Geheim: Vattenfalls Millionengewinne mit dem Fernwärmegeschäft in Hamburg
Bei dem in Hamburg am 22. September stattfindenden Volksentscheid für die vollständige Rekommunalisierung der Energienetze wird den Initiatoren immer wieder vorgeworfen, der Rückkauf der Netze sei nicht bezahlbar. Doch von den Millionen-Gewinnen, die mit den Netzen gemacht werden, wird kaum gesprochen. Vattenfall hält genaue Zahlen geheim. Schätzungen im Auftrag des Senats für das Jahr 2009 sprechen aber von bis zu 60 Millionen Gewinn allein bei der Fernwärme! Kein Wunder, wenn Vattenfall dieses Geschäft nicht abgeben will. [UPDATE: Über die Tricks der großen Stromkonzerne die Rekommunalisierung von Stromnetzen, Fernwärme oder Gas zu hintertreiben berichtet der Spiegel in seiner Online-Ausgabe am 8. April 2013. Natürlich wird auch Vattenfall ausdrücklich genannt: Mit völlig überzogenen Preisen, die die Unternehmen öffentlich nennen, versuchen sie, Kommunen und Bürger vor dem Schritt einer Rekommunalisierung abzuschrecken. Siehe auch hier]
Fernwärmeversorgung: Gewinnträchtig und gute Einnahmen für den Hamburger Haushalt.
Den wirtschaftlich größten Broken bei der Rekommunalisierung der Energienetze macht die Fernwärme aus. Das zeigt sich auch bei der Summe, die die Stadt Hamburg für ihre Minderheitsbeteiligung an Vattenfall auf den Tisch gelegt hat: der Kaufpreis beträgt rund 218 Millionen Euro. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man den Investitions-Anteil der Stadt Hamburg in Höhe von rund 107 Millionen Euro für das geplante GuD-Kraftwerk in Wedel abzieht. (*siehe dazu unten genauer)
Mit diesen Kosten von 218 Millionen Euro ist die Fernwärme der wirtschaftlich größte Posten. Demgegenüber schlagen die Preise für die Minderheitsbeteiligung an den Stromnetzen mit 138,05 Mio. Euro und für das Gasnetz von E.on mit 80,4 Mio weniger zu Buche.
Die tatsächlichen Gewinne aus dem Wärmegeschäft in Hamburg hält Vattenfall bis heute geheim bzw. versteckt sie geschickt in den vielfältigen Unternehmsaufgliederungen. Dadurch, das Vattenfall die Wärme bislang in einer gemeinsamen Gesellschaft für Berlin und Hamburg geführt hat, sind durch die Geschäftsbilanzen die Gewinne aus dem Wärmegeschäft in Hamburg nicht ersichtlich. Klare Angaben macht Vattenfall dazu bis heute nicht! Daher hatte bereits der schwarz-grüne Senat die LBD-Beratungsgesellschaft beauftragt, eine Bewertung vorzunehmen. Ende 2010 legte die LBD ihr Ergebnis der Behörde vor:
„VEW hat im Geschäftsjahr 2009 einen Gewinn mit dem Fernwärmegeschäft in Hamburg von 30 Mio. – 60 Mio. EUR erzielt.“ (siehe LBD-Vermerk/Entwurf Gewinnerzielung Fernwaerme Hamburg, PDF, Seite 4, die Umsatzerlöse lagen in dem Jahr bei 418 Millionen Euro, laut einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 20/3767 PDF) lagen die Umsatzerlöse bei VEW für das Jahr 2010 sogar noch einmal deutlich höher bei einer Summe von 448 Millionen Euro!)
Rechnet man den Kaufpreis für 25,1 Prozent – unzulässigerweise – hoch auf 100 Prozent, so würde die Fernwärmeversorgung also im schlechtesten (von Vattenfall als wirtschaftlich vorteilhaft akzeptierten) Fall rund 872 Millionen Euro kosten. Bei einem Gewinn von 30 – 60 Millionen Euro pro Jahr wäre das so oder so eine mehr als gute Investition. Selbst wenn die Gewinne unter diesen Zahlen lägen, wäre eine Übernahme durch eine am Gemeinwohl orientierte städtische Gesellschaft noch ein gutes Geschäft.
Zu beachten ist außerdem, dass das Wärmegeschäft ausgeweitet werden soll. In der Senatsmitteilung zur Vereinbarung mit Vattenfall und E.on heißt es: „Die gemeinsame Wärmegesellschaft soll durch Verdichtungsmaßnahmen sowie den Ausbau des Fernwärmenetzes die Anzahl der fernwärmeversorgten Wohneinheiten von gegenwärtig rund 438.000 auf 500.000 im Jahr 2020 erhöhen. Bis zum Jahr 2025 ist das Ziel von ca. 525.000 Wohneinheiten geplant.“
Mit anderen Worten: Die Geschäfte sollen weiter ausgebaut werden. Die Gewinne könnten dann künftig sogar noch steigen.
Mehr Transparenz durch den Senat
Auch wenn die Zahlen hier auf Schätzungen basieren, zeigen sich doch, das die Fernwärme für Vattenfall ein überaus lohnendes Geschäft ist.
Es wäre Sache des Senats und der Bürgerschaft, mehr Transparenz in diese Frage zu bringen. Genauere Informationen müssten dem Senat nach den Verhandlungen mit Vattenfall über die Minderheitsbeteiligung eigentlich bekannt sein, aber bislang gibt es dazu für die Öffentlichkeit keine Angaben. Bis heute sind die Gewinne aus der Fernwärme in Hamburg geheim! Zwar stehen die entsprechenden Gutachten der LBD Beratungsgesellschaft online, aber viele der wichtigen Daten zu Gewinnen und Erlösen sind geschwärzt!
Auch ein Hinweis, dass mit Vattenfall Transparenz nicht geht und wie wichtig eine vollständige Rekommunalisierung ist.
Nicht nur Wärme sondern auch Stromerzeugung und Verkauf: Sieben Erzeugungsanlagen gehören zur Netzübernahme!
Was gern übersehen wird: Es geht bei der Fernwärme nicht nur um die Wärme, sondern auch um die Stromerzeugung! Die Erzeugungsanlagen werden meist in Kraft-Wärme-Kopplung betrieben, also Strom und Wärme gleichzeitig. Diese Anlagen erzeugen damit „rund die Hälfte der Hamburger Stromproduktion“, schreibt die Grüne-Bürgerschaftsfraktion auf ihrer Homepage.
Die Bedeutung der Fernwärmeversorgung macht der Hamburger Senat auch in seiner entsprechenden Mitteilung (PDF) deutlich: „Im Unterschied zu den Netzgesellschaften Strom und Gas beteiligt sich Hamburg im Bereich der Fernwärme an der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens, d.h. inkl. Erzeugungsanlagen und Vertrieb, allerdings ohne die Erzeugungsanlagen des bestehenden Heizkraftwerks Wedel und des im Bau befindlichen Kraftwerks Moorburg.“
Und weiter: „Die neue Wärmegesellschaft, an der sich die HGV beteiligen wird, besitzt und betreibt somit sieben Erzeugungsanlagen und ein eigenes Wärmenetz mit einer Länge von 782 km. Der erzeugte Strom wird ausschließlich an die Vattenfall Energy Trading verkauft mit Ausnahme des KWK-Stroms, der über die VED H abgerechnet wird.“
Zu den Kraftwerken, die Hamburg also übernehmen würden, zählen die beiden Blöcke in Tiefstack und in der Hafencity, aber auch die Wärme- und Stromerzeugung z.B. in den Müllverbrennungsanlagen Rugenberger Damm und Borsigstraße etc.
Die neue Gesellschaft, die Vattenfall mit der Stadt Hamburg gründet, übernimmt mit Stand vom 31. Dezember 2010 insgesamt 525 MitarbeiterInnen: „Kraftwerksmitarbeiter machen mit 45 % den größten Anteil der Mitarbeiter aus, 33 % der Mitarbeiter sind im Bereich Vertrieb / Netze tätig und 22 % hatten administrative und sonstige Funktionen.“
Wichtig ist, dass auch nach der Minderheitsbeteiligung durch die FHH der Vattenfall-Konzern jede Menge Vorteile behält: Im Rahmen so genannter „Dienstleistungsverträge“ zwischen der neuen Wärmegesellschaft und dem Vattenfall-Konzern werden vielfältige Geschäftsbeziehungen geregelt. Eine Aufstellung, wie umfangreich diese Verträge sind, ist aus der oben genannten Kleinen Anfrage zu ersehen. Auf diese Weise bindet Vattenfall die neue Wärmegesellschaft eng an den Mutter-Konzern. Der Wärmegesellschaft wird damit auch die Möglichkeit genommen, eigenständig auf dem Markt Angebote einzuholen oder auszuschreiben. Das sichert beim Mutter-Konzern Einnahmen und Gewinne.
Ein Beispiel ist oben bereits genannt: In den Heizkraftwerken wird nicht nur Wärme, sondern auch Strom erzeugt. Entweder in Kraft-Wärme-Kopplung zeitgleich mit der Wärme oder bei Bedarf und Möglichkeit auch ohne Wärme. Der Strom aus diesen Anlagen wird direkt über Dienstleistungsverträge an unterschiedliche Vattenfall-Töchter übergeben, z.B. an die Vattenfall Europe Wärme AG oder die Vattenfall Energy Trading GmbH.
Der Strom wird also nicht direkt von der neuen Wärmegesellschaft vermarktet und an denjenigen verkauft, der den höchsten Preis für diesen Strom zahlt, sondern an eine Vattenfall-Tochter, die damit eigene Geschäfte machen kann.
(*) Der Senat gibt an, dass er für die Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent und den Anteil an der Investition in das neue Kraftwerk in Wedel insgesamt 325,05 Mio. Euro an Vattenfall gezahlt hat. Für das neue Kraftwerk werden derzeit Baukosten in Höhe von ca. 430 Mio Euro erwartet. Davon zahlt die FHH mit der Beteiligung bei der Wärmegesellschaft einen Anteil von 25,1 Prozent, also rund 107 Millionen Euro. Der Kaufbetrag für das „alte“ Netz ohne Wedel-Neu beträgt dann nur noch 218 Mio. Euro. Richtig ist zwar, dass es für das alte Heizkraftwerk Wedel einen Ersatz geben muss, aber dazu muss nicht zwingend ein GuD-Kraftwerk gebaut werden. Auch andere – kostengünstigere – Möglichkeiten kommen in Frage. Außerdem könnte die Investition dann vom neuen Eigentümer binnenfinanziert werden.