Neue lange Leitung – Hamburgs unnötige Fernwärme-Baustelle
Hamburgs Fernwärmenetz soll rekommunalisiert werden und braucht dringend Ersatz für das klima- und umweltschädliche Heizkraftwerk in Wedel, mit dem der westliche Teil der Elbmetropole mit Wärme versorgt wird. Über die Alternativen einer möglichst erneuerbaren Wärmeerzeugung wird seit Jahren diskutiert und geplant. Von Nord- und Südvarianten ist die Rede. Streit gibt es, weil mit der Südvariante Vattenfall sein neues Klimamonster Moorburg (1600 MW) durch die damit verbundene Wärmeversorgung für einen Industriebetrieb besser ins Spiel bringen und Geld verdienen könnte. Außerdem müsste eine Fernwärmeleitung für diese Variante unter der Elbe in den Norden gebaut werden, durch die auch Moorburg-Wärme transportiert werden könnte. Der grüne Teil des SPD-geführten Senats schließt das zwar aus, nach einem Regierungswechsel aber ließe sich das nicht wirklich verhindern. Gut für Vattenfall – schlecht für die Energiewende, denn die Nordvariante würde ebenfalls die CO2-Emissionen stark reduzieren, vor allem aber zu einem schnelleren Abschalten von Wedel führen. Außerdem wäre die neue Wärme-Pipeline durch die Elbe über Othmarschen, Flottbek bis Bahrenfeld überflüssig.
Dass der Ersatz des Heizkraftwerks Wedel nicht nur klimapolitisch mehr als überfällig ist, zeigt sich seit Monaten für die AnwohnerInnen: Immer wieder kommt es zu einem als Partikelregen bezeichneten Auswurf in der Nachbarschaft. Noch ist die Revision der beiden Blöcke nicht ganz abgeschlossen, mit denen dieses Problem beseitigt werden sollte, aber schon wieder ist es erneut zu derartigen Emissionen gekommen. Nachdem sich die AnwohnerInnen beschwerten, berichtet das Abendblatt über den erneuten Auswurf: „Es ist einer von vielen in diesem Jahr. Eigentlich sollte die Ursache für die wiederkehrenden Niederschläge mit der Grundüberholung des Kraftwerks beseitigt werden. Vattenfall-Sprecherin Kristina Hillmer sagt auf Abendblatt-Anfrage: „Die Revision des Blocks 1 ist bereits beendet, die Revision von Block 2 hält noch bis Mitte/Ende August an.“ Dass es Partikelregen gegeben habe, bestätigt sie nicht. Hillmer: „Sollte ein Partikelniederschlag beobachtet worden sein, kann dies nur in minimalem Umfang aufgetreten sein. Durch die innerhalb der Revision umgesetzten Maßnahmen ist eine deutliche Minderung zu erwarten.“ Dies entspreche der behördlichen Vorgabe.“
Es ist also durchaus akuter Handlungsbedarf, damit dieses marode Heizkraftwerk endlich vom Netz kann. Doch bei der laufenden Debatte (z.B. im Energienetzbeirat, der nach dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ eingeführt wurde) über die Ersatzlösung spielt offenbar für die Stadt und für Vattenfall das Tempo nur eine untergeordnete Rolle.
Die Umwelt- und Energiebehörde (BUE) sieht für den Einsatz erneuerbarer Energien bei der Wärmeerzeugung vor allem im Süden mehr Potential und das käme Vattenfall sehr entgegen, denen mit der Müllverbrennungsanlage am Rugenberger Damm eine zentrale Schaltstelle gehört. Bislang wird die hier erzeugte Wärme an die Firma Schindler geliefert. Besser aber wäre es für Vattenfall, wenn die MVR ihre Wärme vom Süden in den Norden der Stadt liefern könnte. Dazu aber wäre eine neue Fernwärme-Leitung durch die Elbe erforderlich. Der Grund dafür: Vattenfall könnte die Versorgung von Schindler dann mit einer neuen Leitung aus dem Kohlekraftwerk Moorburg übernehmen. Weil das dann eine Kraft-Wärme-Kopplung für Moorburg bedeutet, könnte Vattenfall erhebliche staatliche Fördergelder einfahren und damit mehr Geld verdienen.
Für die BUE scheint das kein sonderliches Problem zu sein. Sie geht davon aus, dass es im Süden Hamburgs größeres Potential gibt, um erneuerbare Wärme zu erzeugen, die künftig den Nordwesten der Stadt versorgen könnte. Eine tatsächliche Klimabilanz allerdings liegt bislang überhaupt nicht vor und ob die angedachten Anlagen auch machbar sind und in welchem Zeitraum, ist noch offen. Dennoch unterstellt die grün geführte Behörde, dass der Anteil der erneuerbaren Wärme in dieser Südvariante vorteilhafter wäre. Von Seiten der KlimaaktivstInnen in Hamburg gibt es daher massive Kritik an der Südvariante und sie sprechen sich gestützt auf ein Gutachten von Prof. Dr. Dietrich Rabenstein (PDF, HafenCity Universität Hamburg) für eine Nordvariante ohne neue Fernwärmeleitung durch die Elbe aus. Auch der BUND in Hamburg favorisiert eine Nordvariante. Einen entsprechenden Antrag dazu hatte jüngst die Mitgliederversammlung beschlossen (PDF).
Das Planverfahren für den Bau einer neuen Leitung durch die Elbe ist bereits in Vorbereitung. Eine Entscheidung, diese auch tatsächlich zu bauen, steht allerdings noch aus und soll im letzten Quartal 2017 erfolgen. Die Entscheidung dazu wird bei der mehrheitlich von Vattenfall gehaltenen Wärme Hamburg getroffen, an der die Stadt Hamburg mit 25,1 Prozent eine Sperrminorität hält und die künftig im Zuge der Umsetzung des Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“ vollständig in die öffentliche Hand übernommen werden soll.
Über die Planungen für den Bau einer solchen neuen Fernwärmeleitung durch die Elbe über Othmarschen und Flottbek Richtung Bahrenfeld neuer Flyer (PDF) aus den Reihen des Hamburger Energietisches.
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