(N)Olympia: „Die Partylaune ist bald vorbei“ – Interviews auf NDR und in der Taz
Die Geschichte des inzwischen vielbeachteten Blogs „www.nolympia-hamburg.de“ begann vor etwas mehr als einem Jahr hier auf umweltFAIRaendern. Inspiriert durch eine unsägliche Neujahrsrede des Hamburger Handelskammer-Präses. Inzwischen ist viel passiert und die Botschaft der Handelskammer zur Richtschnur für den Senat geworden. Hamburg bewirbt sich beim Deutschen Olympischen Sport Bund (DOSB) neben Berlin als Ausrichter für die Olymischen Spiele 2024 oder 2028. Am 16. März wird sich das Präsidium des DOSB zwischen Hamburg und Berlin entscheiden, am 21. März soll das Plenum die formale Beschlussfassung erledigen. Der NDR hat heute ein Interview mit mir veröffentlicht, Titel: „(N)Olympia: „Die Partylaune ist bald vorbei„“. Und in der Bundesausgabe der Taz ist eine Art Reportage erschienen, in der über die Proteste gegen Olympia in Berlin und Hamburg berichtet wird: „Kritik an Olympia – Die Macht der Neinsager„.
Da ich mal davon ausgehe, dass es bei einem öffentlich-rechtlichen Sender einerseits und als Interviewpartner andererseits eine nicht ganz so harte Auslegung der Urheberrechte gibt, veröffentliche ich das Interview von Alexander Kobs vom NDR hier in voller Länge:
(Lieber NDR, wenn ich mich da irre, bitte einfach freundlich Bescheid sagen, wenn ich das ändern muss!)
(N)Olympia: „Die Partylaune ist bald vorbei“
Der Umweltaktivist und Blogger Dirk Seifert ist gegen Olympische Spiele in Hamburg.
Wird Hamburg der deutsche Kandidat für die Olympia-Bewerbung 2024 oder 2028? Die Entscheidung rückt immer näher: Das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gibt am 16. März seine Empfehlung bekannt, fünf Tage später tagt die Mitgliederversammlung, die die Siegerstadt bestätigen soll. Zuvor werden am kommenden Dienstag die Ergebnisse der Telefonumfragen bekannt, die Aufschluss darüber geben sollen, ob die Bürger der Städte hinter der jeweiligen Bewerbung stehen. Dirk Seifert tut das nicht. Der Umweltaktivist und Internetblogger ist das Gesicht der „(N)Olympia“-Bewegung, die gegen Spiele in der Hansestadt kämpft. Seifert im Interview mit dem NDR Sportclub über Geldmacherei, Transparenzversprechen und galoppierende Mieten.
Herr Seifert, was haben Sie gedacht, als Sie vom Plan des Senats erfuhren, die Olympischen Spiele in die Hansestadt zu holen?
TV-Tipp Hamburg träumt von Olympia
Die Sportclub Reportage am 15. März um 23.35 Uhr im NDR Fernsehen.
Dirk Seifert: Der erste Moment gehörte nicht dem Senat, sondern der Handelskammer. Das war zur Jahreswende 2013/2014. Wenige Wochen zuvor hatten in München noch vier Landkreise gesagt: mit diesem IOC „no go!“. Und dann sprach sich ausgerechnet die Wirtschaftsvertretung in dieser Stadt für Olympia aus. Dass die Handelskammer den Auftakt gegeben hat, fand ich empörend und ziemlich erschreckend.
Was missfällt Ihnen denn an der Vorstellung, die Welt in Hamburg zu Gast zu haben?
Seifert: Damit ist alles in Ordnung, jeder kann gerne nach Hamburg kommen. Wir sind eine offene Stadt. Die Frage ist: Warum kommen die Leute und für welche Zwecke? Hinter den Olympischen Spielen werden vor allem Geschäfte gemacht. Das ist mit dem IOC so, das ist mit der Handelskammer als Initiator so. Nicht von ungefähr hängen sich Wirtschaftsunternehmen in die Bewerbung. Da machen wir uns natürlich Sorgen, so viel Geschäftemacherei kann nicht gut sein.
Was sind Ihre größten Sorgen?
Seifert: Ich befürchte, dass mit den Investitionen und den dahinter stehenden Investoren in der Stadt ein unheimlicher Druck auf die Grundstücke und auf die Flächen entsteht und damit die Mieten, die ohnehin schon galoppieren, exorbitant ansteigen. Der Senat hat bisher wenig dazu gesagt, wie er das in den Griff kriegen will – obwohl die Antwort auf diese Frage ein entscheidender Punkt ist. Wir fragen uns aber auch, welche Folgen die riesigen Umbaumaßnahmen im Hafen für die Umwelt hätten. Was passiert mit den Betrieben, die umgelagert werden? Und was bedeutet das wiederum für die Flächen, die dafür geopfert werden müssen?
Welche Verbindung besteht zwischen Olympia und den steigenden Mieten?
Seifert: Die Handelskammer hat klipp und klar gesagt, dass sie mit der Olympia-Bewerbung Hamburg in der Welt bekannt machen will. Es sollen weitere Touristen kommen und mit Investoren das große Geld in die Stadt gelockt werden. Wir haben Spiele im Zentrum der Stadt, und dieses Zentrum wird für die Investoren attraktiv gemacht. Es ist klar, was das bedeutet: Wenn hier im großen Stil Geld angelegt wird, Flächen privatisiert werden, dann wird das eine massive Folge für die Mieten-Entwicklung in der Stadt haben. Die Menschen, die dort jetzt wohnen, werden sich das in Zukunft nicht mehr leisten können.
Und was halten Sie von der angekündigten steigenden Zahl der Touristen?
Seifert: Davon sprechen in erster Linie die Tourismusverbände und Hoteliers. Der Hamburger Flughafen rechnet aber gar nicht mit einem Plus, weil während Olympia – so war es in London – die Zahl der normalen Touristen zurückgeht. Insofern klingt diese Tourismus-Olympia-Idee schön, hat aber wahrscheinlich praktisch überhaupt keine Bedeutung. Wir haben ohnehin eine ganz gute Entwicklung. Hamburg ist auch im Tourismus seit vielen Jahren eine wachsende Stadt. Die Zeitungen berichten immer wieder von Bettenrekorden. Ich glaube nicht, dass man diese Entwicklung nochmal künstlich pushen muss.
Wie steht es um die Transparenz der Bewerbungskosten?
Seifert: Wir haben seit rund einem Jahr das Stadium Olympia-Bewerbung. Genauso lange verspricht der Senat nun Transparenz. Die Elbphilharmonie ist eine Mahnung, bei Großprojekten genau aufs Geld zu gucken. Aber vom Senat sind keinerlei Zahlen zu den Olympia-Kosten zu hören, nicht einmal eine Dimension. Vor diesem Hintergrund ist das Transparenzversprechen eigentlich ein Witz. Meiner Meinung nach ist es nicht ganz redlich, was der Senat macht. Er verspricht Klarheit und haut stattdessen nur Botschaften als Werbemaßnahmen raus.
Mit welchen Kosten rechnen Sie?
Seifert: Das können wir selber nur schlecht einschätzen. Wir wissen, dass der Unternehmensverband für die Umsiedlung im Hafen von Kosten in Höhe von fünf bis sieben Milliarden gesprochen hat. Der Senat hat kürzlich gesagt, dass er alle Kosten tragen wird, die für die Umsiedlung und Neuansiedelung erforderlich sein werden. Zu deren Höhe wurde aber nichts gesagt. Die fünf bis sieben Milliarden beziehen sich auf den Hafen. Dazu kommen noch die Kosten für die Sportstätten und die Verkehrswege. Es geht wohl in Richtung zehn oder mehr Milliarden.
Oft heißt es, London sei ein Vorbild. Dort hat die Bewerbung wohl rund zwölf Milliarden gekostet. Ist das vergleichbar?
Seifert: In London wird im Nachhinein viel schöngeredet. Am Anfang ist den Bürgern in London auch irgendwas bei 2,5 oder 2,6 Milliarden versprochen worden. Am Ende waren es nach unseren Informationen 18 Milliarden. Unsere Erfahrung mit Olympischen Spielen ist: Die öffentlichen Kassen haben die Ausgaben, private Unternehmen die Gewinne. Und Hamburg muss, wenn hier eine Umkehr passieren soll, klar aufzeigen können, dass sich das nicht wiederholt. Dass hier wirklich ein Neustart käme. Wir haben große Zweifel, dass das gelingen kann.
Laut Senat soll es schon 50 Millionen Euro kosten, herauszufinden, wie hoch die Kosten sind. Das Geld soll erst in die Hand genommen werden, wenn klar ist, dass Hamburg der deutsche Kandidat wird. Können Sie diese Argumentation nachvollziehen?
Seifert: Diese Argumentation erscheint uns sachgerecht. Wenn der Senat aber den Hafenunternehmen zusagt, der Steuerzahler übernehme alle Kosten für die Umlagerung der Flächen vom Kleinen Grasbrook, dann muss der Senat eine Vorstellung von den Kosten dafür haben. Diese Zahl zu nennen, entspräche dem Transparenzversprechen. Wenn der Senat diese Zahl nicht kennt und der Wirtschaft diese Zusage gibt, dann ist das alarmierend.
Was halten Sie von der Einigung mit der Hafenwirtschaft?
Seifert: Die Meldungen dazu bestanden aus zwei Teilen. Erstens: Wir haben uns geeinigt. Aber auch zweitens: Es sind noch viele, viele Fragen offen. Herr Bonz vom Unternehmensverband Hafen hat ja schon klargestellt, dass er noch mächtig Probleme sieht. Er hat auf die fünf bis sieben Milliarden Euro Kosten hingewiesen und auf die erheblichen Verkehrsbelastungen im Hafen, die wohl keinen Nutzen für Hamburg bringen, sondern den Hafenbetrieb eher massiv stören. Er kann sich zudem keinerlei Wohnungsbau in der Nähe der Hafenunternehmen vorstellen. Und wenn das schon der Hafenverband sagt, ist die Diskussion noch lange nicht vorbei.
Als Ausweichflächen wurden Bereiche angeboten, die nicht im Hafenerweiterungsplan vorgesehen sind.
Seifert: Zu diesem Problem ist der Senat bisher jede Antwort schuldig geblieben. Es gibt die Sorge, dass die neuen Flächen möglicherweise ein Dorf wie Moorburg vernichten könnten. Hier würde eine Vertreibung erfolgen, wie wir sie von anderen olympischen Ereignissen kennen. Das hätte mit Sozialverträglichkeit nichts zu tun.
Was unternehmen Sie, um die Bürger aufzuklären?
Seifert: Nachdem wir uns geäußert haben, sind sehr viele Menschen auf uns zugekommen. Viele in dieser Stadt, die üblicherweise zu so einem Thema Stellung nehmen, haben noch nicht reagiert, weil sie glauben, dass Olympia 2024 sowieso nicht in Deutschland stattfinden wird. International sagen alle Fachleute, dass die Spiele in den USA stattfinden werden. Wir haben keine Unternehmen im Rücken, wir arbeiten ehrenamtlich in unserer Freizeit. Wir können nur sachlich argumentieren, uns die unterschiedlichen Aspekte angucken und darüber auf unserer Website berichten. Ich glaube, dass sich der DOSB und der Hamburger Senat große Sorgen machen müssen, was passiert, wenn die Hamburger alle Fakten kennen. Was kosten die Spiele? Was geschieht mit der Innenstadt? Welche Risiken entstehen zum Beispiel für die Mieten? Wenn das konkret wird, ist es mit der Partylaune vorbei.
Tauschen Sie sich auch mit den Umweltverbänden in Hamburg aus?
Seifert: Wir haben Gespräche mit dem NABU geführt, der sich große Sorgen macht, was den Flächenverbrauch in der Innenstadt durch die neuen Betriebe im Hafen angeht. Wir haben auch mit dem BUND gesprochen. Da ging es um die Verkehrs- und Umweltfragen im Hafen. Ein Stichwort ist die CO2-Belastung, die mit Olympia verbunden ist. Aber die Verbände müssen sich noch nicht positionieren. In dieser Phase werden ja noch Fragen gestellt, es wird über Konzepte diskutiert und gestritten. Entscheiden müssen sie sich erst, wenn sich der DOSB festgelegt hat, ob Hamburg überhaupt weiter im Rennen ist.
In einem Satz: Warum sind Olympische Spiele in Hamburg keine gute Idee?
Seifert: Ich glaube, Hamburg hat viel Potenzial für eine Entwicklung aus der Stadt heraus, mit der wir in die Welt gehen können. Wir haben dann auch Zeit, die Konflikte und Ziele in dieser Stadt miteinander zu klären. Das sollten wir in aller Ruhe und mit aller Fähigkeit tun. Mit Olympia können wir diese Nachhaltigkeit nicht betreiben. In dieser Hinsicht ist Olympia schädlich. Und bei all dem Geld, das hier im Umlauf ist, habe ich kein gutes Gefühl.
Das Interview führte Alexander Kobs, NDR Fernsehen
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