Hochradioaktiver Atommüll, Terrorschutz und Neubau eines Zwischenlagers in Lubmin: „Zu weiteren Einzelheiten äußert sich EWN während des laufenden Verfahrens nicht“

„An Einsilbigkeit und fehlendem Gehalt ist die Antwort der Bundesregierung auf unsere Fragen zum erforderlichen Neubau eines Atommüll-Zwischenlagers für hochradioaktive Abfälle im nordostdeutschen Lubmin aufgrund nicht möglicher Anti-Terror-Schutz-Maßnahmen kaum zu überbieten. Von Transparenz, Information und Beteiligungsorientierung, wie es bei der Atommülllager-Suche sonst gern betont wird, ist da nichts zu spüren. Das wirft kein gutes Licht auf die ab Januar 2019 komplett unter staatlicher Regie stehenden Atommüll-Verwaltung.“ So kommentiert der Bundestagsabgeordnete und Sprecher für Atomausstieg, Hubertus Zdebel (DIE LINKE), die Antwort der Bundesregierung auf seine Kleine Anfrage zum notwendigen „Neubau eines Zwischenlagers für hoch radioaktiven Atommüll bei Lubmin“ (Drs. 19/717, PDF)

Zdebel: „Atomanlagen als Terror-Ziele. Das ist eine beklemmende Vorstellung und zeigt auf ganz andere Weise, welch unverantwortlicher Wahnsinn die Atomenergienutzung war und ist. Vor allem die noch in Betrieb befindlichen Atommeiler sollten angesichts ihres enormen Gefährdungspotentials möglichst sofort abgeschaltet werden. Aber das Problem betrifft auch die Zwischenlager mit hochradioaktivem Atommüll an den AKWs Standorten und in Ahaus, Jülich, Gorleben und bei Lubmin.

Es ist ein Dilemma, auf Details zum Terrorschutz bei der Atommülllagerung einzugehen. Aber der Verzicht auf nahezu jede Art von Information auf meine Fragen zu den Problemen und grundsätzlichen neuen Konzepten des notwendigen Neubaus des Zwischenlagers in Lubmin lässt nichts Gutes für die Transparenz der künftigen staatlichen Atommüll-Verantwortung erwarten. Es kann nicht sein, dass Bürger und Gerichte immer mehr ausgeschlossen werden, die Sicherheit der Atomanlagen überprüfen zu können.“

Zwischenlagerung muss auf den Prüfstand

Zdebel verweist darauf, dass bei dem sogenannten „Neustart“ der Endlagersuche immer wieder von Information, Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung die Rede ist. Nicht nur Anti-Atom- und Umweltverbände, sondern auch das „Nationale Begleitgremium“ bei der Endlagersuche halten angesichts wachsender Risiken und der Laufzeitverlängerung der Zwischenlagerung hochradioaktiver Atomabfälle über die bislang genehmigten 40 Jahre hinaus eine Öffentlichkeitsbeteiligung auch bei der Zwischenlagerung dieser Abfälle für dringend erforderlich.

„Es ist höchste Zeit, das gesamte Zwischenlagerkonzept auf den Prüfstand zu stellen“, sagt Zdebel weiter. „In Lubmin ebenso wie an den vielen anderen Atommüll-Standorten. Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf, über die realen Probleme informiert zu sein.“

Atom-Zwischenlager Lubmin: Anti-Terror-Schutz nicht nachrüstbar

Bei Lubmin muss ein neues Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll gebaut werden, weil das derzeitige Gebäude nicht an die Anforderungen des Terrorschutzes angepasst werden kann, wie es bei anderen derartigen Lagern derzeit Schritt für Schritt erfolgt.

Um Angriffe von Terrorkommandos mit panzerbrechenden Waffen abwehren zu können, werden an den Zwischenlagerstandorten – sofern möglich – sogenannte Härtungen vorgenommen. Sichtbar sind die Maßnahmen durch neue Außenmauern. Aber auch im Inneren werden die Eingangsbereiche und andere Schutzvorkehrungen erneuert. In Lubmin sind diese Maßnahmen baulich jedoch aufgrund standortspezifischer baulicher Gegebenheiten nicht umsetzbar. Ein entsprechender geheimer Genehmigungsantrag des Betreibers EWN musste bereits im Sommer 2015 (!) zurückgenommen werden. Der Schutz der Anlage wird derzeit lediglich durch so genannte „temporäre Maßnahmen“ betrieben. In aller Regel bedeutet das mehr Polizei und Werkschutz.

Neuer Terrorschutz ist zweifelhaft

Zweifel allerdings gibt es trotz der laufenden Nachrüstungen an der Sicherheit der Zwischenlager an den AKW-Standorten und in Ahaus und Gorleben. In Brunsbüttel wurde vom Oberverwaltungsgericht die Genehmigung des Zwischenlagers wegen fehlender und mangelhafter Nachweise aufgehoben. Auch in Jülich gibt es für das dortige Zwischenlager keine atomrechtliche Genehmigung mehr. Oda Becker, unabhängige Gutachterin für Atom-Sicherheit, hatte vor kurzem in einer Studie für den BUND darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht trotz der Nachrüstungen der Anti-Terror-Schutz nicht ausreichend ist.

Der Main-Post sagte sie jüngst: „„Man braucht nicht viel TNT, um die 55 Zentimeter starke Decke des Zwischenlagers zu sprengen“, verdeutlicht Becker die Gefahr. 2010 hätten sich Behörden und Betreiber zwar auf die Nachrüstung der Zwischenlager mit zusätzlichen Mauern und Schleusen am Eingangsbereich verständigt, doch der Schutz gegen potenzielle Terrorangriffe sei auch mit diesen baulichen Nachbesserungen nur unzureichend. … „Eine bewaffnete und entschlossene Terrorgruppe ist in der Lage, in die Halle einzudringen“, ist Becker überzeugt. Auch vor einem gezielten Flugzeugabsturz seien die Castoren nicht geschützt. Laut Becker halten sie einer Temperatur von 800 Grad Celsius über 30 Minuten stand. Wenn Kerosin in Brand gerät, entstehen aber Temperaturen von bis zu 1200 Grad Celsius. Die Dichtungen an den Castordeckeln könnten versagen und erhebliche Radioaktivität freigesetzt werden. „Das Risiko ist zu groß, wir müssen jetzt handeln.““

Staatliches Schweigen zu Atommüll-Risiken

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Hubertus Zdebel räumt die Bundesregierung lediglich ein, was ohnehin durch spärliche Medienberichte (z. B. NDR ) bereits bekannt ist. Der staatliche Betreiber „EWN Entsorgungswerk für Nuklearanlagen GmbH“ hat demnach „Ende des vergangenen Jahres mehrere Firmen aufgefordert, Angebote für die Generalplanung einzureichen. Zu weiteren Einzelheiten äußert sich EWN während des laufenden Verfahrens nicht“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.

Die EWN ist ein 100-prozentiges Unternehmen des Bundes, das Bundesministerium der Finanzen ist der alleinige Gesellschafter. Zum 1. Januar 2019 sollen künftig alle Atommüll-Zwischenlager in staatliche Verwaltung übergehen, nachdem Grüne/CDU/CSU und SPD jüngst die Atomkonzerne gegen eine einmalige Zahlung von der Verantwortung für die Atommülllagerung befreit haben.

Dse4Zdebel

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