G20@Hamburg-2017: Sie verlassen den demokratischen Sektor….

G20@Hamburg-2017: Sie verlassen den demokratischen Sektor….

In einem Gebiet von 38 Quadratkilometern sollen nach dem Willen der Hamburger Polizei am 7. und 8. Juli aus Anlass des G20-Gipfels keine Demonstrationen stattfinden. Allgemeinverfügung (PDF) nennt sich das. AtomkraftgegnerInnen kennen diese Maßnahme von den Castor-Transporten ins Wendland. Große Teile der Innenstadt bis zum Hamburger Flughafen werden somit zur demokratiefreien Zone erklärt. Den Staatschefs aus China, der Türkei, Sauda-Arabien oder Russland, die beim G20 in Hamburg ebenso wie US-Präsident Donald Trump dabei sein werden, ist diese Maßnahme sicher vertraut. Die Polizei greift mit dieser Verfügung massiv in die Grundrechte ein, in einer Stadt, die sich ihrer demokratischen Tradition rühmt und in der ein rot-grüner Senat regiert. Elke Steven vom Grundrechtekomitee hat sich mit der Verfügung auseinandergesetzt und ihr Statement unter dem Titel „Demonstrationsverbot in Hamburg – Gipfel ohne Grundrechte“ veröffentlicht. UmweltFAIRaendern dokumentiert ….

Hamburgs Innensenator Grote (SPD) und Elke Steven vom Grundrechtekomitee.
Hamburgs Innensenator Grote (SPD) und Elke Steven vom Grundrechtekomitee.

Die Reaktionen auf die Verbots-Verfügung sind vielfältig. Klar ist, dass dagegen geklagt wird. Frank Wieding, stellvertretender Chefredakteur der Hamburger MoPo, schreibt in einem Kommentar: „Nein, so funktioniert Demokratie nicht. Es gibt viele Gründe, gegen das Treffen der G20-Mächtigen auf die Straße zu gehen. Und die Polizei hat die Pflicht, dies jedem, der das friedlich tun möchte, zu ermöglichen.“ Innensenator Grote (SPD) erklärte laut Abendblatt: „Ich kann den Gipfel sonst nicht sicher durchführen„.

Der NDR berichtet: „Das Versammlungsverbot soll vom 7. Juli um sechs Uhr morgens bis zum 8. Juli um 17 Uhr gelten. Es gehe darum, die Transferstrecken der Staats- und Regierungschefs sowie die Rettungs- und Evakuierungswege jederzeit freizuhalten, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). Sollte es in dem Gebiet doch zu Demos kommen, wären diese unzulässig und könnten von der Polizei sofort aufgelöst werden. Ein weiteres Demonstrationsverbot gibt es am 7. Juli rund um die Hafencity. Hier dürfen dann von 16 bis 24 Uhr keine Proteste stattfinden, da die Gäste des Gipfels in dieser Zeit ein Konzert in der Elbphilharmonie besuchen.

Wiederholt hat Grote DemonstrantInnen davor gewarnt, die „Protokollstrecken“ zu blockieren. Blockaden gelten laut deutschem Recht als weitgehend legale Aktion im Rahmen von Demonstrationen. Doch Grote beschreibt das Risiko, dass sich die Sicherheitskräfte der Staatschefs daran nicht halten könnten: Die ausländischen Sicherheitskräfte könnten es als besondere Gefahr betrachten, sollten die Fahrzeuge der Staatschefs zum Halten kommen und könnten möglicherweise sogar von der Schusswaffe Gebrauch machen. Dazu die Taz und die Welt. Der Stern schrieb: „Entsetzen über Drohungen des Innensenators: So nervös ist Hamburg wegen G20“.

G20@Hamburg-2017. Sie verlassen den demokratischen Sektor…

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat sich die Allgemeinverfügung genauer angesehen und auf seiner Homepage ein detaillierte Stellungnahme verfasst. Dort heißt es: „Das Komitee für Grundrechte und Demokratie legt eine Stellungnahme vor, mit der es die Allgemeinverfügung scharf kritisiert, mit der die Stadt Hamburg das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit während des G20-Gipfels außer Kraft setzt. Fast die gesamte Innenstadt wird zu einer demokratiefreien Zone, kurzer Hand wird der Ausnahmezustand von SPD und Grünen verkündet. Der Polizei wird die Definitionshoheit darüber überlassen, wer Bürgerrechte genießt. Elke Steven befürchtet, dass die Polizei aus der Innenstadt verbannen kann, wer immer ihr missfällt oder wem immer sie die Absicht unterstellt, seine Meinung öffentlich mit anderen kund tun zu wollen.

Zur Begründung dieses Versammlungsverbots müssen wieder einmal verdrehende Erzählungen über vergangene Proteste und falsche Behauptungen über potentiell gewaltbereite Teilnehmer*innen als Gefahrenprognose herhalten. Beispielhaft werden die Begründungen aus der Allgemeinverfügung widerlegt.

Skandalös ist, dass die Lüge über die Zahl der verletzten Polizist*innen beim Protest gegen den G7-Gipfel in Rostock erneut aufgetischt wird.

Das Grundrechtekomitee kommt zu dem Schluss: „Wer jeden Protest kriminalisiert, trägt letztlich zur Eskalation bei. Denn, das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers´ – wie es die Verfassungsrichter im Brokdorf-Beschluss formulierten.“

Die detaillierte Analyse ist hier in voller länge lesbar.

Dirk Seifert

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