US-Fracking-Boom droht Finanzkrach auszulösen – Teil 2
Die weltweite Gas- und Ölindustrie hat eine vermeintliche Goldgrube entdeckt: Gas- und Ölgewinnung mittels Fracking. Während die Industrie auf kurzfristige Gewinne hofft, birgt Fracking für Mensch und Umwelt hohe Risiken. Die Bundesregierung schreckt das nicht. Sie hat ein offenes Ohr für die Fracking-Pläne der Konzerne. Entgegen ihrem Wahlversprechen kommt der von den Bundesministern Gabriel und Hendricks, beide SPD, vorgelegte Gesetzentwurf einem Fracking-Erlaubnisgesetz gleich. Dabei wehren sich weltweit immer mehr Menschen gegen Fracking. DIE LINKE ist Teil dieses Widerstands. In einer fünfteiligen Serie analysiert Hubertus Zdebel politische Folgen und Risiken des Förderverfahrens. Lesen Sie unten den zweiten Teil.
Von Hubertus Zdebel, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit für die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Innerhalb weniger Monate ist der Ölpreis von 106 US-Dollar pro Fass Anfang Juli auf 54 US-Dollar gesunken. Die Entscheidung der Organisation Erdöl fördernder Länder (OPEC), die Ölproduktion nicht zu senken, hat den Preisverfall noch einmal kräftig angeschoben. Nun droht der niedrige Ölpreis dem Geschäft mit dem Fracking-Öl und -Gas einen Strich durch die Rechnung zu machen – mit möglicherweise verheerenden Auswirkungen für die Weltwirtschaft. Denn bei diesem Ölpreis rechnet sich der Großteil der Fracking-Bohrungen nicht mehr. Gleichzeitig ist die Gewinnung unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen mit milliardenschweren Investitionen verbunden, die in hohem Maße über Schrottpapiere von Anlagenbanken wie Merrill Lynch finanziert werden.
Seit dem Börsen- und Immobilienkrach 2007-2008 ist noch mehr Kapital im Umlauf. Denn angesichts der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken der USA und EU schwimmen die Finanzmärkte in billigem Geld. Doch die Realwirtschaft hat seit 2008 keinen nennenswerten Aufschwung verzeichnen können, und bietet für spekulatives Kapital kaum ausreichend sichere Anlagemöglichkeiten.
Daher kam der Finanzbranche das Thema Fracking wie gerufen. Die vermeintlich absolut sichere Industrie stellte große Gewinne in Aussicht, auch ohne Sicherheiten wurden große Kreditsummen gewährt – die sich bei der gegenwärtigen Preisentwicklung bald als Schrottanleihen herausstellen dürften.
Fracking-Konzerne sind nicht nur massiv, sondern auch riskant verschuldet
Der Fracking-Boom in den USA basiert zum Großteil auf Pump. Vor allem kleine und mittelgroße Firmen wittern in Fracking ihre große Chance und haben sich mitunter hoch verschuldet, um einen Stück vom Kuchen abzubekommen.
Trotz ihrer Rekordprofite in den vergangenen Jahren haben auch die große Energiekonzerne wie ExxonMobil, Royal Dutch Shell und British Petroleum (BP) vermehrt Fremdkapital zur Finanzierung des Fracking-Booms eingeworben. So hat ExxonMobil 2013 seine Gesamtverschuldung von 11 auf 22 Milliarden US-Dollar verdoppelt. Shell, Chevron und BP haben zusammen ebenfalls 25 Milliarden US-Dollar zusätzliche Kredite aufgenommen.
Nicht nur das: Die Fracking-Industrie finanziert ihre kostspieligen Fördervorhaben größtenteils über sogenannte High-Yield-Anleihen, auf Deutsch Hochzinsanleihen. Hohe Zinsen gibt es für diese Schuldscheine nur deshalb, weil sie besonders riskant sind. Das Ausfallrisiko ist weitaus größer als bei normalverzinsten Anleihen. Denn High-Yield-Anleihen sind ungesicherte Schuldverschreibungen von Emittenten mit einer schlechten Kreditwürdigkeit. Heißt: Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas schiefgeht und der Emittent die Anleihe nicht bedienen kann, ist sehr hoch. Deshalb werden diese High-Yield-Anleihen umgangssprachlich oft auch Schrottanleihen oder Junk-Bonds genannt.
Laut wallstreet.online erlebt der Markt für Hochzinsanleihen mit einem Gesamtvolumen von etwa 1,6 Billionen US-Dollar derzeit einen „gigantischen Boom“ in den USA. Momentan würden doppelt so viele Schrottanleihen gehandelt wie vor der Finanzkrise und fast drei Mal so viel wie vor zehn Jahren. Dabei ist seit 2002 der Anteil der Fracking-Energieanleihen des inzwischen 1.300 Milliarden Dollar großen US-Marktes für Junk-Bonds von 4 auf über 17 Prozent angestiegen – mehr als der Anteil der Telekom-Branche (12,4 Prozent) und des Gesundheitssektors (8,4 Prozent).
Einsturz des Ölpreises lässt Fracking-Blase platzen
Das vermeintlich goldene Geschäft mit dem Fracking droht nun sowohl den Energieriesen als auch der Finanzbranche auf die Füße zu fallen. Die rosigen Schätzungen der Ölvorkommen der Fracking-Industrie haben keinen Bestand und beim aktuellen Ölpreis von 54 Dollar pro Fass werden die meisten Schieferöl-Förderstätten unrentabel. Die Investmentbank Morgan Stanley hat errechnet, dass die Förderung von unkonventionell gefördertem Öl in den USA durchschnittlich 76 bis 77 Dollar pro Fass kostet.
Der gesunkene Ölpreis hat schon jetzt den Konzentrationsprozess im US-Energiesektor angekurbelt. Das verdeutlicht das Vorhaben des US-Energieriesen Halliburton, den Konkurrenten Baker Hughes für 34 Milliarden US-Dollar aufzukaufen. Mittels dieses Deals würde Halliburton zum weltweit größten Energiedienstleister werden.(1)
Fällt der Ölpreis weiter, so werden bald die ersten Fracking-Unternehmen unter Druck geraten und auch die ersten Fracking-Anleihen ausfallen. Eine Massenpleite von Fracking-Unternehmen und ein Platzen der Spekulationsblase könnte das Kartenhaus der US-Anlagebanken zum Einsturz bringen. Analysten der Deutschen Bank verkündeten Ende November, dass ein Ölpreis von unter 60 Dollar pro Fass Energiekonzerne in die Pleite und damit die Zahlungsausfallrate der High-Yield-Bonds in die Höhe treiben könnte. (2) Laut Financial Times gilt schon ein Drittel dieser Schrottpapiere als notleidend.
Die Welt vergleicht ein solches Szenario mit dem Ausfall der ersten Subprime-Kredite am Immobilienmarkt zu Beginn der Finanzkrise: „Die schwächsten Glieder fielen zuerst, führten zu Verunsicherung und trockneten den Markt allmählich aus, was sich dann auch auf andere Anlagesegmente auswirkte, bis das Beben schließlich die Banken und den gesamten Finanzmarkt erschütterte.“
Fracking-Pleite kann neuen Finanzkrach auslösen
Dies zeigt einmal wieder: An der Struktur der Finanzmärkte hat sich nichts verbessert. Die Niedrigzinspolitik hat die Geldschwemme auf den Kapitalmarkt nur verstärkt. So sind wir nur noch einen Katzensprung von einem weiteren Finanzkrach entfernt.
Die Demokratie muss aus dem Würgegriff der Finanzkonzerne und Ratingagenturen befreit werden.
Doch die Wirtschaftspolitik der EU geht in eine ganz andere Richtung. Die EU-Kommission will mit den Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA die Bevölkerung und die Parlamente weiter entmachten, um die Konzerne noch stärker über die Politik bestimmen zu lassen. Unterstützt wird sie dabei von der Bundesregierung der SPD und CDU/CSU.
linksfraktion.de, 17. Dezember 2014
Fortsetzung folgt. Lesen Sie auch den ersten Teil: „Wie sich der Fracking-Boom in den USA auf das weltweite Kräfteverhältnis auswirkt“
Fußnoten:
1 BUSINESS WEEK, 17. November 2014
2 BLOOMBERG BRIEF, 17. November 2014