Vattenfalls Kohle-Monster Moorburg am Ende – Konzern will abschalten

Vattenfalls Kohle-Monster Moorburg am Ende – Konzern will abschalten

Vattenfalls Ausstieg aus dem Kohle-Klimakiller-Kraftwerk Moorburg kommt möglicherweise schneller als der rot-grüne Senat und auch viele Umweltaktive in Hamburg es sich vorgestellt haben. Der Konzern bewirbt sich bei einer „Ausstiegs-Auktion“ der Bundesregierung. Die Hoffnung: Noch einmal 260 Millionen Euro auf Kosten der Steuerzahler*innen einfahren. Am „Markt“ ist der Kohlestrom aus Moorburg nichts mehr wert. Insgesamt hat Vattenfall mit dem 1.600 MW Kohlemonster runde zwei Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Im Dezember fällt die Entscheidung der Bundesregierung. Mitte 2021, so Vattenfall, könnte das Kraftwerk dann abgeschaltet werden. Die Belegschaft ist bereits über die Pläne informiert. Aber auch ohne die Steuergeld-Mitnahme könnte angesichts der Verluste das Kraftwerk abgeschaltet werden. Der Senat hatte jüngst noch Umbaupläne auf Gasfeuerung und für Wasserstofferzeugung mit der Moorburg-Edel-Ruine ins Spiel gebracht und dafür sogar eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht in Hamburg einer Klage des BUND stattgegeben, mit der die Elbe geschützt und die Stromerzeugung in Moorburg verteuert wurde. Über die Ankündigungen von Vattenfall siehe hier die Süddeutsche, hier und hier und hier die Linksfraktion.

Schon zum Baubeginn in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre hatten Kritiker Vattenfall gewarnt, dass ein Kohlekraftwerk mit 1.600 MW nicht mehr in die Zeit passt und ein wirtschaftliches Desaster drohe. Der BUND Hamburg hatte dazu sogar eine eigene Studie vorgelegt (siehe hier als PDF). Die Energiewende auf Basis von Wind und Sonne war bereits auf dem Weg und entwickelte sich äußerst progressiv. Der Versuch, die Erneuerbaren durch eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke und eine stattliche Zahl von Kohlekraftwerks-Neubauten auszubremsen, scheiterte Anfang der 2010er Jahre nicht nur durch Fukushima. Innerhalb enorm kurzer Zeit konnten die Erneuerbaren Energien mit den entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht nur Arbeitsplätze in großer Zahl schaffen, sondern auch einen enormen Preis-Rückgang.

  • Vattenfalls Klimakiller Moorburg muss weg!
  • Zur Rolle des BUND in dem „Moorburg-Streit“ berichtet die taz-Hamburg in diesem Artikel.
  • Zu wenig beleuchtet ist in Sachen „Moorburg-Streit“ auch die damit in Zusammenhang stehende Klage vor einem Internationalen Schieds“gericht“ in Washington. Ein „Kompromiss“ zwischen der Bundesrepublik und Vattenfall wurde ausgehandelt, Geheimhaltung vereinbart. Hamburg wurde „angewiesen“, den geheimen Kompromiss für das Kohlekraftwerk in Moorburg zu genehmigen. Eine Klage des BUND verhinderte offenbar, dass einige der darin enthaltenen Regelungen umgesetzt werden konnten. Bis heute aber ist unbekannt, was genau die Hintergründe in diesem Zusammenhang waren (…oder jemand informiert mich genauer? Siehe Kontakt).

Für Vattenfall ging mit Moorburg ziemlich alles schief, was schief gehen konnte: Nach der Genehmigung durch einen schwarz-grünen Senat verzögerte sich der Bau um Jahre. Der Stahl für die Brennkessel hatte erhebliche Mängel. Außerdem wurden große Baukomponenten falsch eingebaut. Der Plan, Moorburg für die Fernwärmeversorgung einzusetzen, scheiterte. Die grüne Umweltbehörde hatte bei den Planungen für die notwenigen Rohrleitungen von Moorburg unter der Elbe hindurch durch den Gählerpark bis zu einer Anschlussstelle in Altona die Öffentlichkeitsbeteiligung „vergessen“. Eine Klage des BUND Hamburg nach Protest- und Besetzungsaktionen im Gählerpark führte zur Aufhebung der Genehmigung durch ein Gericht. Eine weitere schwere Schlappe für Vattenfall.

Kurz danach verliert Vattenfall im Rahmen der Auseinandersetzungen um den Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ auch noch das Eigentum an der Fernwärmeversorgung und am Stromnetz in Hamburg. SPD und Vattenfall hatten massiv gegen den Volksentscheid zur Rekommunalisierung getrommelt.

Der BUND sorgte mit weiteren Klagen dafür, dass Moorburg aus den Problemen nicht herauskam. Statt einfach und billig Kühlwasser aus der Elbe für das Kohlekraftwerk nutzen zu können – wie Vattenfall es geplant hatte, setzte eine BUND-Klage im Eilverfahren durch, dass ein Hybrid-Kühlturm errichtet werden musste, der die Wasserentnahme deutlich reduzierte – aber auf Kosten der Wirtschaftlichkeit von Moorburg ging. Erst Anfang September hatte das OVG Hamburg nach einem Jahre andauernden Streit bis zum Bundesverwaltungsgericht das Urteil einerseits bestätigt. Erst in Verbindung mit einem vermutlich wiederum Jahre dauernden Genehmigungsprozess hätte Vattenfall nach dem Urteil eine geringe Chance gehabt, doch noch die billigere Elbkühlung durchzusetzen.

Doch in Vattenfalls Chefetagen hatte man wohl schon vorher aufgegeben. Nicht zuletzt lagen beide Moorburg-Blöcke mangels Bedarf bereits seit Mai komplett still und auch auf lange Sicht war kein Land in Sicht. Nicht einmal der Umstand, dass Ende 2021 das 1.400 MW Atomkraftwerk Brokdorf vom Netz geht, konnte Moorburg wieder in die Gewinnzone für Vattenfall rücken.

Der BUND nimmt mit dieser PM Stellung zur Ankündigung von Vattenfall:

Abschaltung von Moorburg ist überfällig

04. September 2020 | Kohlekraftwerk Moorburg

Zwei Tage nachdem der Konzern eine Schlappe vor Gericht hinnehmen musste, will Vattenfall das Kohletraftwerk Moorburg nun gegen Entschädigung stilllegen. Die Entscheidung zeigt, dass die Kohleverbrennung ohne massive Umweltzerstörung nicht wirtschaftlich zu betreiben ist.

Der Hamburger Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt sich wenig überrascht über die heutige Ankündigung Vattenfalls, seinen Kohlemeiler in Moorburg stilllegen zu wollen und sich an der entsprechenden Ausschreibung nach dem Kohleausstiegsgesetz zu beteiligen. Die Entscheidung darüber wird Anfang Dezember erwartet.

„Die Abschaltung von Norddeutschlands größtem Klimakiller ist überfällig. Vattenfall hat mit diesem Projekt bereits Milliardenverluste eingefahren und auch der laufende Betrieb ist wirtschaftlich nicht darstellbar. Die Entscheidung, das Kraftwerk vom Netz zu nehmen kommt daher – zwei Tage nachdem Vattenfall erneut eine herbe Schlappe vor Gericht erlitten hat – kaum überraschend. Sie zeigt, dass das Kraftwerk nur unter Inkaufnahme enormer Umweltschäden wirtschaftlich zu betreiben ist“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

Erst am Dienstag dieser Woche hat das Hamburger Oberverwaltungsgericht geurteilt, dass die Wasserrechtliche Erlaubnis aus dem Jahr 2010 gegen geltendes Recht verstößt und das Kraftwerk weiterhin nicht mit großen Mengen Elbwasser gekühlt werden darf, sondern den kostenintensiveren Kühlturm ganzjährig nutzen muss.

Bereits im Januar 2010 hatte sich BUND vor dem Hamburger Verwaltungsgericht gegen Vattenfall durchgesetzt und die damals geplante Fernwärmetrasse vom Kraftwerk Moorburg nach Altona verhindert. Mit dieser Wärmeleitung hätten nicht nur hunderte Bäume in den Altonaer Parks gefällt werden müssen. Der Anschluss von Moorburg hätte auch bedeutet, dass die klimaschädliche Kohlefeuerung in der Hamburger Fernwärmeversorgung für Jahrzehnte festgeschrieben worden wäre. Gut drei Jahre später erwirkte der BUND Hamburg im Herbst 2013 per Volksentscheid, dass die lukrativen Versorgungsnetze von Strom, Gas und Fernwärme, die zu großen Teilen im Besitz Vattenfalls waren, in die Öffentliche Hand zurückgeführt werden mussten.

Der jetzt von Vattenfall beabsichtigte Antrag auf eine Stilllegungsprämie nach dem Kohleausstiegsgesetz macht aus Sicht des BUND nochmals deutlich, dass Vattenfall beim Kraftwerk Moorburg das Wasser finanziell bis zum Hals steht. Nach ersten Berechnungen des Umweltverbands läge die Entschädigungssumme bei maximal rund 260 Millionen Euro, die das Unternehmen kassieren könnte.

„Wenn die Bundesnetzagentur diesem Modell, das vorrangig für ältere Steinkohle-kraftwerke gedacht ist, zustimmt, geht die Rechnung für die Abschaltung von Moorburg und damit für den Klimaschutz wieder einmal an die Steuerzahler*innen und nicht an den Vattenfall-Konzern, der das wirtschaftliche Desaster zu verantworten hat. Auf keinen Fall darf es weitere Entschädigungen von Seiten der Stadt Hamburg geben, wenn der Standort Moorburg einer anderen Nutzung zugeführt werden soll“, so Manfred Braasch.

 

Dirk Seifert