Atommüll-Endlagerung ohne Schacht Konrad – Kommt das Aus?

Dass es erhebliche Probleme mit dem geplanten Endlager für leicht- und mittel radioaktive Abfälle im Schacht Konrad in Salzgitter gibt, ist schon lange offenkundig. Immer wieder kam es beim unterirdischen Ausbau zu erheblichen Verzögerungen und zu immensen Kostensteigerungen. Höhepunkt des Desasters könnte nun das „gehobene Wasserrecht“ werden: Die dort für die Einlagerung von Atommüll in Konrad rechtlich verbindlich vorgeschrieben Werte können nicht eingehalten werden. Darüber hatte umweltFAIRaendern mit Hinweis auf eine Stellungnahme und Vorschläge der Entsorgungskommission (ESK) der Bundesregierung berichtet. Auch die AG Schacht Konrad reagierte. Jetzt verdichten sich die Hinweise, dass eines der nächsten Mega-Atommüll-Projekte scheitern könnte, wie die Tagesschau berichtet. In jedem Fall wird es zu weiteren Verzögerungen kommen, die zu erheblichen Schwierigkeiten an den vielen Rück-Baustandorten führen.
Update: Auch die für den Ausbau und Betrieb am Schacht Konrad zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung hat gestern auf die Medienberichte reagiert und diese PM veröffentlicht. Siehe auch unten als Dokumentation.
- Bereits im November 2024 hatte umweltFAIRaendern berichtet: Kein Atommüll für Schacht Konrad: „Gehobene wasserrechtliche Erlaubnis“ nicht anwendbar – Inbetriebnahme nur mit Schönrechnen?
- Die AG Schacht Konrad, die seit vielen Jahren gegen den Ausbau und die Inbetriebnahme vom Schacht Konrad mit Partner auch auf dem Klageweg vorgeht, reagierte mit einer PM im November letzten Jahres: Schacht KONRAD: Entsorgungskommission fordert Missachtung von Grund- und Trinkwasserschutz
- Im März 2025 griff Michael Bauchmüller in der Süddeutschen Zeitung das drohende Desaster auf: Endlager ohne Atommüll, so der Titel
- Nun meldet die Tagesschau mit neuen Stellungnahmen: Atommüllendlager in Salzgitter: Wird Schacht „Konrad“ nie in Betrieb gehen?
Aktuell reagiert die AG Schacht Konrad jetzt mit dieser PM: KONRAD endlich aufgeben (siehe auch gleich unten).
Erst im letzten Jahr wurde amtlich klar, dass die Endlagersuche für den hochaktiven Atommüll, für den es bislang keinen Standort gibt, sich um Jahrzehnte verzögern wird. Jetzt könnte sich das Drama der ungelösten Entsorgung noch mal verschärfen. Denn damit wäre klar, dass die oberirdische Zwischenlagerung aller Arten von Atommüll, die nur für einige Jahrzehnte „geplant“ war, zur Jahrhundertaufgabe werden wird. Die Sonntags-Reden, dass die Atommüll-Entsorgung noch in dieser Generation gelöst werden müssen und nicht nachfolgenden Generationen überlassen werden dürfe, war schon immer Schönfärberei, – dürfte nun aber als quasi amtlich bezeichnet werden.
Und all das ist nicht mal Thema im Koalitionsvertrag der möglicherweise kommenden Bundesregierung, von der relevante Teile sogar noch alte Atommeiler wieder ans Netz bringen wollte und neue Reaktoren anstreben.
DOKUMENTATIONen
1. AG Schacht Konrad 2. BI Lüchow Dannenberg
1. Konrad Presse- Pressemitteilung: KONRAD endlich aufgeben!
Pressemitteilung 16.04.2025
Bündnis sieht Kritik an Schacht KONRAD bestätigt!
Der Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter Frank Klingebiel erklärt zu den jüngsten Veröffentlichungen der Tagesschau: „Die Rechercheergebnisse bestätigen unsere seit Jahren geäußerten erheblichen Bedenken, auch zur Einhaltung der wasserrechtlichen Bestimmungen. Es bringt nichts, an einem über 23 Jahre alten und somit heute völlig verfehlten Projekt um jeden Preis festzuhalten. Das kann weder richtig noch rechtskonform sein und ist den Menschen in unserer Region auch nicht vermittelbar. Das sklavische Festhalten an einem offensichtlich nicht den heutigen Anforderungen entsprechenden überalterten Planfeststellungsbeschluss untergräbt zusätzlich das Vertrauen der Menschen in unserer Region in die verantwortlichen Entscheidungsträger. Daher sind wir uns als Bündnispartner einig, dass die 2002 erteilte Genehmigung endlich aufgehoben werden muss. Und wir erneuern unsere Forderung nach einem sofortigen Baustopp.“
Ludwig Wasmus, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD: „Wenn sogar Herr Thomauske, der über viele Jahre versucht hat, das Projekt durchzudrücken, jetzt zugibt, dass auf Basis der geltenden Genehmigung niemals ein Fass in Schacht KONRAD eingelagert werden kann, muss endlich die Reißleine gezogen werden. Wir brauchen ein neues, ordentliches Suchverfahren um einen sicheren Standort für die Lagerung der gefährlichen Abfälle zu finden – Schacht KONRAD ist der Falsche!“
Matthias Wilhelm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine: „In der angesiedelten Industrie in Salzgitter wird gerade ganz viel Geld in die Zukunft investiert. Diese in die Zukunft gerichteten Projekte sollten nicht durch das Festhalten an nicht realisierbaren Projekten wie der Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad gefährdet werden. Es ist nicht einfach, alte Projekte und Verfahren aufzugeben und Neues einzuleiten. Das ist aber oft der einzig zukunftssichere Weg. Das gilt in der Industrie und das muss bei solchen Projekten wie Schacht Konrad auch in der öffentlichen Hand gelten.“
Petra Wassmann, KONRAD-Beauftragte des NABU Niedersachsen und Susanne Gerstner, Vorsitzende des BUND Niedersachsen: „Wir sehen uns in unserer Klage für die Aufhebung der Genehmigung von Schacht KONRAD vollumfänglich bestätigt und erwarten jetzt von den Verantwortlichen den richtigen Schritt zu tun und das Vorhaben endlich aufzugeben.“
Das Bündnis Salzgitter gegen Schacht KONRAD besteht aus der Stadt Salzgitter, der IG Metall Salzgitter-Peine, dem Landvolk Braunschweiger Land und der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD und unterstützt die im Oktober 2024 eingereichte Klage von NABU und BUND auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses.
Pressedienst der Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD e.V.
Rückfragen: 05341 / 63123
2. BI Lüchow Dannenberg
Pressemitteilung 16.04.2025
Vier Milliarden Euro für ein paar Gebinde?
An der Eignung des Schacht Konrads als Atommüllendlager gab es schon immer erhebliche Zweifel. Zuletzt hatten die Umweltverbände BUND und Nabu eine Klage zur Rücknahme der 2002 erteilten Genehmigung eingereicht.
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) hat seit dem Neustart der Endlagersuche immer wieder auf die Mängel des ehemaligen Erzbergwerks verwiesen.
Jetzt zeigen zwei Dokumente, die BR und NDR exklusiv vorliegen, „Probleme mit dem niedersächsischen Wasserrecht auf und lassen auf behördliche Versäumnisse schließen. Sie kommen zum Schluss: „Konrad“ wird sich entweder um viele Jahre verzögern oder möglicherweise sogar gänzlich scheitern. Der Schacht drohe zu einem Milliardengrab zu werden.“
Atommüllendlager – Wird Schacht „Konrad“ nie in Betrieb gehen?
Die Kosten für den Ausbau des ehemaligen Erzbergwerks zu einer Atommülldeponie verschlingen rund vier Milliarden Euro. Die CEO der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), Iris Graffunder, tritt in dieser Situation die Flucht nach vorne an: Sollte der Schacht Konrad zumindest baulich rechtzeitig fertigwerden, wolle man unter den 303.000 Kubikmetern Atommüll nach „irgendwelchen Gebinden suchen“, die unbedenklich eingelagert werden können, ohne Auswirkungen auf das Grundwasser befürchten zu müssen, berichtet die Tagesschau.
BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Dabei gibt es einen Weg aus der Sackgasse. Die BGE muss die Synergien der Endlagersuche nutzen, wir plädieren seit Beginn des Neustarts der Endlagersuche für ein Suchverfahren für alle Arten radioaktiver Abfälle, zumal der Schacht Konrad ohnehin nicht reichen würde, um am Ende rd. 600.000 Kubikmeter schwach- und mittel aktiver Abfälle aufzunehmen. Schon lange gilt für dieses Projekt die alte indianische Weisheit, steig ab, wenn dein Gaul tot ist.
Dokumentation PM BGE zum Thema:
Im Hintergrund ist die Schachtanlage 1 des Endlagers Konrad in Salzgitter zu sehen. Im Vordergrund verläuft der Salzgitter Stichkanal.
Das Endlager Konrad in Salzgitter wird derzeit errichtet und in den frühen 2030er Jahren soll die Einlagerung beginnen. Darauf bereiten die Ablieferungspflichtigen in Deutschland ihre Abfälle vor. Radioaktive Abfälle werden entsprechend der Anforderungen aus den Konrad Endlagerungsbedingungen konditioniert (behandelt und verpackt) und radiologisch und stofflich detailliert beschrieben. Die Dokumentation der Abfälle wird von der Produktkontrolle bei der BGE geprüft und muss freigegeben werden, bevor ein Abfallgebinde im Endlager Konrad eingelagert werden kann.
Grenzwerte gesenkt
„Aktuell gibt es viele Abfallgebinde, die den radiologischen Anforderungen der Endlagerungsbedingungen Konrad entsprechen und auch von der Produktkontrolle freigegeben sind. Gleichzeitig liegen aber aktuell noch keine freigegebenen Gebinde im Hinblick auf die stoffliche Beschreibung vor, so dass zum heutigen Stand kein Abfallgebinde mit schwach- oder mittelradioaktiven Abfällen im Endlager Konrad eingelagert werden könnte“, sagt die Vorsitzende der Geschäftsführung der BGE, Iris Graffunder.
Die stoffliche Beschreibung der Abfallgebinde kann von der Produktkontrolle trotzdem geprüft werden, aber noch nicht final bestätigt werden. Hintergrund ist, dass für einige Stoffe die Grenzwerte im konventionellen Wasserrecht gesenkt wurden. Das Nachweissystem für das Endlager Konrad sieht im Rahmen der Umsetzung der gehobenen wasserrechtlichen Erlaubnis in diesem Fall vor, dass alle wasserrechtlichen Nachweise erneut unter den neuen Randbedingungen geführt werden. Es handelt sich also um Änderungen im konventionellen Regelwerk, die Auswirkungen auf die Abfälle für das Endlager Konrad haben.
Schutzziele werden eingehalten
Die BGE ist überzeugt, dass durch die Einlagerung der radioaktiven Abfälle keine unzulässige Belastung des nutzbaren Grundwassers entsteht, so dass die Schutzziele zu jeder Zeit eingehalten werden. Die Einlagerung der Abfälle erfolgt in etwa 850 Metern Tiefe, das nutzbare Grundwasser liegt deutlich höher. Mithilfe von Ausbreitungsmodellen wurde unter sehr konservativen Annahmen ein Stofftransport zur Oberfläche nach Hunderttausenden Jahren ermittelt. Die Arbeiten für die Nachweise zur Einhaltung der geänderten Grenzwerte im Wasserrecht laufen bei der BGE, sind aber noch nicht abgeschlossen.
„Die BGE hat bislang noch keine neuen Anträge zu PCB, PAK und PFAS gestellt, weil die Diskussion über die Methodik der Nachweisführung für die konkrete Umsetzung des aufsichtlichen Verfahrens infolge der Änderung der Grenzwerte im konventionellen Wasserrecht mit NLWKN und dem Ministerium für Umwelt Niedersachsen noch läuft. Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden in Niedersachsen ist professionell und sachorientiert“, sagt Iris Graffunder abschließend.