Prospektfreie Herausgabe von Nichtdividendenwerten: Bundesregierung im Tal der Ahnungslosen
Die Bundesregierung hat keine Ahnung, wie viele so genannte Nichtdividendenwerte bzw. Zertifikate seit 2005 unter Ausnutzung der Prospektfreiheit gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 4 des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) emittiert wurden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) hervor.
Zdebel dazu: „Mir verschlägt es schlicht die Sprache. Zur Zeit will die Bundesregierung im Rahmen der Umsetzung der EU-Prospektverordnung ins deutsche Recht den Spielraum für die prospektfreie Herausgabe von Finanzprodukten erweitern. Dabei ist ein Prospekt für die Anleger essenziell, um auch im Nachhinein bei etwaiger Fehlberatung überhaupt Schadensersatz geltend machen oder die Wertpapieremittenten in Haftung nehmen zu können. Und jetzt muss die Bundesregierung einräumen, dass weder ihr noch der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen (BaFin) Kenntnisse über die Ausgabe so genannter Nichtdividendenwerte vorliegen, die schon jetzt bis zu einem Wert von 75 Millionen Euro jährlich völlig prospektfrei vertrieben werden dürfen.
Dabei verbergen sich hinter dem Etikett ,Nichtdividendenwerte‘ Genuss- und Optionsscheine, Zertifikate und ähnliche riskante Produkte. Bei den Zertifikaten werden toxische Produkte prospektfrei vertrieben, die unter so illustren Namen wie Knockout-Zertifikate oder Coco Bonds laufen. Diese Zockerzertifikate können den Anleger leicht sein ganzes Geld kosten. Nach Auffassung der LINKEN gehört der Verkauf von Nichtdividendenwerten an Verbraucher verboten und nicht erleichtert. Ferner fordern wir, den gesetzlichen Prüfmaßstab der Aufsicht auszuweiten. Um die Verbreitung solch dubioser Finanzinstrumente von Beginn an zu verhindern und den Finanzsektor auf seine realwirtschaftlichen Funktionen zu konsolidieren, ist es dringend an der Zeit, endlich eine obligatorische Zulassungsprüfung für Finanzinstrumente – in Form eines Finanz-TÜV – einzuführen.“
Dokumentation:
Schriftliche Frage des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE.)
Wie viele so genannte Nichtdividendenwerte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2005 gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 4 des Wertpapierprospektgesetzes (WPpG) unter Ausnutzung der Prospektfreiheit (bis 75 Mio. Euro) auf den Markt gebracht (bitte für jedes Jahr einzeln aufschlüsseln), und insbesondere wie viele Zertifikate wurden im genannten Zeitraum prospektfrei nach § 1 Absatz 2 Nummer 4 WPpG (bis 75 Mio. Euro) emittiert (bitte ebenfalls für jedes Jahr einzeln aufschlüsseln)?
Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Christine Lambrecht vom 29. März 2019
Es liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele so genannte Nichtdividendenwerte bzw. Zertifikate seit 2005 prospektfrei gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 4 des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) emittiert wurden. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der unter anderem die Prüfung von Wertpapierprospekten obliegt, erhält keine Kenntnis von prospektfreien Emissionen. Denn für diese Emissionen werden der BaFin weder Prospekte zur Billigung vorgelegt noch erhält sie anderweitig Informationen über diese Emissionen.