pdf

7 BUND-Kommentar (06/2020): „Geologiedatengesetz unzureichend und viel zu spät“:  https://www.bund.net/service/presse/pressemitteilungen/detail/news/kommentar-zum-atommuell-   geologiedatengesetz-unzureichend-und-viel-zu-spaet/

8 BUND-Meldung (06/2020): „PR statt Beteiligung“: https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/pr-   statt-beteiligung-bundesamt-will-eine-million-fuer-imagepflege-bei-der-atommuelllagersuche-ausgeben/

9 BUND-Naturschutz Bayern (09/2020): „Umweltminister Thorsten Glauber stellt bundesweite Suche nach Atommüll- Endlager in Frage.“: https://www.bund-  naturschutz.de/fileadmin/Bilder_und_Dokumente/Presse_und_Aktuelles/Pressemitteilungen/2020/Energie_und_Klima/P   M-101-20-Atomm%EF%BF%BDlllager.pdf

Dirk Seifert