Atomare Geheimhaltung? Fragen und keine Antworten der Bundesregierung zu Luft-Atom-Alarm – RENEGADE
Mit allen Mittel versucht die Bundesregierung eine Antwort zu vermeiden, ob bei den sechs RENEGADE-Alarmen für Atomkraftwerke jeweils auch die Belegschaften aus den AKWs evakuiert wurden. Ein solcher Alarm wird ausgelöst, wenn zu einem Verkehrsflugzeug kein Kontakt mehr besteht und ein terroristischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann. Dass Belegschaften der AKWs bei einem RENEGADE-Fall evakuiert wurden, ist nur durch einen Zufall am 10. März 2017 bekannt geworden. Auch die Gründe für diese Teilevakuierung will die Bundesregierung nicht nennen. Ein Frage und Antwort-Spiel zwischen dem Abgeordneten Hubertus Zdebel und der parlamentarischen Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter im Deutschen Bundestag zeigt dies exemplarisch.
- Siehe auch: Nachgefragt: RENEGADE – Atom-Luft-Alarm – Wie oft wurden AKWs evakuiert?
- Mündliche Fragen müssen von den Abgeordneten schriftlich spätestens am Freitag Vormittag vor der Sitzungswoche der Bundesregierung übermittelt werden. Sie dürfen nur maximal zwei Fragestellungen enthalten. Jeweils Mittwochs ist dann Fragestunde im Bundestag, wo Regierungsvertreter die gestellten Fragen mündlich beantworten. Die Abgeordneten haben dann die Möglichkeit, zwei Zusatzfragen zu stellen. Das gilt auch für andere Abgeordnete, die zum Thema dann nachfragen können.
Dokumentation einer Fragestunde ohne wirkliche Antworten (siehe Drucksache hier), hier das Plenar-Protokoll der Fragestunde, 230. Sitzung, Seite 23147 (PDF):
Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 3 des Kollegen Zdebel auf:
„Wann ist es jeweils bei den von der Bundesregierung eingeräumten sechs Renegade-Vorfällen auch vor dem letzten Vorfall am 10. März 2017 (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Bundestagsdrucksache 18/11957) zu Teilevakuierungen bei den Atomkraftwerken in Deutschland gekommen (bitte jeweils mit Datumsangabe auflisten), und trifft es zu, dass die Teilevakuierung der Beschäftigten in den Atomkraftwerken jeweils erfolgte, um die Zahl möglicher Innentäter in so einem Fall zu reduzieren?“
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit:
„Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Zdebel, der Bundesregierung liegen keine umfassenden Erkenntnisse zur Teilräumung eines Atomkraftwerkes bei einem Renegade-Voralarm vor. Alle vorsorgenden Maßnahmen in den Atomkraftwerken nach einem Renegade-Voralarm dienen der Schadensminderung bei einem möglichen gezielten Flugzeugabsturz und werden nur in der Verantwortung der Anlagen getroffen. Die möglichen Maßnahmen sind in den jeweiligen Betriebsvorschriften mit Zustimmung der zuständigen atomrechtlichen Behörde des Landes festgelegt. Die tatsächlich getroffenen Maßnahmen sind dann von Standort zu Standort und von Fall zu Fall unterschiedlich. Durch eine vorsorgliche Teilräumung wird das Anlagenpersonal, das zum weiteren Betrieb und zur Sicherung des Atomkraftwerkes nicht unbedingt benötigt wird, aus der möglichen unmittelbaren Gefahrenzone geordnet herausgeführt.“
Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfragen?
Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Nun weiß nicht jeder, was ein sogenannter Renegade-Fall ist. Deswegen will ich das einmal kurz deutlich machen. In einem Beitrag des Deutschlandfunks wurde relativ griffig formuliert – ich zitiere –: Der sogenannte Renegade-Alarm wird ausgelöst, wenn der Verdacht besteht, dass ein ziviles Luftfahrzeug aus terroristischen oder anderen Motiven als Waffe verwendet und zum gezielten Absturz gebracht werden soll. Einen solchen Renegade-Fall hatten wir jetzt im März. Wir hatten dazu schon ausführlich Fragen gestellt. Ich will trotzdem noch einmal ganz konkret nachfragen. Sollte sich im Verlauf eines sogenannten Renegade-Alarms herausstellen, dass es sich um einen Ernstfall handelt und dass eine große Passagiermaschine auf ein AKW zufliegt: Glaubt die Bundesregierung, dass die noch in Betrieb befindlichen AKWs den gezielten Einschlag ohne katastrophalen Schaden überstehen würden?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Zdebel, Sie haben schon darauf hingewiesen: Wir hatten das schon einmal in einer Fragestunde. Sie haben auch eine Kleine Anfrage dazu gestellt. Jetzt zielen Sie nicht auf die Renegade-Abläufe hin, sondern Sie fragen im Prinzip, ob die deutschen AKWs vor einem Flugzeugabsturz sicher sind. Auch dazu gibt es eine Vielzahl von Anfragen mit ausführlichen Antworten. Darauf möchte ich gerne verweisen.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage?
Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Die Antwort reicht mir nicht. Ich weiß, dass das ein bisschen spekulativ ist, aber wenn der Ernstfall eintritt, dann ist es halt so. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann natürlich die Frage der Sicherheit der AKWs und die Frage nach dem Überleben der Menschen, die dort arbeiten oder die in näherer Umgebung eines solchen AKWs wohnen und leben. Ich will trotzdem noch einmal bezüglich der Renegade-Vorfälle nachfragen, die es in den letzten Jahren gegeben hat – unsere Kleine Anfrage und Ihre Antwort haben ergeben: es waren sechs: Bei welchem dieser Vorfälle wurden ähnliche Maßnahmen wie jetzt am 10. März ergriffen? Ich habe verstanden, dass es von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Aber vielleicht hat es bei den sechs Renegade-Fällen, die in den vergangenen Jahren stattgefunden haben, Ähnlichkeiten gegeben.
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Es ist, wie Sie sagen, von Fall zu Fall, von Atomkraftwerk zu Atomkraftwerk, verschieden. Sie müssen auch unterscheiden zwischen einem Voralarm und einem Hauptalarm. Bisher gab es nur Voralarme und noch nie einen Hauptalarm.
Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kotting-Uhl.
Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, als jemand, der im engeren Umfeld des Atomkraftwerks Beznau lebt, wissen Sie vermutlich, dass beide Reaktoren, 1 und 2, überhaupt nicht gegen Flugzeugabstürze gesichert sind. Ich nehme an, dass Sie auch wissen, dass auch die französischen Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim nur gegen den Absturz eines kleinen Zivilflugzeuges gesichert sind. Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Renegade-Vorfälle mit den jeweiligen Regierungen im Gespräch darüber?
Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Wir sind mit den jeweiligen Regierungen, was die Fragen der Sicherheit anbelangt, immer im Gespräch, insbesondere mit den Regierungen, mit denen wir ein Abkommen geschlossen haben. Es gibt acht Abkommen mit angrenzenden Staaten.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Edelgard Bulmahn: Gibt es noch den Wunsch nach einer Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.
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