Atommafia: Dokumente der Monitor-Recherche – Gezielte Schlamperei von Regierungsvertretern zugunsten der Atomkonzerne?

Norbert Roettgen
2011 war er der zuständige Umweltminister für das Atom-Moratorium: Norbert Röttgen (CDU). Gab es absichtliche Schlampereien zugunsten von RWE und anderen?

Der Verdacht, der sich immer mehr erhärtet, ist ungeheuerlich. Spitzenpolitiker aus Bundes- und Landesregierung haben möglicherweise absichtlich mit schweren Unterlassungen dazu Beihilfe geleistet, dass die Atomkonzerne für die Abschaltung ihrer Atomkraftwerke nach der Katastrophe von Fukushima Schadensersatzforderungen durchsetzen können. Bereits vor am 15.1. hatte das ARD-Magazin Monitor erste konkrete Hinweise in diese Richtung geliefert. Demnach hat der damalige RWE-Chef Grossmann beim hessischen Ministerpräsidenten eine Anweisung bestellt, die AKW in Biblis trotz bestehender rechtlicher Möglichkeit nicht wieder anzufahren. Grossmann bezieht sich in dem Schreiben an Bouffier darauf, dass der Pofalla im Kanzleramt ihm ein solches Schreiben versprochen habe. Der Brief, den Bouffier schrieb, soll im Urteil, mit dem RWE ein Schadensersatzanspruch gerichtlich zuerkannt wurde, eine große Rolle gespielt haben. In einem weiteren Bericht am 5.2. werden nun auch der damalige Umweltminister Röttgen und der von ihm zum obersten Atomaufseher ernannten Lobbyist Gerald Hennenhöfer mit dem Verdacht in Zusammenhang gebracht, den Konzernen durch „gezielte Unterlassungen“ zu erfolgreichen Schadensersatzforderungen verholfen zu haben.

Hier die PM zum Monitor-Bericht vom 15.1.2015 und hier der Link zum TV-Bericht.

In dem Bericht werden die zwei Brief zitiert und eingeblendet. umweltFAIRaendern dokumentiert:

Hier der Brief im Anschnitt von RWE Grossmann an Ministerpräsident Bouffier:

GrossmannRWEanBouffier

Und hier die Antwort von Ministerpräsident Bouffier an RWE/Grossmann. Der Antwortbrief ist handschriftlich mit dem Datum 13.6.2011 versehen.

BouffierAnGrossmannRWE

 

Am 5.2. legte das Magazin mit weiteren internen Papieren nach. Der Atomlobbyist Gerald Hennenhöfer (damals oberster Atomaufseher) und Norbert Röttgen (damaliger Umweltminister) geraten jetzt in den Focus. Die beiden sind eng miteinander verbunden, bis heute: Erst vor wenigen Wochen haben die beiden gemeinsam eine Kanzlei gegründet. (siehe Update) umweltFAIRaendern dokumentiert hier per Screenshots und Textauszügen Dokumente aus dem Monitor-Bericht. Der politische Druck wächst. Für seine Aussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag hat Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nun – entgegen der bisherigen Linie – einem Atomaufseher eine Aussagegenehmigung erteilt.

Darüber berichtet Malte Kreutzfeld heute in der taz. Und die FR schreibt: „Wie schlecht dieses Moratorium gemacht war, wird im hessischen Untersuchungsausschuss immer deutlicher. Um es rechtlich sicher zu umzusetzen, hätten die CDU-Politiker das Gegenteil von dem vertreten müssen, was sie jahrelang der Bevölkerung eingebläut hatten: dass deutsche Atomkraftwerke sicher seien. Das brachten sie nicht über sich, möglicherweise mit kostspieligen Folgen für uns alle. Nach dem Ende des Moratoriums setzte sich der Dilettantismus fort. Denn das Abschaltgesetz war noch nicht fertig, aber die Reaktoren sollten trotzdem nicht wieder angefahren werden. So entstand ein weiterer Zeitraum von sieben Wochen, für den die Kraftwerksbetreiber nun Schadenersatz geltend machen.“

Den neueren Berichten von Monitor zufolge, geraten auf Bundesebene neben Pofalla nun auch der Umweltminister Norbert Röttgen und sein damaliger oberster Atomaufseher Gerald Hennenhöfer (Lobbypedia) unter den schweren Verdacht, absichtlich Warnungen aus den zuständigen Fachabteilungen ignoriert zu haben.

UPDATE: Im Dezember noch wurde gemeldet, dass Röttgen und Hennenhöfer gemeinsam eine Kanzlei betreiben wollten. Ex-Atomminister Röttgen und Ex-Atomchef Hennenhöfer gründen Kanzlei. Das hat sich nun geändert. Röttgen teilte gerade mit (laut Juve), dass man sich in der Kanzlei mit Hennenhöfer nicht auf die Rahmenbedingungen einigen konnte und Hennenhöfer nun allein als Anwalt weiter macht.. Ob das als Reaktion auf die Monitor-Berichte gewertet werden muss, ist unklar.

Dokumentation: SCREENSHOTS, TEXTAUSZÜGE aus dem Monitor-Bericht

„Atomskandal: Wie die Politik den Atomkonzernen den Weg zu Millionenklagen geebnet hat, 05.02.2015 | 09:06 Min. | Verfügbar bis 05.02.2016 | Quelle: WDR

(Die Bilder anklicken zum Vergrößern)

„In seiner letzten Ausgabe hatte MONITOR aufgedeckt, wie ein von RWE bestellter Brief des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier dazu beigetragen hat, dass die Atomkonzerne heute rund 900 Millionen Euro Schadenersatz von Bund und Ländern fordern – wegen der vorübergehenden Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke nach der Atomkatastrophe in Fukushima. Neue MONITOR-Recherchen belegen nun, wie tief neben der hessischen Landesregierung auch die damalige Bundesregierung in den Skandal verstrickt ist: Kritische Stimmen aus den eigenen Fachabteilungen wurden kaltgestellt; Warnungen vor den finanziellen Risiken ignoriert. Damit habe die Politik den Atomkonzernen den Weg zu millionenschweren Klagen erst ermöglicht, kritisiert die Opposition.““

Brief von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) an Großmann/RWE (Screenshot), der im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel zugunsten der Schadensersatzklage von RWE gegen das Land Hessen durch die Richter hoch bewertet wurde.

BriefBouffierAnRWEKlage Schadensersatz von RWE erfolgreich vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel. Zivilrechtlich geht es um einen Schadensersatz in Höhe von 235 Millionen Euro für RWE. Insgesamt fordern die Atomkonzerne 882 Mio Euro. Klage u.a. auch von E.on: an Landgericht Hannover, von Anwalt Gleiss Lutz, zuständige Anwälte Dr. Detlef Schmidt und Dr. Marc Ruttloff (?) Friedrichstraße 71, 10117 Berlin, mit Datum 1. Oktober 2014

16.3.2011, Schreiben vom BMU an die zuständigen Atombehörden der Länder wegen Moratorium:

Nachrichtlich: Wirtschaftsministerium BAWÜ, Stuttgart, Seite 2 des dreiseitigen Schreibens „Überprüfung der deutschen Kernkraftwerke, Anordnung der einstweiligen Betriebseinstellung“.

Im Brief wird nur allgemein von einem „Gefahrenverdacht“ gesprochen, kein Wort worin der besteht. Gefahren und technische Mängel werden nicht genannt. Verwaltungsgerichtshof Kassel kommt zum Ergebnis, dass dies eine „rechtswidrige Begründung“ darstellt und spricht RWE Schadensersatz zu.

BMU-Schreiben-Moratorium16032011

BMUanBetreiber-Moratorium-Betriebseinstellung-VorliegenEinesGefahrenverdachta

Bonn, 4. April 2011: Fachreferat Bundesaufsicht bei Atomkraftwerken an Hennenhöfer (Abteilungsleiter Reaktorsicherheit) und Umweltminister Norbert Röttgen warnt:

Das Fachamt erinnert, dass mit Schreiben vom 31.3.2011 von RS I 3 auf … „rechtliche und finanzielle Risiken“ hingewiesen wurde … „Deswegen ist es dringlich erforderlich, dass RS I 3 unmittelbar in den Gefahr- und Risikoermittlungsprozess, der die aufsichtliche Anordnung rechtfertig, einbezogen wird.“

BriefAtomfachaufsichtAnHennenhoeferRoettgenTitelseite-rechtlicheUndFinanzielleRisiken

BriefAtomfachaufsichtAnHennenhoefer-rechtlicheUndFinanzielleRisiken

Wien, 8. 4. 2011, Hennenhöfer ignoriert diese Wanungen und stellt laut Monitor die Fachbehörde kalt.

Schreiben von ihm an die RSK: „Die in beigefügter Vorlage von den Mitarbeitern des Referats RS I 3 vertretenen Positionen teile ich u.a. aus den folgenden Gründen nicht“:
… „Der Wunsch, in der vorbereitenden Redaktionsgruppe der RSK (nicht im Plenum !) „ohne Aufpasser“ diskutieren zu können, stammt aus der RSK. Dasselbe gilt für die Sachverständigenteams, die im Länderauftrag tätig werden. Die Ursache liegt in einem als Folge der Politik der letzten Jahre massiv gestörten Vertrauensverhältnis.“

HennenhoeferAnRSK-ohneAufpasser-massivGestoertesVertrauensverhaeltnis

Vorgänge in HESSEN – Auch hessische Atomaufsicht wird laut Monitor kaltgestellt:
In Hessen ist 2011 Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) im Amt. Laut Monitor ist der  oberste Atomaufseher in Hessen alarmiert und schreibt an die Ministerin: „Wir als Fachabteilung können das unmöglich mittragen“.

Treffen des Atomaufseher mit der Ministerin. Man verständigt sich, so Monitor, „dass die Atomaufsicht ausgeschaltet wird und ihre Bedenken nicht nur ignoriert, sondern auch noch vertuscht werden. Wieder wird eine Atomaufsicht kaltgestellt.“

„Auch das hessische Justizministerium warnt. In einem Aktenvermerk heißt es: Man habe bezüglich der Moratoriumsbegründung erhebliche Bedenken. Es gehe hierbei um die Vermeidung einer etwaigen Schadenersatzpflicht. Gerichtet an die Umweltministerin und ihren Abteilungsleiter“, Vermerk hessisches Ministerium für Justiz, vom 17.3.2011

Zitat Monitor: „Und was macht der oberste Atomaufseher mit dieser Warnung? Er lässt sie einfach verschwinden. Das habe er mit der Ministerin so abgesprochen, erklärt er ganz offen im hessischen Untersuchungsausschuss: „Wir haben uns verständigt, dass ich dieses Papier zur Kenntnis nehme und dann wegwerfe“.“

Hennenhoefer-PapierKenntnisnehmeUndDannWegwerfe

Röttgen wird befragt, keine Antwort. Die Rede ist davon, dass Monitor dem Minister per Mail einen Fragenkatalog übermittelt habe, der bislang nicht beantwortet wurde.

Dirk Seifert

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