Hamburgs Klimaschutz und der Kohleausstieg: Nichts geht ohne Vattenfall

Hamburgs Klimaschutz und der Kohleausstieg: Nichts geht ohne Vattenfall

Mindestens Frank Drieschner von der Zeit ist euphorisiert, wenn er von den Plänen der grün geführten Hamburger Umwelt- und Energiebehörde schreibt. Da berichtet er schon mal über die wichtigsten „Verschwörungstheorien“ (Die Zeit, Januar 2017), die gegen die (bislang bekannten) Pläne aus dem Hause Jens Kerstan vorgebracht werden könnten. Nun versteigt er sich sogar dazu, dass aus dieser Behörde gar eine „Revolution“ angezettelt wird. Worum es geht? Hamburg hat irgendwie erkannt, dass der Einsatz von Kohle zur Verbrennung für Wärme- und Stromerzeugung nicht mehr „State of the Art“ ist. Und muss endlich was tun, um die selbst gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen. Dumm nur: Noch entscheidet die Behörde eigentlich nichts, denn Mehrheitseigentümer ist Vattenfall. (Foto: Blick auf Moorburg aus der Umweltbehörde)

Wedel soll abgeschaltet, Tiefstack auf Gas statt Kohle umgestellt werden. Das Ganze soll bis 2025 umgesetzt werden. Ersetzt werden soll vor allem Wedel mit vielen erneuerbaren Anlagen. Wie genau das gehen soll wird Senator Kerstan am Donnerstag (2.11.) dem Energienetzbeirat erklären.

Bemerkenswert ist, dass sich der Zeit-Kollege kaum die Mühe macht, sich mit den tatsächlichen Macht- bzw. Eigentumsverhältnissen auseinander zu setzen. Dann würde sich zeigen: Vattenfall würde für sein Kohle-Monster Moorburg in diesen neuen Plänen gewinnen. Soweit derzeit bekannt, würde als Folge der Planungen der Umweltbehörde das Klimakiller-Kraftwerk Moorburg mit steigenden CO2-Emissionen Wärme-Dampf im Umfang von rund 500 GWh pro Jahr an die Ölfirma Schindler liefern. Ein wichtiger Deal für Vattenfall, denn dann könnte das Unternehmen endlich die Kraft-Wärme-Kopplung-Prämien für Moorburg einkassieren. Siehe dazu auch dieses Papier der LAG Energie der Grünen (PDF).

Was Drieschner in der Zeit als Revolution einer Behörde einordnet, ist aber im Grunde nichts anderes, als die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“. Nach der vollständigen Rekommunalisierung des Strom- und Gasnetzes, steht noch die Übernahme der Fernwärme aus. Mit dem Volksentscheid haben die HamburgerInnen auch entschieden: Eine klimaverträgliche Energieversorgung muss her.

Noch aber hat es diese Rekommunalisierung der Fernwärme nicht gegeben und daher ist immer noch Vattenfall einer der großen Player in der Hamburger Fernwärme. Als Reaktion auf „Unser Hamburg – Unser Netz“ hatte sich die damals allein regierende SPD mit einem Minderheitsanteil von 25 Prozent in die drei Netzgesellschaften eingekauft (So sollte die Zustimmung zum Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ in der Vorstellung von Bürgermeister Olaf Scholz geschwächt werden – erfolglos, wie wir heute wissen).

Die Stadt Hamburg kann bislang Investitionen von Vattenfall verhindern, aber ohne deren Zustimmung nichts Gestaltendes durchsetzen. Anders gesagt: Ohne Vattenfall geht derzeit gar nichts. Das gilt nicht nur direkt bei Hamburg Wärme, wie das gemeinsame Unternehmen mit der Stadt heißt. Sondern z.B. auch bei der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR), die zu 55 Prozent Vattenfall (und zu 45 Prozent der Hamburger Stadtreinigung) gehört. Die MVR spielt heute in der Fernwärmeversorgung eine wichtige Rolle. Außerdem ist da noch neben dem maroden Kraftwerk in Wedel das Heizkraftwerk in Tiefstack, dessen (Kohle-)Wärme ebenfalls ins Fernwärmenetz eingespeist wird. Fast die Hälfte der Hamburger Fernwärme stammt laut Vattenfall aus Tiefstack.

  • Die Übernahme der Fernwärme von Vattenfall kann nach dem Volksentscheid per Kaufoption zu 2019 erfolgen. Das entsprechende Verfahren zum Rückkauf ist gerade angelaufen. Hinter vorgehaltener Hand wird derzeit aber darüber „gemunkelt“, dass der Senat möglicherweise eine Verschiebung des Rückkaufs anstreben könnte. Dem widerspricht allerdings ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen, in dem der Rückkauf klar vorgesehen ist. Siehe dazu: Unser Hamburg – Unser Netz: Senat rekommunalisiert Fernwärmeversorgung

Klar ist daher: Wenn Vattenfall keine Vorteile aus einem solchen Deal zieht, kann die Umweltbehörde derzeit eigentlich kaum etwas tun. Daher ist die Frage „was nützt es dem Klima“ und „was nützt es Vattenfall“ immer gemeinsam zu beantworten!

Neben dem direkten Vorteil für Vattenfall sehen Klima-Schutz-Verbände und -Initiativen in einer wichtigen weiteren Komponente der bisher bekannten Planungen ein gravierendes Risiko: Die Umweltbehörde will im Süden der Stadt erneuerbare Anlagen installieren, deren Wärme aber im Nordwesten gebraucht wird. Daher soll eine Wärme-Leitung unter der Elbe gebaut werden. Sie soll von der mehrheitlich Vattenfall gehörenden MVR unter der Elbe über Othmarschen nach Bahrenfeld gebaut werden.

  • Vattenfall hatte ehemals vor, die Müllverbrennungsanlagen komplett zu verkaufen. So ist die Anlage in der Borsigstraße inzwischen auch bei der Stadtreinigung. Einen Verkauf der MVR hatte Vattenfall dann aber nicht weiter verfolgt. Als Grund dafür gilt die strategische Rolle dieser Anlage im Fernwärmenetz, mit der Vattenfall im Poker um die künftige Wärmeversorgung und Moorburg eine starke Stimme behält!

Solange sie für erneuerbare Energie genützt würde, mag das auf den ersten Blick in Ordnung gehen. Doch die Verbände und Initiativen kritisieren diese „Moorburg-Trasse 2.0“ heftig. Sie kritisieren nicht nur, sie haben auch fundierte Alternativen benannt, um den Anteil der Erneuerbaren in der Wärmeversorgung zu erhöhen und dennoch auf diese „Moorburg-Trasse 2.0“ zu verzichten. (Siehe Hamburger Energietisch und hier und hier der BUND Hamburg, außerdem oben das Papier der LAG Energie der Grünen, siehe auch diesen Artikel in der Taz Nord: „Umweltsenator contra Vattenfall – Heizen ohne Kohle„.)

Der Grund für die massive Kritik: In Verbindung mit der Leitung von Moorburg zu Schindler und der neuen Leitung unter der Elbe durch, würde bei der MVR technisch die Möglichkeit errichtet, auch Moorburg in die Fernwärme einzubinden. Das wollen der Grüne Senator und seine Partei nicht und würde auch dem derzeitigen Koalitionsvertrag widersprechen. Aber andere politische Mehrheiten könnten das ab 2020 ganz anders bewerten und die technischen Möglichkeiten nutzen. FDP und CDU haben immer wieder den Anschluss von Moorburg als Ersatz für Wedel gefordert und auch bei der Hamburger SPD-Spitze hat Vattenfall irgendwie mehr Freunde als der Klimaschutz!

Wie so oft, steckt der Teufel eben im Detail oder um es mit einer anderen Volksweisheit zu sagen: Es ist nicht alles CO2-frei, was behauptet wird.

Dirk Seifert

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