Demontage im Dialog: Keine Full-System Dekontamination in Geesthacht

Demontage im Dialog: Keine Full-System Dekontamination in Geesthacht

Seit fast sechs Jahren wird in Geesthacht die Stilllegung der ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS geplant. Eine Begleitgruppe hat sich mit dem heutigen Betreiber, dem Helmholtz-Zentrum (HZG) auf Regeln für einen solchen Dialog auf Augenhöhe verständigt, der den ehrenamtlich Aktiven auch eine unabhängige gutachterliche Beratung zur Seite stellt und damit die Möglichkeit für eigenständige technische Klärungen gibt. Nach Atomrecht ist so eine direkte Form der Bürgerbeteiligung nicht vorgesehen. Dennoch hat sich auch für den Betreiber gezeigt, dass diese Form qualitative Verbesserungen für den Stilllegungs- und Rückbauprozess leistet. Vermutlich im nächsten Jahr wird mit der entsprechenden Genehmigung gerechnet. In einem gemeinsamen Newsletter informiert der Dialog-Prozess zuletzt über die Prüfung einer Dekontaminierungsmaßnahme, die der Gutachter Wolfgang Neumann (Intac) bewertet hat.

Dokumentation: Newsletter „HZG im Dialog“ der Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem. GKSS)“ und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) – Oktober 2018

Seit rund sechs Jahren diskutieren interessierte BürgerInnen im HZG-Dialog mit dem Betreiber über den geplanten Rückbau der Atomforschungsanlagen. Das Atomrecht sieht derartige Mitbestimmungsformate nicht vor. Um auch im rechtlichen Beteiligungsverfahren formal gehört zu werden, musste die Begleitgruppe eine Einwendung erheben.

Bereits im Rahmen des Erörterungstermins am 23. März 2017 haben VertreterInnen der Begleitgruppe deutlich gemacht, dass man über die Einwendungen auch im HZG-Dialog weiter diskutieren wolle und zuversichtlich sei, zumindest für einzelne Themen eine Lösung zu finden.

Für eine Forderung ist dies nun geschehen. Die Begleitgruppe hat sich an die Genehmigungsbehörde, das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung (MELUND) in Kiel gewandt, und einen Detail ihrer Einwendung zurückgezogen. Ein absolutes Novum nicht nur im Konflikt um die Atomenergie.

Worum ging es hier konkret? Im Rahmen der Stilllegung plant das HZG auch die Zerlegung des Reaktordruckbehälters (RDB) des ehemaligen Atomfrachters Otto Hahn. Dieser befindet sich seit 1982 gesichert in einem Betonschacht auf dem Forschungsgelände in Geesthacht.

Beim Rückbau von Leistungsreaktoren wird häufig im ersten Schritt eine sogenannte Full-System Dekontamination (FSD) durchgeführt. Dabei werden die Systeme und Rohrleitungen des Reaktors im ursprünglichen Betriebszustand mit einem chemischen Gemisch durchspült, das den wesentlichen Teil der Kontaminationen löst und bindet. Damit werden sowohl die Strahlenbelastung derjenigen minimiert, die die eigentlichen Zerlegearbeiten durchführen, als auch die Auswirkungen eines Unfalls beim Zerlegen reduziert.

In den ursprünglichen Plänen des Betreibers war ein FSD nicht vorgesehen. Daher erhoben die Mitglieder der Begleitgruppe im Rahmen der Erörterung die Einwendung: „Ergänzend sollte geprüft werden, ob der Einsatz einer Full-System-Dekontamination technisch umsetzbar ist.“

Im Nachgang des Erörterungstermins hat das HZG diese Forderung aufgegriffen und eine Prüfung durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass alle derzeit zur Verfügung stehenden FSD-Verfahren mit hohen Drücken arbeiten. Da der RDB der Otto Hahn bereits seit über dreißig Jahren nicht mehr in Betrieb ist, lässt sich nicht sicher vorhersagen, ob alle Bauteile der Druckbelastung standhalten würden. Diese Einschätzung wurde von dem von der Begleitgruppe hinzugezogenen unabhängigen Sachverständigen Wolfgang Neumann bestätigt.

https://www.hzg.de/imperia/md/content/hzg/presse/d/2018/deko_rdbms_ns_otto_hahn_end.pdf

Auch eine anschließende Prüfung, ob eine leichte Modifikation der Verfahren eine Anpassung an die besonderen Bedingungen des RDB der Otto Hahn möglich machen würde, verlief negativ.

Damit ist auch aus Sicht der Begleitgruppe hinreichend geprüft, dass der Einsatz eines FSD-Verfahrens für diesen spezifischen Fall nicht infrage kommt. Die Rücknahme der Einwendung ist damit folgerichtig.

Aus Sicht aller Beteiligten am HZG-Dialog ist die kontroverse Diskussion damit zu einem befriedigenden Ende gebracht. Darin zeigt sich die Stärke des konsensorientierten Prozesses, der eine Auseinandersetzung in der Sache möglich macht, fernab der den Konfliktlinien des rechtlichen Beteiligungsverfahrens.

Zur Website: HZG im Dialog
https://www.hzg.de/public_relations_media/hzg_im_dialog/index.php.de

Dirk Seifert