Neue Landesregierung NRW und hochradioaktiver Atommüll Jülich: Neubau Zwischenlager statt Atomtransporte?
Die neue Koalition aus Grünen und CDU in NRW könnte einen Fortschritt für die seit 2013 nicht mehr ausreichend atomrechtlich gesicherte Lagerung von über 150 Castor-Behältern mit hochradioaktivem Atommüll in Jülich bringen. Das zuständige Ministerium hatte aufgrund fehlender Erdbebensicherheit die Räumung des Zwischenlagers angeordnet. Passiert ist jedoch im Grunde bis heute kaum etwas. Während die Betreiber offenbar einen vermutlich rechtswidrigen Export dieses Atommülls in die USA favorisierten und dabei vom Bundesforschungsministerium (CDU, jetzt FDP) (eher) unterstützt wurden, votierten Bürgerinitiativen für einen Neubau in Jülich und das Bundesumweltministerium (eher) für Transporte nach Ahaus. Nun meldet dpa: „CDU und Grüne setzen sich auf Landesebene für ein neues Zwischenlager in Jülich ein. Das sieht der neue Koalitionsvertrag vor.“ Sollte nun die Bundesebene auf Atomtransporte nach Ahaus ebenso verzichten, wie auf einen US-Export, würde entweder das bestehende Zwischenlager in Jülich nachgerüstet oder ein Neubau erfolgen. Eine Fläche dafür stünde laut DPA bereit.
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In der DPA-Meldung heißt es dazu weiter: „In Jülich befinden sich 152 Castoren mit etwa 300.000 Brennelemente-Kugeln aus dem früheren AVR-Versuchsreaktor. Mit der Koalitionsvereinbarung sollen Atomtransporte in NRW minimiert werden. Das Ziel, die „Option eines Neubaus eines Zwischenlagers in Jülich vorantreiben“ zu wollen, kann die Landesregierung allerdings nur begrenzt beeinflussen. Auch Bundesbehörden sind in die Entscheidung eingebunden.“
Aber, so dpa: „Strittig ist dennoch, ob in Jülich ein neues Zwischenlager gebaut werden darf, die Brennelemente-Kugeln in die USA exportiert oder die Castoren in das Zwischenlager nach Ahaus gebracht werden sollen. Eine Entscheidung hierzu steht noch aus, weil momentan keine der drei Optionen realisierbar ist.“ Natürlich wäre ein Zwischenlager in Jülich von der zuständigen Bundesbehörde, dem Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) abhängig. Dort steht ohnehin die laufende Überprüfung der bislang mangelhaften Erdbebensicherheit an und ist bislang offen.
Der Atommüll in Jülich ist Erbe einer atomaren Träumerei, wie sie auch heute wieder verbreitet ist: Die Erwartungen der Atomgemeinde in den ehemaligen kommerziellen Prototyp-Atomreaktor in Jülich, der mit hochangereichertem (waffenfähigem) Uran in Thorium-Kugeln als nukleare Wunderwaffe galt, hatten sich nie erfüllt. Serienweise Störfälle und immer neue Mängel führten zum Ende des Projekts. Auch der Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktor (THTR) in Hamm – der ein Exportschlager der westdeutschen Atomwirtschaft werden sollte – scheiterte nach kurzer Betriebszeit mit schweren Pannen. Eine unabhängige Kommission hatte später festgestellt, dass es erhebliche Manipulationen seitens der Reaktorbetreiber gegeben hatte, Mängel zu verharmlosen und damit den Weiterbetrieb zu ermöglichen.
Heute ist die Bundesregierung mit mindestens 70 Prozent wesentlicher Geldgeber für den weiteren Umgang mit dem atomaren Erbe. Das Land NRW ist nur mit 30 Prozent – teilweise sogar mit weniger – an den verschachtelten Rückbau- und Betriebsgesellschaften beteiligt. Gegenüber dem Haushaltsausschuss des Bundestages rügt der Bundesrechnungshof massiv, dass in den letzten Jahren zum Vorteil für NRW ohne Nutzen für den BUND Kostenverlagerungen stattgefunden haben.
Es geht bei der Aufteilung zwischen Bund und NRW um den Rückbau der AVR-Reaktoranlage und anderer Atomanlagen der ehemaligen Kernforschungsanlage, aber auch für den immer noch in Jülich lagernden Atommüll. Seit 2013 ist amtlich, was vorher im Grunde schon bekannt war: Die Halle, in der die hochradioaktiven Abfälle aufbewahrt werden, ist unzureichend gesichert. Doch trotz einer Räumungsverfügung hat sich über Jahre nichts getan. Die ehemaligen AVR-Betreiber wollten ihre internationale Forschungsaktivität zum Erhalt der speziellen Reaktortechnik sichern, strebten daher die Zusammenarbeit mit den USA an und verklagten dafür sogar die Bundesregierung. Auch Teile der SPD in NRW waren mit dem Betreiber sehr verbunden, geht die Forschungsanlage doch ehemals auf die Partei zurück. In der Endlagerkommission des Bundestages, wo auch die Jülicher Atomabfälle behandelt wurden und Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Exports dieser Abfälle in die USA angemeldet wurden, hatte der damalige zuständige SPD-Wirtschaftsminister aus NRW in einem Brief dieser Auffassung widersprochen.
Als neuer Umweltminister in NRW könnte der grüne Oliver Krischer, der als Bundestagsabgeordneter aus NRW lange Jahre mit den Sicherheitsmängeln in Jülich vertraut ist, nun also die Bundesregierung und insbesondere die FDP unter Druck setzen.
Während derzeit eine unsinnige Laufzeitverlängerungsdebatte für Atomstrom läuft, – bei der sämtliche Sicherheitsrisiken und auch atom- und verfassungsrechtliche Probleme – sowohl von der CDU, der CSU und immer deutlicher auch der FDP – gemeinsam mit der AfD – ausgeblendet werden, wäre nun die FDP im Bundesforschungsministerium gefordert, die seit Jahren andauernden Sicherheitsmängel in Jülich endlich mittelfristig zu beseitigen und den Weg für ein Zwischenlager frei zu geben.
SPD und Grüne in der Bundesregierung wären jetzt gut beraten, sich für einen schnellstmöglichen, sicheren Neubau in Jülich einzusetzen. Dabei gilt: In allen Fragen der Sicherheit bei der Zwischenlagerung sollte ab sofort eine umfassende gesetzliche und übergesetzliche Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglicht werden. Land und Bundesregierung sind hier gefordert.
Ein Blick auf den nicht erst seit 2013 andauernden Irrsinn bei der Lagerung der radioaktiven Abfälle aus der Nutzung der Atomenergie allein in Jülich wäre vielleicht auch heilsam, um die bis heute weltweit ungelöste langfristig sichere Lagerung zu vergegenwärtigen. Die Atomenergie hat nicht nur wegen des Super-GAU-Risikos ausgedient, wegen ihrer Risiken beim militärischen Missbrauch von Nuklear-Material (Dual-Use), sondern eben auch wegen der weltweit ungelösten Atommüllprobleme. Und der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat noch mal verdeutlicht: Atomanlagen aller Art sind jenseits des Einsatzes von Atomwaffen auch nukleare Anschlagsziele.
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