Kungelei? TÜV, Atomkraft und Gefälligkeiten bei nuklearer Sicherheit
Der BUND und jetzt auch Greenpeace werfen dem TÜV in der vom Ukraine-Krieg getriebenen Laufzeitverlängerungsdebatte in Sachen atomarer Sicherheit „Gefälligkeitsgutachten“ vor. Zunächst hatte der TÜV Süddeutschland für die Bayerische Staatsregierung mit Blick auf den Reaktor ISAR 2, der Ende 2022 gemeinsam mit den AKWs Emsland (Lingen) und Neckarwestheim2 nach Atomrecht endgültig abgeschaltet wird, eine solche Gefälligkeit verfasst. Zuletzt hatte der Chef des TÜV, der Politikwissenschaftler Joachim Bühler, sogar den drei bereits zum Jaheswechsel 2021/22 endgültig abgeschalteten AKWs in Grohnde, Brokdorf und Gundremmingen pauschal Sicherheit bescheinigt. Der TÜV arbeitet sowohl für die AKW-Betreiber als auch für die staatliche Atomaufsicht und verdient damit viel Geld. Mitglieder des TÜV e.V. waren (sind vielleicht noch?) z.B. die Atomkonzerne Eon, Vattenfall und EnBW (siehe hier). Greenpeace reagiert mit einer scharfen Stellungnahme des Atomjuristen Dr. Ulrich Wollenteit auf die mögliche Kungelei des auf wirtschaftliche Gewinne orientierten TÜV.
- Der TÜV und Bühler (zur Person Bühler) hier beim Deutschlandfunk. Heise berichtet hier – mit entsprechenden Quellenhinweisen – über die Greenpeace-Kritik und das TÜV-Süd-Gutachten. Das Gutachten des TÜV-Süd zu Isar2 für die Bayerische Staatsregierung ist hier als PDF. Die Reaktion von Greenpeace und dem Anwalt Wollenteit ist hier als PDF.
Gestern bereits hatte der Bundesverband des BUND und auch die Landesverbände in Bayern und Niedersachsen auf die Laufzeitverlängerungs-Debatte mit einem Sicherheitsgutachten der Physikerin Oda Becker reagiert. Auch hier war das Vorgehen des TÜV massiv als Gefälligkeit kritisiert worden. Sicherheitsanforderungen und atomrechtliche Pflichten, wie z.B. der jeweils aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik bei Genehmigung und Betrieb von Atomkraftwerken, hätte der TÜV im Grunde völlig außer acht gelassen.
Auch Greenpeace und Wollenteit kritisieren den TÜV laut Heise scharf: „“Unabhängig vom Zustand und ohne Überprüfung der AKW steht für den TÜV das Ergebnis bereits fest“, sagte Heinz Smital, Atomphysiker und Greenpeace-Atomexperte. Auch die offenkundig kurze Bearbeitungsdauer des TÜVs nähre den Verdacht, „dass hier ein Gefälligkeitsgutachten erstellt worden ist“, schrieben die Anwälte.“
- BUND legt Faktenblatt und Studie zu Risiken einer atomaren Laufzeitverlängerung vor
- AKW-Laufzeitverlängerung “Absurd” sagt ehemaliger Leiter des Präsidialbereich beim Bundesamt für Strahlenschutz
- Der Kontraste-Beitrag von 2010, in dem die Arbeit des TÜV im Atombereich kritisch auseinandergenommen wird, ist hier online. In dem bereits oben genannten Link wird auch von weiteren „bayerischen“ Gefälligkeiten gesprochen. Zu massiven Fehleinschätzungen des TÜV siehe auch hier im Zusammenhang mit einer Giftschlamm-Katastrophe in Brasilien und auch hier zur Klage gegen den TÜV.