10 Jahre Volksentscheid Unser Hamburg Unser Netz – Manfred Braasch – ehemals Vertrauensperson für den BUND Hamburg

10 Jahre Volksentscheid Unser Hamburg Unser Netz – Manfred Braasch – ehemals Vertrauensperson für den BUND Hamburg

Zwischenstand, Teil 3: Manfred Braasch, damals Geschäftsführer beim BUND in Hamburg, war für die Volksinitiative Unser Hamburg Unser Netz eine der drei von dem Bündnis benannten Vertrauenspersonen, die aufgrund der rechtlichen Regelungen für derartige Beteiligungsverfahren vorgeschrieben sind. Zehn Jahre nach dem Volksentscheid blickt er im folgenden auf den Volksentscheid vom 22. September 2013 zurück. Statementes aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums des Volksentscheids zur Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze von den beiden weiteren Vertrauenspersonen gibt es hier:  Theo Christiansen, damals „Diakonie und Bildung des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Hamburg-Ost“, sowie Günter Hörmann, damals Verbraucherzentrale Hamburg. Siehe außerdem: Zwischenstand, Teil 1: 10 Jahre Volksentscheid Unser Hamburg Unser Netz – Aspekte der Vorgeschichte der Initiative für die Rekommunaliserung der Energienetze und Zwischenstand, Teil 2: 10 Jahre Volksentscheid Unser Hamburg Unser Netz – Der Kampf um Energienetze in öffentlicher Hand

Manfred Braasch, August 2023: „Klimaschutz und Energiewende – Nie waren die Herausforderungen größer. Der Klimawandel wird stärker spürbar, die Zeit, um das Pariser Klimaziel noch einzuhalten, rieselt immer schneller durch die Sanduhr. Nach 10 Jahren Volksentscheid Unser Hamburg – Unser Netz Grund genug die Frage zustellen, ob und wie die Ideen und Ziele von damals umgesetzt worden sind.

An die eigentliche Rekommunalisierung des Strom- und Gasnetzes sowie der ehemals von Vattenfall betriebenen Fernwärmeversorgung kann man einen Haken machen. Alle drei Unternehmen sind in staatlicher Regie, HamburgWärme ist sogar mit Hamburg Energie zum öffentlichen Unternehmen Hamburger Energiewerke (HEnW) fusioniert und könnte damit zum Nukleus für neue Hamburger Stadtwerke werden.

Auch die ökonomische Seite kann sich sehen lassen. Gab es vor 10 Jahren noch Parolen wie „Kitas statt Kabel“ und „Warum zwei Milliarden für Kabel und Rohre ausgeben?“, freut sich heute der Finanzsenator über die öffentlichen Energieunternehmen in seiner Bilanz. Allein Stromnetz Hamburg hat bislang fast 400 Mio. Euro Gewinn an die Stadt abgeführt, Finanzmittel, die sonst der Energiekonzern Vattenfall eingestrichen hätte.

Aber kommen wir zum Klimaschutz. Der Umbau der Energieversorgung und die Dekarbonisierung von Gesellschaft und Wirtschaft braucht ein zukunftsfähiges Stromnetz. Die Einspeisung von Photovoltaik- und Windstrom oder auch das veränderte Lastmanagement aufgrund von mehr Wärmepumpen und mehr Elektroautos funktionieren nur, wenn das Verteilnetz dies auch leisten kann. Hier stimmt die Richtung: Stromnetz Hamburg investiert deutlich mehr in den Erhalt und Ausbau des Hamburger Stromnetzes als noch unter der Regie von Vattenfall.

Die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung mit der klaren Zielvorgabe, spätestens 2030 aus der Kohleverbrennung auszusteigen, wird umgesetzt – daran gibt es derzeit keinen Zweifel. Verstärkt durch die Volksinitiative Tschüss Kohle hat der Volksentscheid vor 10 Jahren dafür den Grundstock gelegt.

Was nicht zufrieden stellen kann, ist die Geschwindigkeit beim Fernwärmeumbau. Nimmt man den Budgetansatz in den Blick – also die noch zur Verfügung stehende CO2-Gesamtmenge, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten – rächt sich die verspätete Übernahme der Fernwärme fünf Jahre nach dem eigentlichen Volksentscheid. Eine schnelle Übernahme hätte dafür sorgen können, dass das alte Kohlekraftwerk Wedel nicht erst 2026 abgeschaltet wird.

Schwieriger zu beurteilen ist die Situation für Gasnetz Hamburg. Das Unternehmen wurde 2016 von der Stadt übernommen und bewegt sich spätestens seit dem Ukrainekrieg, der Gaskrise und der Debatte über das sogenannte Heizungsgesetz in einem extrem schwierigen Geschäftsfeld. Einerseits wird weiterhin eine hohe Anzahl an Gasheizungen auch in Hamburg neu eingebaut, andererseits muss die Nutzung von fossilem Erdgas möglichst schnell auf Null gehen. Wie dieser Zielkonflikt von Gasnetz Hamburg und damit der Stadt Hamburg bewältigt werden kann, ist ungewiss. Ob die Zukunft des Unternehmens beispielsweise im grünen Wasserstoff liegt, bleibt bislang unklar. Es wäre an der Zeit, in der Tradition des Volksentscheids eine öffentliche Debatte zu führen, die vielfältige Expertise in der Stadt zu nutzen. Denn dies war eine Bestandteil des Volksentscheids: Demokratische Kontrolle über die Ausrichtung der öffentlichen Unternehmen.

Mittlerweile wird die Notwendigkeit einer Defossilierung und Dekarbonisierung nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt – anders noch als 2013. Der Volksentscheid hatte auch dies zum Ziel: eine klimaverträgliche Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien. Hamburg ist heute immer noch weit davon entfernt, diesen Auftrag des Volksentscheids konsequent umzusetzen. Der Anteil Erneuerbaren Stroms in der Hamburger Erzeugung liegt bei etwa 20 Prozent, vor allem der Photovoltaik-Ausbau kommt seit Jahren nicht voran. Dabei wäre Solarstrom Hamburgs einzige Möglichkeiten, einen nennenswerten Beitrag zum 80 % Ziel der Bundesregierung beim Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugung zu leisten. Ein Plus an Windkrafträdern stößt bekanntlich in einem Stadtstaat schnell auf Grenzen. Das Potenzial für Solarstrom in Hamburg ist hoch, erst vor kurzem hat eine Studie des Clusters Erneuerbare Energien Hamburg ergeben, dass bilanziell ca. 2/3 des Hamburger Strombedarfs für Photovoltaik gedeckt werden könnte.

Ob das neue Ziel, alle öffentlichen Hamburger Unternehmen bis 2040 klimaneutral – und damit fünf Jahre früher als die Landes- und Bundesziele – aufzustellen ohne den Volksentscheid festgelegt worden wäre, bleibt Spekulation. Aber dieses Ziel passt in jedem Fall in den Geist von Unser Hamburg – Unser Netz.

Der Volksentscheid hat viel bewegt und bleibt ein Beispiel dafür, dass erkannte Zeitfenster für grundlegende Weichenstellungen genutzt werden sollten. Die deutsche Energieagentur (dena) hat vor kurzem ein Impulspapier veröffentlicht: „Lokale Energieinfrastrukturen: Rückgrat der Energiewende“. Recht haben die Fachleute und gut, dass vor 10 Jahren die Mehrheit der Hamburger Bürgerinnen und Bürger klug entschieden haben – auch wenn noch viel zu tun bleibt.“

Dirk Seifert

3 Gedanken zu “10 Jahre Volksentscheid Unser Hamburg Unser Netz – Manfred Braasch – ehemals Vertrauensperson für den BUND Hamburg

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