Atommülllager-Suche: Ein Bundesamt und die „Öffentlichkeit im Standortauswahlverfahren als Beobachter von außen“

Atommülllager-Suche: Ein Bundesamt und die „Öffentlichkeit im Standortauswahlverfahren als Beobachter von außen“

Die nicht immer positiven Erfahrungen aus dem Begleitprozess für die Öffentlichkeit beim Atommülllager ASSE II sitzt dem Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) offenbar im Nacken. Oder anders ausgedrückt: Zur anlaufenden Suche nach einem dauerhaften tiefengeologischen Atommülllager für hochradioaktive Abfälle, bei dem das BfE für die Durchführung einer durch das Standortauswahlgesetz festgelegten mehrschichtigen Öffentlichkeitsbeteiligung zuständig ist, hat das Amt jetzt seine Vorstellungen veröffentlicht:  „Unterschiedliche Rollen – ein Ziel – Positionspapier zur Öffentlichkeitsbeteiligung in der Standortauswahl“ (PDF). Einem kleinen Kreis präsentierte das BfE seine Vorschläge in einer zwar öffentlichen Diskussionsrunde am 18. Januar in Berlin (Homepage BfE), zu der aber öffentlich nicht wirklich eingeladen wurde. Zu einem „Offenen Bürger*innen-Dialog „Start der Standortauswahl““ lädt für den 3. Februar hingegen das Nationale Begleitgremium (NBG), eine Art unabhängiges Wächter-Gremium darüber, dass das Standortauswahlgesetz richtig umgesetzt wird. Dort soll über den Stand der Dinge sowie über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der „Endlager“suche informiert und diskutiert werden.

Was das BfE da jetzt vorlegt, dürfte vermutlich bei nur wenigen dazu führen, Lust auf Beteiligung zu bekommen. Unklar bleibt irgendwie auch, an wen sich das Positionspapier eigentlich richtet: Will das BfE die anderen beteiligten Institutionen (BGE, NBG) erstmal „einnorden“? Warum wird zu den Möglichkeiten der im StandAG vorgesehenen Regionalkonferenzen so wenig gesagt?

Vor allem aber: Kein einziges Wort zu dem, was das Standortauswahlgesetz ausdrücklich betont: In § 5 zu den „Grundsätzen der Öffentlichkeitsbeteiligung“ heißt es in Abs (3): „Das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit wird entsprechend fortentwickelt. Hierzu können sich die Beteiligten über die gesetzlich geregelten Mindestanforderungen hinaus weiterer Beteiligungsformen bedienen. Die Geeignetheit der Beteiligungsformen ist in angemessenen zeitlichen Abständen zu prüfen.“ Das könnte man, wenn man zur Beteiligung ermutigen wollte, durchaus als Chance für Mehr und als Einladung betonen.

Auf immerhin 40 bunten Seiten nimmt das BfE in der neuen Broschüre Stellung, welche Rollen sie den einzelnen Akteuren im Beteiligungsverfahren zumisst. Dass sich das BfE hier nachlesbar mit einer Position zu seinen Vorstellungen äußert, ist sicherlich positiv zu bewerten. So kann man wenigstens darüber streiten.

Das BfE schreibt auf seiner Seite: „Das vorgestellte Positionspapier stellt das Ergebnis der bisherigen, am gemeinsamen Ziel orientierten Gespräche und Diskussionen im BfE dar. Der Entwurf ist gleichzeitig eine Einladung zum Dialog und zur vertrauensvollen Zusammenarbeit an alle Beteiligten des Standortauswahlverfahrens. Grundlage dafür sind klar abgegrenzte Rollen.“ Angebote aber, wo und wie das Bundesamt diese „Einladung zum Dialog“ konkret betreiben will, fehlen bislang. Und erklärungsbedürftig ist sicherlich auch, wie es denn angesichts jahrzehntelanger und weiterhin anhaltender Atomkonflikte – Stichwort Gorleben und andere – zu einer „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ kommen kann, die beim BfE in der Öffentlichkeitsbeteiligung nach ihren Vorstellungen offenbar schon integriert ist.

Das dürfte so nicht funktionieren: Mindestens in den Reihen der Anti-Atom-Bewegung hat es massive Kritik am Standortauswahlgesetz gegeben, viele beklagen, dass an den vielen Atomstandorten von Transparenz und Beteiligung bis heute nichts zu spüren ist und oftmals noch der alte Geist zwischen Behörden und Konzernen gegen die Öffentlichkeit besteht. Nicht umsonst stellt das NBG und dessen Co-Vorsitzender Klaus Töpfer zutreffend immer wieder fest: Das verspielte Vertrauen staatlicher Stellen ebenso wie bei den Atomkonzernen muss erst Schritt für Schritt zurück gewonnen oder neu aufgebaut werden. Insofern wäre klar: Ein Dialog kann zumindest nicht am Beginn auf Vertrauen basieren, sondern müsste es sich durch entsprechendes staatliches Verhalten und Agieren erarbeiten.

Auch dürften die Thesen des BfE im Punkt „1.1. Atomenergie und Endlagerung als gesellschaftlicher Großkonflikt“ mindestens für Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbände für einigen Zündstoff sorgen. Immer wieder wird hier auch die Bedeutung einer ernsthaften Aufarbeitung des Konflikts um die Atomenergie betont, der längst keine Geschichte ist, wie es gern – auch jetzt beim BfE – postuliert wird.

Richtig aber ist: Die Möglichkeiten und Grenzen einer Öffentlichkeitsbeteiligung müssen klar abgesteckt sein und es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit vor Beginn des Verfahrens bzw. im Verfahren weiß, was geht, und was nicht. Genauso richtig ist aber auch: Diese anvisierte Öffentlichkeit wird ihre Vorstellungen, was gehen soll und was gehen muss, einbringen. Das aber wird in jedem Abschnitt des Verfahrens mit der Öffentlichkeit diskutiert werden müssen.

Eine erste Möglichkeit zur Debatte der jetzt vorgelegten BfE-Positionen bietet das NBG am 3. Februar in Berlin an. Dort wird  zunächst die BGE über den Stand der Dinge informieren und dann das BfE seine Position zur Öffentlichkeitsbeteiligung vorstellen. Anschließend wird in fünf Arbeitsgruppen die Möglichkeit zur Diskussion geboten.

Auf der Homepage des BfE heißt es: „Zu den Hauptakteuren gehören das Nationale Begleitgremium NBG, die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH BGE, die für die Suche und die Erkundungen zuständig ist, sowie das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit BfE. Das BfE überwacht als Regulierungsbehörde die Endlagersuche. Zentrale Aufgabe des Amtes ist es zudem, die Bürgerinnen und Bürger in das Verfahren mit einzubinden.“

Zentrales Anliegen des BfE ist es mit dem Papier also offenbar, zunächst eine Verständigung unter diesen Akteuren zu erreichen, wie denn diese Einbindung erfolgen sollte. Denn: „Ein gemeinsames Verständnis über die unterschiedlichen Aufgaben und Rollen der Akteure im Beteiligungsverfahren ist eine Grundvoraussetzung, um das Ziel, ein sicheres Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland zu finden, zu erreichen. Das ist die Kernaussage eines Positionspapieres, das das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit BfE zur Diskussion mit den an der Suche Beteiligten veröffentlicht hat.“

In der Broschüre heißt es bereits im Vorwort: „Die Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle ist eine technische und gesellschaftliche Herausforderung, die nur bewältigt werden kann, wenn alle Beteiligten im Verfahren ihrer jeweiligen Verantwortung gerecht werden. Genauso wichtig ist es, einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel herbeizuführen, der den Umgang mit dem Erbe des Atomzeitalters als schwierige, aber lösbare Aufgabe begreift.“

Und schon wenige Zeilen später wird pauschal die Öffentlichkeit geradezu diffamiert, wenn Widerstand gegen ein Atommülllager als „Not in my backyard“-Mentalität kritisiert wird: „Für das Gelingen des Verfahrens braucht es einen Bewusstseinswandel weg von der „Not in my backyard“-Mentalität hin zur Verantwortungsübernahme, die den Umgang mit dem Erbe des Atomzeitalters als schwierige, aber lösbare Aufgabe begreift.“ (Seite 7) Das BfE unterscheidet denn auch schon mal zwischen guten und schlechten Interessensgruppen: „Wir freuen uns auf die Diskussionen mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Interessengruppen. Wer sich konstruktiv kritisch einbringt, wird nicht als Störer empfunden, sondern nimmt Verantwortung wahr und erhält unsere Wertschätzung.“ (Seite 27)

Klar ist: Die vom BfE zu verantwortende Öffentlichkeitsbeteiligung soll dem Ziel dienen, ein im Standortauswahlgesetz beschriebenes „Endlager“ für hochradioaktiven Atommüll in Deutschland zu finden. Dabei stellt das BfE klar:

  1. „Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Standortauswahl bedeutet für das BfE Teilhabe am Diskussionsprozess und Mitgestaltung am und im Verfahren. Ein Mitentscheidungsrecht ist nicht vorgesehen.“ (Seite 25). Außerdem
  2. „Im Sinne eines lernenden und selbsthinterfragenden Systems kommt der Öffentlichkeit im Standortauswahlverfahren als Beobachter von außen eine wichtige Rolle zu.“ (Seite 27)

Klar macht das Papier: Einfach wird weder die Debatte über die Öffentlichkeitsbeteiligung noch die mit der Öffentlichkeit. Das BfE bietet mit seiner jetzigen Positionierung sicherlich viel Anlass, für eine lebendige Diskussion.

Dirk Seifert

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