Gorleben und kein Konsens: Der schwarze Fleck auf der weißen Atommüll-Landkarte
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat nicht nur etwas gegen ein von der Kommission vorgezogenes nationale Begleitgremium zur Beseitigung eines „schwarzen Lochs“ im Standortauswahlgesetz, sondern auch dagegen, einen „schwarzen Fleck“ auf der atomaren Landkarte zu beseitigen. Der Streit um ein Papier in Sachen Gorleben für den Endbericht (PDF) der „Kommission zu Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ eskaliert. „Umweltministerin Hendricks hält es für einen Fehler, Gorleben schon vor dem neuen Suchlauf für ein Atomendlager aus dem Verfahren zu nehmen. Der Chef der Endlagerkommission hatte eine Klärung der Gorleben-Frage verlangt“, schreibt der Tagesspiegel.
Der Umweltverband BUND – Mitglied in der Kommission – schreibt auf seiner Seite nach der Vorlage des Berichts zu Gorleben in der letzten Kommissions-Sitzung: „Es war lange geplant, dass sich die Kommission in dem Berichtsabschnitt „nationale Erfahrungen“ auch zum Standort Gorleben äußern will. Dennoch sorgte die Vorlage in der Kommission für heftige Proteste. Dies gipfelte in der Forderung, die Vorlage aus dem Netz zu nehmen. Der BUND begrüßte die Vorlage ausdrücklich.“ In einer Presseerklärung des BUND vom 28. April heißt es mit Blick auf das Papier: „Außerdem gehe es auch um die kritische Aufarbeitung des Streits um den Standort Gorleben. Den dazu der Endlager-Suchkommission für ihren Abschlussbericht zuletzt vorgelegten Text unterstütze der BUND.“
Bereits zuvor hatte CDU-Kommissionsmitglied Steffen Kanitz das Papier scharf kritisiert. Jetzt berichtet Michael Bauchmüller in der Süddeutschen: „Nächste Woche will sich die Kommission mit der Streitfrage befassen. „Da steckt viel Sprengstoff drin“, sagt Unionsmann Kanitz. Knüpfe Müller den Erfolg des Gremiums an das Schicksal Gorlebens, „dann scheitert die ganze Kommission“.“
Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks springt nun ihrem Koalitionspartner in der Sache bei und widerspricht ihrem Partei-Genossen Michael Müller, der eine Klärung der Gorleben-Frage in der Kommission auf die Tagesordnung gesetzt hat.
Im Tagesspiegel heißt es dazu: „Hendricks sieht das anders. „Der große Fehler der Vergangenheit war, dass Gorleben ohne einen fairen und wissenschaftlichen Standort-Vergleich zum Endlager bestimmt werden sollte“, sagte sie. Gorleben sei „politisch gesetzt“ gewesen. Das habe „die Endlagerdebatte über Jahrzehnte vergiftet“. Aber dieser Fehler dürfe sich nicht wiederholen. „Wenn jetzt ein Standort aus politischen Gründen ausgeschlossen würde, hätten wir das gleiche Problem: Jeder andere Standort könnte sich darauf berufen, dass es keinen fairen, unvoreingenommenen wissenschaftsbasierten Vergleich gab“, gab Hendricks zu bedenken. Ihrer Einschätzung nach kann die Endlagersuche nur gelingen, „wenn in einem transparenten, wissenschaftlichen Vergleich der bestmögliche Standort ermittelt wird“.“
UPDATE!! Mit Schärfe reagieren nun auch Franz Untersteller (Grüne, Baden-Württemberg), Ulrike Scharf (CSU, Bayern) und Christian Pegel (SPD, Mecklenburg-Vorpommern) in einer gemeinsamen Presseerklärung: „Die gute Arbeit der Endlagerkommission darf nicht torpediert werden“, heißt es dort und dann wird gegen Michael Müller scharf geschossen: „Mit Besorgnis haben heute (06.05.) drei Mitglieder der Endlagerkommission, der baden-württembergische Umwelt- und Energieminister Franz Untersteller (GRÜNE), Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) sowie der Energieminister aus Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel (SPD), auf Äußerungen des Kommissionsvorsitzenden Michael Müller reagiert. Medienberichten zufolge hatte dieser zuvor gefordert, die Endlagerkommission solle einen möglichen Standort Gorleben vorab aus dem weiteren Suchverfahren ausschließen.“ Der Rest dieser PM ist hier online.
Die Süddeutsche zitiert Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel: „“Gorleben ist eine offene Wunde“ … Wie viel Wahrheit in der Feststellung von der politischen Durchsetzbarkeit stecke, „würde jeder erfahren, der Gorleben durchzusetzen versucht“.“ Die SZ zitiert auch den Grünen Energieminister aus Schleswig-Holstein, Robert Habeck, der darauf verweist, dass Gorleben zu Beginn des Verfahrens im Rennen geblieben ist: „“Die Kommission wurde unter dieser Bedingung eingesetzt“, sagt Robert Habeck, grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein. „Ein Kriterium wie ,politische Akzeptanz‘ wurde bewusst verworfen.“ Jetzt, kurz vor Ende des Projekts, müsse das so akzeptiert werden.“
Der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel (*), für die LINKE in der Kommission, reagierte vor einigen Tagen: „Die Erfahrungen aus Gorleben können in der Kommission nicht ignoriert werden. Daher braucht es ein solches Papier und es braucht auch eine Konsequenz. Gorleben ist im Konsens nicht machbar und gehört daher nicht in den Topf. Wenn wir zügig ein dauerhaft möglichst sicheres Atommülllager finden wollen, dann muss Gorleben endlich aus dem Verfahren genommen werden.“
Diese Position ist schon mit der Vorlage des Gesetzes zur Standortsuche und dem Beginn der Arbeit der Kommission immer wieder massiv von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden wie Greenpeace massiv kritisiert worden. Einen Neustart bei der Endlagersuche mit Gorleben könne es vor dem Hintergrund einer Geschichte von Lügen, Tricks und politischen Setzungen nicht geben, ein neuer Konsens sei mit Gorleben nicht möglich.
Michael Müller, Co-Vorsitzender der Kommission laut SZ: „“Wenn man glaubwürdig einen Neuanfang machen will, dann muss man eine geschichtliche Aufarbeitung zulassen“, sagt Müller. Wäre da nur nicht dieses Fazit, auf das der ganze Text zuarbeitet: Ein Endlager in Gorleben, so heißt es ganz am Ende, wäre „angesichts der Geschichte (. . .) politisch nicht durchsetzbar“. Kurzum: Gorleben fiele aus der Suche heraus. „Auch Ausschlusskriterien sind politisch bestimmt“, sagt Müller. „Warum sollen soziale und geschichtliche Kriterien dazu nicht zählen?““
Dieser Position springt die BI Umweltschutz Lüchow Dannenberg in einer gestern veröffentlichten Presseerklärung zur Seite. Deren Sprecher Wolfgang Ehmke machte klar, dass das bisherige Abtauchen der Kommission in der Gorleben-Frage nicht funktionieren kann: „Und das hat aus Sicht der BI einen gewichtigen Grund, denn der Parteienkonsens, den einst die Unionsparteien, SPD und Grüne ausgehandelt hatten und ins Standortauswahlgesetz (StandAG) übersetzten, endete genau da, wo ein Schlussstrich unter die jedes Vertrauen zerstörenden Fehler in der Causa Gorleben hätte gezogen werden können.“ Weiter heißt es in der PM: „Das ist die wahre Kernbotschaft, denn man verschanzt sich hinter gut klingenden Textenpassagen und tut so, als ginge es im Kern nicht um Gorleben“, sekundiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Die BI kritisiert diejenigen in der Kommission, die nicht einmal ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen wollen, etwas Klärendes und Ehrliches zum bisherigen Standort zu formulieren.“
(*) Der Autor dieses Textes ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des MdB Hubertus Zdebel und Mitglied im BUND.
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