Hamburg: Fernwärme ohne Kohle – Energienetzbeirat zum Fünften

Hamburg: Fernwärme ohne Kohle – Energienetzbeirat zum Fünften

Wie geht Fernwärme-Versorgung in Hamburg ohne Kohle und mit mehr Klimaschutz? Auch auf der fünften Sitzung des Hamburger Energienetzbeirats am 19. Januar war dies eines der wichtigsten Themen. Eine Entscheidung, wie der Ersatz des klima- und umweltschädlichen Heizkraftwerks in Wedel erfolgen soll, ist inzwischen auf Ende 2017 verschoben. Derzeit läuft eine Sanierung der Altanlage mit Investitionen von 83 Millionen Euro, um die Anlage „bis zunächst 2021“ – wie Vattenfall-Chef Wasmuth sagte – den rechtlichen Anforderungen anzupassen. Auf seiner Sitzung im Dezember hatte es bei Vattenfall Hamburg Wärme, an der die Stadt Hamburg mit 25 Prozent beteiligt ist, die Übereinkunft gegeben, zunächst die möglichen Optionen weiter zu untersuchen. Dafür sind 5,5 Millionen Euro bereit gestellt worden. Auf der Beirats-Sitzung am Donnerstag wurde einerseits über die Umweltbelastungen durch den wiederkehrenden Partikelausstoß des HKW Wedel gesprochen. Außerdem stellte das Hamburg Institut seine Potenzialstudie vor. Außerdem beschloss der Energienetzbeirat einen Antrag, den Frauke Kohrs vom BUND (PDF) eingebracht hatte und der die Forderung gegenüber der Behörde erhebt, endlich die Klimaverträglichkeit der verschiedenen Szenarien quantitativ und vollständig zu ermitteln. Denn obwohl darüber immer wieder geredet wird, gibt es faktisch darüber keine Klarheit. (AutorInnen dieses Beitrags: Frauke Kohrs, Dirk Seifert)

Der Energienetzbeirat ist als Instrument zur Demokratisierung der Hamburger Energiepolitik nach dem Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ entstanden. An ihm sind Vertreter aus Unternehmen, Wissenschaft, Behörden und NGOs beteiligt.

Dass es mit dem Einüben demokratischer Beteiligungsformate noch ein Stück Weg ist, zeigte sich auch auf der letzten Sitzung. Eine vorab verschickte Stellungnahme (PDF) zu den in der Debatte befindlichen HIC-Wärme-Alternativen, verfasst von dem stellvertretenden Beirats-Mitglied Prof. Dr. Dietrich Rabenstein, wurde in der Umwelt- und Energiebehörde noch nicht einmal gelesen. Dialog geht ganz sicher anders.

Mit Blick auf die Umweltbelastungen des HKW Wedel kam der Beirat über eine kontroverse Sachdarstellung nicht hinaus. Seit Monaten sind die AnwohnerInnen immer wieder von einem Parikelausstoß betroffen (siehe auch Hamburger Abendblatt und hier). Während Betreiber und die in Kiel zuständige (grüne) Aufsichtsbehörde LLUR keinerlei gesundheitliche Risiken feststellen, hat die örtliche Initiative bei dem Hamburger Gutachter ÖKOPOL eine Bewertung vornehmen lassen (hier als PDF). Christian Tebert widersprach dieser Behörden-Darstellung und sprach von einer möglichen gesundheitlichen Gefährdung, insbesondere für Kinder. Zu hohe Werte bei Chrom und Nickel und das Erreichen des Grenzwerts bei Arsen sowie ein sehr niedriger PH-Wert (1,6) führte Tebert an und verwies darauf, dass vor allem bei oraler Aufnahme Verätzungen möglich wären. Dies könne besonders leicht bei Kindern passieren. Außerdem gäbe es in Wedel keine Schweb- und Feinstaubmessungen.

In Sachen Wedel-Alternativen stellte das Hamburg Institut seine Vorschläge im Auftrag der Umweltbehörde vor. Dabei schlägt das HIC mehrere Projekte vor, die als besonders CO2-Frei angepriesen und im südlichen Bereich der Elbe realisiert werden könnten. Unter anderem Betrachtungen zu den Kosten  des Gesamt-Systems für den Wedelersatz gibt es nur in ersten Ansätzen.

Im Zentrum dieser Überlegungen wäre eine Verbindung für die Wärme in das nord-westliche Fernwärmenetz erforderlich. Diese neue Trasse, deren Kosten bislang ebenfalls nicht klar sind und eher als „Richtwert“ derzeit mit etwa 125 Mio. Euro beziffert werden, ist Hintergrund auch für eine Kontroverse. Eine solche neue Trasse, so die Befürchtung vor allem auf Seiten der NGOs, könnte unter entsprechenden Rahmenbedingungen auch dazu führen, dass das Kohle-Kraftwerk in Moorburg Zugang zum Fernwärme-Netz erhalten könnte. Eine Variante, die der Hamburger Energietisch und auch der BUND Hamburg strikt ablehnen. „Keine Hintertür für Fernwärme aus Moorburg„, erklärte jüngst der BUND dazu (siehe vollständig unten).

Insgesamt hat sich in der Behörden-Debatte eine Sicht verfestigt, die dieser sogenannten Süd-Variante einen Vorteil einräumt, weil auf den ersten Blick mehr CO2-freie Anlagen realisiert werden könnten. Ob diese allerdings tatsächlich realisierbar sind, zu welchen Preisen und nicht zuletzt auch bis wann, ist derzeit noch weitgehend offen. Hinzu kommt, dass damit Wärme aus der Müllverbrennung in die Versorgung eingebunden würde, was unter ökologischen Gesichtspunkten nicht ohne weiteres sinnvoll sein muss.

Weitere Gutachten sowohl vom HIC als auch von der Berliner LBD-Beratungsgesellschaft stehen noch aus und werden sicherlich für weitere Diskussionen sorgen.

Dokumentation BUND PM vom 13. Dezember 2016: Keine Hintertür für Kohlewärme aus Moorburg

Die heute verkündete Freigabe von Planungsmitteln für die Einbindung innovativer erneuerbarer Anlagen in das Fernwärmenetz wertet der BUND Hamburg als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Auch das Bekenntnis zu einer „Wärmewende“ im Rahmen der Abschaltung des Kohlekraftwerks Wedel findet die Zustimmung des BUND.

„Wir freuen uns über die klare Aussage von Umweltsenator Kerstan, dass das Kohlekraftwerk Moorburg in den künftigen Wärmeszenarien Hamburgs keine Rolle spielen soll“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg. „Wir werden den Umweltsenator beim Wort nehmen und fordern auch Bürgermeister Olaf Scholz auf, sich öffentlich zur Energiewende in der Wärmeversorgung zu bekennen. Das bedeutet insbesondere, einen Anschluss des Kraftwerks Moorburg an das Fernwärmenetz kategorisch auszuschließen“, so Braasch.

Dies sei von besonderer Bedeutung, da in dem derzeit favorisierten „Szenario-Süd“ die Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm (MVR) eine zentrale Rolle spielt. Diese Anlage gehört zu 55 Prozent dem Unternehmen Vattenfall, das gleichzeitig Eigentümer des Kohlekraftwerks Moorburg ist. Die Nutzung von Wärme aus Kohle würde aber den klimapolitisch notwendigen Kohleausstieg bis 2030 konterkarieren.

Bis zur endgültigen Entscheidung über die beste Lösung in der Wärmeversorgung müsse die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) eine vergleichende CO2-Bilanz der diskutierten Szenarien vorlegen sowie alle aktuellen Gutachten öffentlich zugänglich machen.

Dirk Seifert

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