Kurswechsel: Statt Rückholung – Atommüll in der ASSE lieber kontrolliert absaufen lassen?

Kurswechsel: Statt Rückholung – Atommüll in der ASSE lieber kontrolliert absaufen lassen?

Die Hinweise, dass die eigentlich geplante Rückholung des Atommülls aus dem havarierten Salzstock in der ASSE II aufgegeben wird, verdichten sich. Darauf verweist nun die AG Schacht Konrad in einem Bericht im letzten Newsletter. Die AG reagiert auf eine Veranstaltung der zuständigen Bundesgesellschaft für Endlager (BGE). Die geplante Räumung basiert auf einem vom Bundestag beschlossenen Gesetz. Damals war die Räumung als einzige Möglichkeit festgestellt worden, um den langfristigen Schutz der Bevölkerung zu erreichen. Allerdings ist eine solche Maßnahme weltweit einzigartig und birgt vielfältige Strahlenschutzrisiken. Zuletzt hatte es immer wieder Verzögerungen bei den Rückholungsplänen gegeben.

Der Salzstock ASSE droht abzusaufen, also mit Wasser vollzulaufen. Das Salz würde sich auflösen und zu einer sich ausbreitenden unterirdischen Verteilung der ehemals zu Forschungszwecken eingelagerten Atommüllmengen führen und schließlich irgendwann auch an die Oberfläche treten. Darunter auch Plutonium und andere extrem Gifte. Um das zu verzögern, sind auch sogenannte Notfallmaßnahmen in den letzten Jahren geplant und eingebaut worden, die die unterirdische Verteilung der radioaktiven Brühe verzögern sollen. Diese Maßnahmen sind im Gegensatz zur Rückholungsbauten relativ weit forgeschritten.

Die Kurskorrektur wird auch mit der neuen BGE Geschäftsführerin Frau Dr. Grafunder in Verbindung gebracht, die vorher u. a. für Stilllegung und Rückbau in Karlsruhe und Greifswald zuständig war.

Das marode Atommülllager in der ASSE II gehört zu einem der größten Skandale der Atomenergienutzung in (West)Deutschland. Die Bundesrepublik hatte dort ein Forschungs-Atommülllager etabliert, wo sogar die „Versuchsweise nicht rückholbare Atommülllagerung“ erforscht wurde. Schon damals war klar, dass der Salzstock unterhalb des Höhenzugs ASSE bei Wernigerode einsturzgefährdet war. Aber alle Warnungen wurden von Politik und abhängiger Wissenschaft in Bund und Land ignoriert. Die Atomkonzerne durften sogar große Atommüllberge kostenlos anliefern und einlagern lassen, dass die staatliche Endlagerforschung „Rohstoffe“ hatte. Himmelschreiender Unsinn. Als sich schließlich zeigte, dass unkontrolliert Wasser in das Salzbergwerk eindrang, kam es zu einer interfraktionellen Initiative im Bundestag, die das sogenannte Lex Asse zur Räumung beschloss.

Zuletzt hat es auch von Seiten vermeintlich atomkritischer Stimmen aus der Umgebung der ASSE immer wieder Initiativen gegeben, die sich gegen notwendige Anlagen richteten, die im Zusammenhang mit einer Räumung sinnvollerweise oberhalb der ASSE errichtet werden müssten. Stimmen, die ein kontrolliertes Absaufen lassen des Atommülllagers als sinnvoller ansahen, gab es von Anfang an. Ein Argument waren die möglichen Strahlenbelastungen für die Beschäftigten, die Untertage die Rückholung vorbereiten und durchführen müssten.

(CS/ 24.05.2025) Der 2009 durchgeführte „Optionenvergleich“ kam zu einem eindeutigen Ergebnis: Die einzig verantwortbare Option – wie man mit dem Desaster der Einlagerung der radioaktiven Abfälle im einsturzgefährdeten ehemaligen Salzbergwerk umgehen kann – ist die Rückholung der Abfälle. Dies wurde im gleichen Jahr noch durch eine Änderung im Atomgesetz im § 57b verankert.

Der von der BGE 2020 aufgestellte Zeitplan sah den Beginn der Rückholung 2033 vor. Die AG Schacht Konrad und andere haben immer wieder auf eine Beschleunigung der vorbereitenden Arbeiten für die Rückholung gedrängt. Ende letzten Jahres hat der Landkreis in einem einstimmigen Votum die BGE aufgefordert, in einer öffentlichen Veranstaltung die Hindernisse für eine Beschleunigung konkret darzulegen.

Diese fand jetzt am 8. Mai in Schöppenstedt statt. Dort mussten die Besucher*innen eine erstaunliche Wendung zur Kenntnis nehmen: Herr Dr. Kindlein stellte seine aktuelle Konsequenzenanalyse vor, die auf der Annahme gründet, dass alle Notfallvorsorgemaßnahmen umgesetzt sind. Ergebnis: Die Belastung für die Anwohner*innen liege deutlich unter den gesetzlich zulässigen Grenzwerten. Auf Nachfrage erklärte die Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE, Frau Dr. Grafunder, dass damit noch nicht klar sei, dass ein notwendiger Langzeitsicherheitsnachweis gelingen würde.

Ein entsprechender Antrag auf die Schließung der ASSE ohne Rückholung müsste letztendlich vom Niedersächsischen Umweltministerium (NMU) geprüft und beschieden werden. Bis dahin fahre man zweigleisig, so Grafunder.

Noch stutziger wurden die Besucher*innen bei der Vorstellung aktueller Berechnungen, welche radiologischen Belastungen für das Personal und für die Anwohner*innen bei einer Rückholung entstehen würden.

Sie lägen zwar auch unter den gesetzlich zulässigen Grenzwerten; seien aber deutlich höher als bei einem Verbleib der Abfälle. Aus Sicht der AG Schacht Konrad sollte jetzt möglichst schnell von unabhängiger fachlicher Seite geprüft werden, was sich seit dem Optionenvergleich derart grundlegend geändert haben soll.

Unsere ursprüngliche Intention für diese Veranstaltung ergab das Gegenteil: Statt Beschleunigung kündigte Frau Dr. Grafunder für das 2. Halbjahr einen aktualisierten Zeitplan an, der einen noch späteren Beginn der Rückholung beinhalten wird. Ein Indiz, dass die BGE auf die Karte „Verbleib der Abfälle“ setzt, ist, dass sie keinen Plan B hat, wenn sie das Grundstück für den Bau der für die Rückholung notwendigen oberirdischen Anlagen (Zwischenlager und Konditionierungsanlage) nicht bekommt.

Der Landkreis hat jüngst ausdrücklich einen Verkauf der Kreisstraße 513 abgelehnt.

 

Dirk Seifert

2 Gedanken zu “Kurswechsel: Statt Rückholung – Atommüll in der ASSE lieber kontrolliert absaufen lassen?

  1. … mein Physiklehrer wusste schon: „der Aufbau des Versuchs bestimmt das Ergebnis.“ Es wird also so lange herum-gerechnet, bis es „passt“? Weil’s passen muss? Weiß man nicht vorher, dass sich Stahl(fässer) mit Salz und Wasser nicht so gut vertragen? Um’s mal salopp zu formulieren!
    Solch ein Müll gehört sicher, aber oberirdisch und jederzeit „begeh- und rückholbar“ eingelagert.

  2. … mein Physiklehrer wusste schon: „der Aufbau des Versuchs bestimmt das Ergebnis.“ Es wird also so lange herum-gerechnet, bis es „passt“? Weil’s passen muss? Weiß man nicht vorher, dass sich Stahl(fässer) mit Salz und Wasser nicht so gut vertragen? Um’s mal salopp zu formulieren!
    Solch ein Müll gehört sicher, aber oberirdisch und jederzeit „begeh- und rückholbar“ eingelagert.

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