Endlagersuche im Umweltausschuss Deutscher Bundestag: Von Mängeln, Verbesserungen und mehr Öffentlichkeitsbeteiligung
In seiner letzten Sitzung in dieser Legislatur hat der Umweltausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung mit dem Nationalen Begleitgremium (NBG) bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll durchgeführt. Das NBG hatte zu der Sitzung eine Stellungnahme mit acht Forderungen bzw. Empfehlungen an den Bundestag vorgelegt. Zuvor hatte das NBG zur laufenden Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlagersuche in einer Meldung kritisiert:
- Hier auf der Seite des Bundestages die Ankündigung der Anhörung und die Stellungnahme des NBG. Die Stellungnahme des NBG auch hier direkt (PDF). Das Video der Sitzung wird hier in der Mediathek des Bundestags bereit gestellt. Dort auch eine schriftliche Zusammenfassung aus Sicht der Autor:innen der Bundestagsseite.
- Teilgebietekonferenz Atommüll-Endlagersuche: Technische Pannen, Schacht Konrad und Forderungen nach mehr Beteiligung
- Endlagersuche abgestürzt – Technisches Versagen
Im August endet die erste Stufe der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlagersuche. Dann geht die sogenannte Teilgebietekonferenz zu Ende. Vier Wochen danach gibt es noch einen Abschlussbericht. Danach folgt dann nach derzeitigem Gesetzesstand über mehrere Jahre eine Phase, in der eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgesehen ist. Dann aber werden die entscheidenden Weichen gestellt. Die zuständigen Behörden und die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) werden von den derzeit rund 54 Prozent der möglicherweise geeigneten Flächen in Deutschland die wenigen Standorte festlegen, die dann in einer oberirdischen Erkundung intensiv für die Lagerung hochradioaktiver Abfälle abgeprüft werden. Ob dabei alles korrekt verläuft oder aber z.B. die Bayern dafür sorgen, dass es kein Endlager in ihrem selbst für ungeeignet erklärten Bundesland gibt? Bislang ist das für die Öffentlichkeit nach dem StandAG nicht überprüfbar.
Die Behörden bieten gern unverbindliche Informationsveranstaltungen an, aber konkrete formelle Verabredungen werden bislang vermieden. Deshalb hatte die letzte Konferenz von der zuständigen Bundesbehörde BaSE gefordert, bis Mitte Juli – rechtzeitig vor der letzten Teilgebietekonferenz im August – ein Konzept für die weitere Öffentlichkeitsbeteiligung vorzulegen und dazu Mindestanforderungen aufgestellt. Auch der BUND nahm heute noch einmal dazu Stellung (siehe unten) und forderte vom BaSE, die Frist zu beachten.
In den Fokus gerät in den letzten Monaten auch immer mehr die Frage, was eigentlich mit den leicht- und mittelradioaktiven Abfällen passieren soll. Rund 300.000 Kubikmeter von diesem Abfall sollen in Schacht Konrad endgelagert werden. Dessen Fertigstellung aber verzögert sich immer mehr. Deshalb hat die Bundesregierung in aller Eile und quasi in einer Nacht- und Nebelaktion eine bundesweites „Bereitstellungslager“ in Würgassen aus dem Hut gezaubert. Ohne jede Beteiligung! Der Widerstand dort ist massiv und das Verfahren das absolute Gegenteil von dem, was bei der Suche für ein Endlager für HOCHradioaktive Abfälle angeblich Norm sein soll. Natürlich weckt das ohnehin vorhandene Zweifel.
Gleichzeitig werden aus der Not, dass Konrad nicht wie geplant längst zur Verfügung steht, an den AKW-Standorten neue Zwischenlager für derartige Abfälle nachgerüstet. Gar keine Lösung existiert für möglicherweise anfallende weitere schätzungsweise 300.000 Kubikmeter leicht- und mittelaktive Abfälle, die aus der Rückholung im havarierten „Endlager“ ASSE II und der Urananreicherung in Gronau resultieren können. Diese Abfälle, so sagt es das Standortauswahlgesetz für die hochradiokativen Abfälle, können – sollte an dem zu findenden Ort für diese Abfälle noch Platz sein, dann vielleicht auch dort noch verbuddelt werden. Ist das nicht möglich, fehlt ein drittes Endlager.
Es könnte aber noch schlimmer kommen: Auch der Schacht Konrad könnte noch scheitern, denn auch dort hat es nie einen wissenschaftsbasierten Vergleich mit anderen Standorten gegeben. Selbst Bundesbehörden räumten ein, dass ein solcher Standort heute nicht mehr in Frage käme. Umweltverbände, Kommunen und Gewerkschaften haben jüngst erneut gefordert, die Genehmigung aufzuheben und Klage angedroht. Sollte es zu einer gerichtlichen Prüfung kommen, stünden die Chancen für eine Aufhebung der Genehmigung nicht schlecht. Deshalb fordern nicht nur Atomgegner:innen, sondern auch das NBG, dass über die bestehenden Unsicherheit mit Blick auf die leicht- und mittelradioaktiven Abfälle auch bei der laufenden Suche mehr gearbeitet werden muss und die Behörden schon jetzt auch prüfen, wie es um Alternativen steht.
Das NBG hat zur Anhörung heute eine Pressemeldung veröffentlicht, die ebenfalls unten dokumentiert ist.
Dokumentation: BUND-Kommentar vom 23. Juni 2021
Atommülllager: Suche kann nur unter Beteiligung der Öffentlichkeit gelingen
Heute informiert sich der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Bundestages in einer öffentlichen Anhörung über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle. Dazu erklärt Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Die konsequente Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein Grundpfeiler der Atommülllagersuche und eine Voraussetzung für dessen Gelingen. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) wurde von der Fachkonferenz Teilgebiete – und damit von einer breiten Öffentlichkeit – aufgefordert, bis Mitte Juli einen Plan für eine weitere kontinuierliche, institutionalisierte und wirkmächtige Beteiligung vorzulegen. Es wäre ein wichtiges Signal, wenn auch der Umweltausschuss des Bundestages diesen Beschluss der Fachkonferenz Teilgebiete unterstützen würde.
Gemäß den Empfehlungen des Nationalen Begleitgremiums besteht der BUND darauf, bei der Endlagersuche auch schwach- und mittelradioaktive Abfälle in den Blick zu nehmen. Dies umfasst die beträchtlichen Mengen radioaktiven Materials, für die bislang überhaupt noch keine Endlagerung geplant ist. Zusätzlich muss aber auch der Müll betrachtet werden, der aktuell in das ungeeignete Bergwerk Schacht Konrad eigelagert werden soll. Hier muss die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nachbessern und dafür sorgen, dass auch wirklich alles radioaktive Material endgelagert wird.“
Mehr Informationen:
BUND-Überblicksseite zur Atomenergie: www.bund.net/atomkraft
Berlin, 23. Juni 2021
Dokumenation Nationales Begleitgremium – Pressemitteilung Nr.: 19/2021
Standortsuche für Atommüll
Nationales Begleitgremium stellt dem Bundestagsausschuss für Umwelt seine Empfehlungen vor
Das Nationale Begleitgremium (NBG) hat sich seit Beginn seiner Tätigkeit für eine kontinuierliche substanzielle Beteiligung der Öffentlichkeit ausgesprochen. Der am 28. September 2020 von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) veröffentlichte Zwischenbericht weist rund 54 Prozent der Fläche Deutschlands als Teilgebiete aus, die somit deutlich größer als erwartet sind. Dadurch ist eine Betroffenheit der Bürger*innen bisher kaum entstanden. Die breite Öffentlichkeit wurde durch die vergangenen Beteiligungsformate bisher auch nur unzureichend erreicht. Zu diesen und anderen Fragen hat das NBG Empfehlungen an den Deutschen Bundestag formuliert, die am 23.6.2021 im Bundestagsausschuss für Umwelt vorgestellt worden sind.
Die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle stand am Mittwoch, den 23.6.2021 im Mittelpunkt der Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages, der auch für Fragen zur nuklearen Sicherheit zuständig ist.
Hier stellten sechs NBG-Mitglieder den Mitgliedern des Umweltausschusses die NBG-Empfehlungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren vor.
„Kontinuierliche substanzielle Öffentlichkeitsbeteiligung festlegen!“
Das unerwartete Ergebnis des Zwischenberichts Teilgebiete verdeutlicht, dass eine Fortentwicklung der im Standortauswahlgesetz (StandAG) verbrieften Beteiligungsformate zwingend erforderlich ist. Die Eingrenzung der Teilgebiete muss, anders als bisher, transparent und mit Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgen. Arbeitsfähige Dialogformate sowie assoziierte Strukturen sind in Kooperation zwischen Zivilgesellschaft (Teilnehmer*innen der Fachkonferenz Teilgebiete) und dem Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung, das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), in Absprache mit dem Vorhabenträger BGE zu entwickeln.
Das NBG empfiehlt dem Deutschen Bundestag, eine kontinuierliche substanzielle Öffentlichkeitsbeteiligung für den Verfahrensschritt 2 der Phase 1 festzulegen. Das NBG appelliert an den Deutschen Bundestag und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), die Beteiligung ebenso wie die Berücksichtigung der Beratungsergebnisse zwecks Verbindlichkeit gesetzlich oder untergesetzlich zu verankern. Die Fachkonferenz Teilgebiete hat bei ihrem 2. Beratungstermin gefordert, dass das BASE eine Skizze für ein Beteiligungsformat bis Mitte Juli 2021 vorlegt. Das NBG hält dies für sinnvoll, damit dieser Vorschlag beim 3. Beratungstermin diskutiert und in den Bericht zur Fachkonferenz Teilgebiete aufgenommen werden kann.
„Eine Strategie zur Beteiligung der jungen Generation entwickeln!“
Eine weitere Empfehlung des NBG lautet, dass das BASE eine Strategie zur Beteiligung der jungen Generation entwickelt. Trotz der allseits betonten Bedeutung, junge Menschen für das Standortauswahlverfahren zu interessieren und ihnen eine Beteiligung zu ermöglichen, sind bisherige Ansätze nur punktuell und zu wenig wirksam. Notwendig ist eine langfristige Strategie. Dabei müssen zielgruppenorientierte Beteiligungsformate entwickelt werden. Dies muss zwingend unter Mitarbeit von jungen Menschen geschehen. Zudem müssen Bildungs- und Ausbildungsstätten sowie gesellschaftliche Organisationen in den Prozess einbezogen werden. Im Interesse eines generationenübergreifenden Konsenses darf die Beteiligung der jungen Generation keine freiwillige, sondern muss eine verpflichtende Aufgabe für den Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung sein.
„Zusammenwirken der Bundesgesellschaft für Endlagerung und der Staatlichen Geologischen Dienste der Länder eindeutig definieren“
Das NBG riet dem Deutschen Bundestag zudem, das Zusammenwirken der Bundesgesellschaft für Endlagerung und der Staatlichen Geologischen Dienste (SGD) eindeutig zu klären, mit dem Ziel, die Zusammenarbeit weiter zu verbessern und die Expertise der SGD in die Standortauswahl einzubinden. Das NBG setzt sich weiterhin konsequent für die öffentliche Bereitstellung aller relevanten geologischen Daten ein, da nur ein transparentes Verfahren Vertrauen ermöglichen kann.
Vollständige NBG-Empfehlungen
Diese und weitere Empfehlungen hat das NBG in einem Papier zusammengefasst, das auf der NBG-Website zum Download angeboten wird: https://t1p.de/kvx1
Ein Gedanke zu “Endlagersuche im Umweltausschuss Deutscher Bundestag: Von Mängeln, Verbesserungen und mehr Öffentlichkeitsbeteiligung”
Kommentare sind deaktiviert.