Atomforschungsreaktor München Garching 2000 Tage außer Betrieb

Atomforschungsreaktor München Garching 2000 Tage außer Betrieb

Seit nunmehr 2000 Tagen ist der Atomforschungsreaktor Garching außer Betrieb. Zuletzt hatten immer neue Probleme bei der Reparatur an einem Herzstück der Anlage zu weiteren Verzögerungen beim Versuch einer Inbetriebnahme geführt. Die Grüne Landtagsfraktion in Bayern  erinnert jetzt in einer PM an Pannen und Störfalle der letzten Jahre und fordert eine Aufarbeitung. Der Atomforschungsreaktor setzt hochangereichertes, waffenfähiges Uran als Brennstoff zur Herstellung von Neutronen für Forschungszwecke ein. (FOTO: FRM II)

Daran gibt es seit Jahrzehnten massive Kritik. Dennoch haben Gerichte zuletzt den weiteren Betrieb mit diesem Brennstoff gegen Klagen vom BUND Naturschutz Bayern bestätigt. In den nächsten sollen außerdem Atomtransporte mit dem verbrauchten hochaktiven Atommüll von Garching nach Ahaus stattfinden. Aufgrund der damit verbundenen Risiken bestehen höchste Sicherheitsanforderungen auch mit Blick auf den Terrorschutz.

Dokumentation PM Grüne Landtag Bayern.

5. September 2025 – Forschungsreaktor FRM II: 2000 Tage „Herzstillstand“

Landtags-Grüne kritisieren Schönrederei und kündigen Anfrage zur Aufarbeitung der zahlreichen Pannen an

München (5.9.25/fsa) „Am Garchinger Forschungsreaktor herrscht seit 2000 Tagen Herzstillstand“, so Claudia Köhler, Grünen-Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis München. Sie bezieht sich auf Staatskanzleiminister Dr. Florian Herrmann, der noch im letzten Jahr überschwänglich schwärmte: „Hier schlägt das Herz der deutschen Kerntechnik-Forschung!“

Claudia Köhler: „Ein guter Kardiologe wäre der Minister nicht. Denn am kommenden Wochenende sind es 2000 Tage, seitdem der Reaktor keine Neutronen mehr produziert. Und es ist immer noch kein Ende abzusehen, schon gar nicht mit der lang geforderten Umrüstung und der Abkehr von hochangereichertem Uran. Es ist höchste Zeit, Schluss zu machen mit dem Schönreden und stattdessen endlich zu handeln.“

Die letzten Neutronen wurden in Garching am 16. März 2020 produziert.

„Durch eine beispiellose Schlamperei wurde damals ein Abgasschlauch nicht angeschlossen und dadurch innerhalb von zwei Wochen mehr als die erlaubte Jahresemissionsmenge des radioaktiven Stoffs C14 in die Luft geblasen“, stellt Claudia Köhler fest. In der Konsequenz musste der Betrieb umgehend eingestellt werden. Das gesamte Sicherheits- und Betriebskonzept kam auf den Prüfstand und musste überarbeitet werden.

Doch das war erst der Anfang einer Pannenserie:

  • Ein Jahr später, 2021, meldete sich die sogenannte „Kalte Quelle“, eine zentrale experimentelle Komponente, vom Dienst ab. Sie erzeugte nicht mehr genügend „kalte“, also langsame Neutronen; eine Reparatur war nicht möglich. Sie musste vollständig ausgebaut und ersetzt werden.
  • Im Januar 2022 meldete die TU München den dramatischsten Rückschlag: Am Zentralkanal trat ungeplant, aber kontinuierlich Flüssigkeit aus. Auch hier: keine Reparatur möglich, ein vollkommener Ersatz war nötig. Dabei stellte sich heraus, dass es nicht einmal eine ausreichende Dokumentation über die Herstellung dieses Zentralkanals gab. Es musste von vorne die Suche nach einem Lieferanten begonnen werden. Die Herausforderung besteht darin, Material zu finden, das den Neutronenbeschuss aushält.
  • Im 1. Quartal 2024 kündigte die TU an, wieder in Betrieb gehen zu können. Doch in nahezu regelmäßigen Abständen wurde dieser Termin verschoben, zuletzt auf Ende 2025 – der Termin ist nach Ansicht der Landtags-Grünen nicht mehr zu halten.

Markus Büchler, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Oberschleißheim, erklärt: „Seit sieben Jahren lenken die CSU-Minister und die TU mit Leuchtturmgefasel und Pressemeldungen von der Schlamperei ab. Immer wieder werden wider besseres Wissen eine Wiederinbetriebnahme und angebliche Durchbrüche für die Umrüstung weg vom hochangereicherten Uran (HEU) angekündigt und die Öffentlichkeit hingehalten.“

„In Wirklichkeit ist der FRM II seit Jahren mehr Baustelle als Forschungsstätte. Schon vor den 2000 Tagen Stillstand gab es anhaltende Korrosionsprobleme, Probleme beim Transport von Brennelementen und immer wieder ‚Wartungspausen‘. Der internationalen Forschung hat man 87 Brennelemente-Zyklen versprochen, geschafft hat man mit 47 gerade mal gut die Hälfte. Wenn das so weitergeht, ist der FRM II ein herausragendes Symbol für Aussitzen und Geldverschwendung in der Spitzenforschung“, so Markus Büchler.

Die Grünen-Abgeordneten kündigen eine Anfrage (Anhang) an, in der sie klare Aussagen und zeitnahes Handeln von der Staatsregierung einfordern, um den Ruf Bayerns als verlässlicher Wissenschaftsstandort zu sichern.

Die eingereichte Anfrage ist hier:  

Schriftliche Anfrage
der Abgeordneten Claudia Köhler, Dr. Markus Büchler, Martin Stümpfig BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN vom 02.09.2025

Zum Ersatz des Zentralkanals am Forschungsreaktor FRM II in Garching
Anfang des Jahres 2022 wurde bekannt, dass der Zentralkanal am Forschungsreaktor FRM II
der TU München nicht mehr dicht ist und nicht mehr repariert werden kann. Der Austausch des
Zentralkanals ist bis heute nicht abgeschlossen und in Kombination mit einer Reihe von anderen
Ereignissen liefert der FRM II – entgegen vielfältiger Ankündigungen – seit 2000 Tagen keine
Neutronen mehr.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Staatsregierung:

1. a) Wann wurde die Undichtigkeit des Zentralkanals das erste Mal festgestellt und von wem?
b) Wann wurde die Staatsregierung davon informiert?

2. a) Wann wurde von wem festgestellt, dass eine Reparatur nicht möglich ist und ein Austausch
des Kanals erforderlich ist?
b) Wann wurde die Staatsregierung davon informiert?

3. a) Wann wurde der Auftrag zur Fertigung eines neuen Zentralkanals vergeben?
b) Wurde mit der Auftragserteilung eine Terminsetzung mit dem Hersteller vereinbart?
c) Wenn ja, welcher Termin wurde vereinbart?

4. a) Falls ein Termin vereinbart wurde: Was war der Grund bzw. die Gründe dafür, dass der
Termin vom Hersteller nicht eingehalten wurde?
b) Wann wurde der Zentralkanal an die TU München geliefert?
c) Wann hat der Einbau des Zentralkanals begonnen?

5. a) Welche weiteren Gründe gibt es dafür, dass die vielfältigen Ankündigungen der TU München
zur Wiederinbetriebnahme des Reaktors nicht eingehalten wurden?
b) Ist es richtig, dass der zuletzt öffentlich genannte Termin einer Wiederinbetriebnahme zum
Jahresende 2025 wiederum nicht eingehalten werden kann?
c) Wenn ja, was ist die Ursache dafür?

6. a) Ist es richtig, dass es zur Herstellung des ursprünglichen Zentralkanals weder bei der TU
München noch beim damaligen Hersteller eine vollständige Dokumentation gibt?
b) wenn ja, wer ist dafür verantwortlich?

7. a) Ist es richtig, dass ein (regelmäßiger) Austausch des Zentralkanals schon zu Zeit der
Inbetriebnahme absehbar war?
b) Wenn ja, wann hat man damals mit einem ersten Austausch gerechnet?

8. a) Wie hoch waren die erwarteten Kosten für die Herstellung des Zentralkanals zum Zeitpunkt
der Auftragsvergabe?
b) Bei welchem Kostenstand ist man aktuell?

Dirk Seifert

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