Urankonzern URENCO stoppt Verträge mit Russland – Große Mengen Atommüll bleiben in Russland

Urankonzern URENCO stoppt Verträge mit Russland – Große Mengen Atommüll bleiben in Russland

Der Urankonzern URENCO hat nach eigenen Angaben aufgrund des Krieges gegen die Ukraine Verträge mit Russland beendet. Entsprechendes habe das Unternehmen dem WDR mitgeteilt. Auf der Homepage von URENCO ist eine solche Pressemitteilung nicht zu finden. Großen Mengen Uran, die bislang im Rahmen dieser Verträge nach Russland verschifft wurden, verbleiben dort als Atommüll. Der dreistaatliche Konzern mit Uranfabriken in Gronau (BRD), Almelo (NL) und Capenhurst (UK) und außerdem den USA stellt Uranbrennstoff für Atomkraftwerke her, – auch in der Ukraine. Die Uranfabrik in Gronau ist wie eine weitere Anlage zur Herstellung von Uranbrennelementen in Lingen bis heute vom Atomausstieg in Deutschland ausgenommen.

Beim WDR und den Tagesthemen ist zu lesen (9.3.2022):  „Wir sind zutiefst besorgt über die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine“, heißt es in einer Stellungnahme der Urenco gegenüber dem WDR. Und weiter: „Den Vertrag mit unserem Lieferanten in Russland haben wir gekündigt und alle Lieferungen in beide Richtungen gestoppt.“ Gegen die Lieferungen nach Russland hatte es in der Vergangenheit immer wieder Proteste gegeben. Die Gronauer Anlage hat seit Jahren Uran-Hexafluorid als Abfallstoff der Urananreicherung nach Russland gebracht und nach eigenen Angaben Stoffe aus der Behandlung in Russland auch zurückgenommen. Der nun beendete letzte Liefervertrag war 2019 geschlossen worden. Das Uran-Hexafluorid soll nun in einer Halle in Gronau gelagert werden, die bereits vor Jahren dafür gebaut worden war.“

Die Westfälischen Nachrichten ergänzen außerdem: “ … Auch aus Gronau wurde in der Vergangenheit abgereichertes Uranhexafluorid nach Russland gebracht. Der größte Teil des angelieferten Materials wird dort gelagert und wieder angereichert. Die Urenco Deutschland hatte mit dem russischen Staatsunternehmen Tenex einen Vertrag über die Lieferungen geschlossen, der aber inzwischen ausgelaufen ist. Insofern stehen aus Gronau keine Lieferungen an, wohl aber aus Großbritannien.“ Die noch geplanten Transporte aus UK nach Russland wurden demnach gestoppt. Auch Anti-Atom-Organisationen und die Internationalen Ärzt:innen zur Verhütung eines Atomkriegkrieges IPPNW hatten zuvor auf die geplanten Uran-Exporte aus UK nach Russland verwiesen. Siehe unten.

Für URENCO sind diese Deals mit abgereichertem Uran nach Russland in den letzten Jahrzehnten von überaus großem Vorteil gewesen, weil man sich Atommüll im großen Stil vom Hals geschafft hat. Großen Menge des abgereicherten Uran, die nach Russland geschickt wurden, verbleiben dort als Reststoff. Offiziell wird das abgereicherte Uran in Russland wieder angereichert und geht zurück an Gronau. Das aber ist der kleinste Teil. Mehre zig-tausend Tonnen Uran bleiben in Russland und müssen daher nicht in Deutschland als Atommüll entsorgt werden. Eine Praxis, die bis heute vom Atomgesetz in Deutschland akzeptiert wird.

Das abgereicherte UF6, wie es chemisch bezeichnet wird, soll nun nach Aussagen der URENCO auf dem Gelände der Uranfabriken gelagert werden. Um es in einem längst fertig gestellten Zwischenlager in Gronau einstellen zu können, muss das Material zu der stabilen Form U3O8 umgewandelt werden. Das könnte in Frankreich oder in Großbritannien erfolgen und ist abermals mit Atomtransporten verbunden. Erst in der Form U3O8 wäre das Uran in Gronau zur Einlagerung in die dortige Lagerhalle bereit.

Dokumentation:

Gronauer Uran in umkämpften Ukraine-AKW? Urenco ist Hauptlieferant für angereichertes Uran

 Große Sorgen um AKW-Sicherheit: 

– Atomkraft im Kriegsgebiet nicht kontrollierbar

– Was passiert unter russischer Besatzung?

– Urenco liefert auch in andere Krisenregionen

In den heftig umkämpften Atomkraftwerken in der Ukraine wird wahrscheinlich auch Uran eingesetzt, das im münsterländischen Gronau angereichert wurde. Das befürchten Anti-Atomkraft-Initiativen, die Friedensnobelpreisträgerin IPPNW sowie der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU). Sie fordern deshalb von der Bundesregierung einen sofortigen Lieferstopp für Uran aus Gronau sowie von Brennelementen aus Lingen nach Russland und in die Ukraine. Das bedeutet auch ein verbindliches Ende der Uranmüllexporte von Gronau nach Russland.

Seit mehreren Jahren ist der deutsch-niederländisch-britische Urananreicherer Urenco der Hauptlieferant der Ukraine für angereichertes Uran. Dieses wird dann vom US-Konzern Westinghouse im schwedischen Västeras zu Brennelementen verarbeitet und gelangt von dort in die Ukraine. Die aktuellsten Exportgenehmigungen für angereichertes Uran aus Gronau an die schwedische Brennelementefabrik wurden laut Exportliste des Bundes-Umweltministeriums am 1. Februar 2022 und am 2. Dezember 2021 erteilt.

Die Sorge um die AKW-Sicherheit in der Ukraine ist groß: Das AKW Saporischschja wurde von russischen Truppen angegriffen und entging nur knapp einer atomaren Katastrophe. Auch das AKW „Südukraine“ ist militärisch bedroht. Jetzt zeigt sich, wie falsch es war, dass frühere Bundesregierungen ungeachtet der äußerst fragilen Sicherheitslage mehrere Urenco-Ukraine-Deals in den Urenco-Aufsichtsgremien durchgewunken haben, zuletzt 2021 zusammen mit der britischen Regierung.

„Schon 2016 haben wir aus Sicherheitsgründen für die Unterstützung einer nicht-nuklearen Energiewende in der Ukraine plädiert – ohne Erfolg. Das AKW Saporischschja lag schon damals nur 200 km von der umkämpften „Kontaktlinie“ im ostukrainischen Donbass entfernt. Was wird nun mit den AKWs unter russischer Besatzung passieren? Wird es weitere Angriffe auf die anderen AKWs geben? Gerät ein ganzes Land in nukleare Geiselhaft? Die Gefahr ist noch lange nicht vorüber,“ so Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.

Urenco liefert auch in Krisenregion am Persischen Golf

Auch andere Krisenregionen stehen auf der Exportliste für angereichertes Uran von Urenco, insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate am Persischen Golf. Auch hier ist eine Belieferung aus Gronau wahrscheinlich, da Urenco Gronau den zuständigen südkoreanischen Brennelementehersteller Kepco regelmäßig beliefert. Die aktuellste Exportgenehmigung wurde laut Bundes-Umweltministerium am 14. September 2021 erteilt.

Am Persischen Golf kommt es regelmäßig zu terroristischen Attacken und Kriegsdrohungen unter den Anrainer-Staaten. Der Betrieb von AKWs ist allein deshalb unverantwortlich. Die Vereinigten Arabischen Emirate gehörten zudem neben China und Indien auch zu den Staaten, die im UN-Weltsicherheitsrat vor wenigen Tagen den völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine explizit nicht verurteilen wollten. Damit haben sie ihre friedenspolitisch unzuverlässige Grundeinstellung deutlich zum Ausdruck gebracht.

„Bislang wurden Uran- und Brennelementelieferungen aus Deutschland von den jeweiligen Bundesregierungen als rein wirtschaftliche Angelegenheit betrachtet. Sie bringen jedoch massive geopolitische und sicherheitspolitische Gefahren mit sich. Hier muss nun endlich ein Umdenken stattfinden: Uran- und Brennelementelieferungen gefährden die Sicherheit ganzer Regionen in Europa und weltweit. Sie müssen deshalb von der Bundesregierung sofort unterbunden werden,“ so Dr. Angelika Claußen, Europavorsitzende der IPPNW.

Uranmüllexport aus UK nach Russland gestoppt?

Vor wenigen Tagen – noch nach Kriegsbeginn – wollte Urenco mit dem russischen Atomfrachter „Mikhail Dudin“ abgereicherten Uranmüll von der britischen Urananreicherungsanlage Capenhurst zur Endlagerung nach Russland bringen. Das Geschäft scheiterte anscheinend in letzter Minute nach Protesten aus Deutschland und den Niederlanden. Eine niederländische Urenco-Sprecherin teilte der Zeitung Tubantia mit, Urenco werde sich „natürlich“ an die Sanktionen der EU, GB und USA halten. Aber gilt diese Kehrtwende auch für Uranmülltransporte von Gronau nach Russland?

  1. April: Ostermarsch Urananreicherungsanlage Gronau

Für Karfreitag, 15. April, rufen die Initiativen und Verbände zu einem gemeinsamen Ostermarsch von Anti-Atom- und Friedensbewegung an der Urananreicherungsanlage Gronau auf. Konkret geht es dabei um Solidarität mit den leidenden Menschen in der Ukraine sowie um einen Protest gegen die neuerliche Gefahr eines Atomkriegs sowie um atomare Expansionspläne der Urenco und anderer Atomkonzerne und Regierungen für neue, gefährliche Atomreaktoren.

Kontakte:

Dr. Angelika Claußen, IPPNW, Tel. 0172-5882786

Matthias Eickhoff, Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen, Tel. 0176-64699023

Udo Buchholz, AKU Gronau/BBU, Tel. 02562-23125

Weitere Infos:

www.sofa-ms.de, www.ippnw.de, www.bbu-online.de, https://atomstadt-lingen.de, www.bi-luechow-dannenberg.de

Verwendete Quellen:

Dirk Seifert