Atommülllager Jülich: Interessenskonflikte unter Ministerien statt Sicherheit
Sichere Atommülllagerung in Jülich? Gibt es derzeit nicht. 152 Castorbehälter lagern seit Jahren ohne ausreichende atomrechtliche Erlaubnis. Doch statt mit aller Kraft und gemeinsam an einer möglichst risikoarmen Lösung zu arbeiten, sind zwischen den Ministerien und Beteiligten massive Interessenskonflikte ausgebrochen. Das zeigen Antworten der Bundesregierung auf Nachfragen des Abgeordneten Hubertus Zdebel.
- Kostspieliger Wettlauf entscheidet ob der Jülicher Atommüll in die USA oder nach Ahaus geht
- Atommüll Jülich: Exportpläne für USA endlich beenden
Zdebel hatte die Bundesregierung befragt, warum die in Jülich zuständige Entsorgungsgesellschaft das zum Bundesumweltministerium gehörende Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft wegen Untätigkeit verklage und warum ein Standort für den erforderlichen Neubau eines Zwischenlagers nicht mehr zur Verfügung stehe? (Siehe unten im Wortlaut.)
Der für Atomausstieg bei der Fraktion DIE LINKE zuständige Abgeordnete Hubertus Zdebel erklärt mit Blick auf die Antworten der Bundesregierung auf seine Fragen: „Hier werden ganz massiv Interessenskonflikte zwischen den staatlichen Stellen ausgetragen, statt die bestmögliche Sicherheit beim Umgang mit dem hochradioaktiven Atommüll herbeizuführen.
Gibt es endlich bei der Prüfung der Sicherheit vor Ort positive Ergebnisse, steht plötzlich eine für den Bau eines neuen Zwischenlagers notwendige Fläche kurzerhand nicht mehr zur Verfügung. Und in einem anderen Fall verklagt ein zum Bundesforschungsministerium und zu NRW gehörendes Unternehmen ein wiederum zum Umweltministerium gehörendes Bundesamt, – statt miteinander über ein gemeinsames Vorgehen zu reden. Und dabei sind angesichts wachsender Terrorgefahren die Anforderungen an die Zwischenlagerung und den Transport hochradioaktiver Atomabfälle enorm angewachsen.“
Auf der Homepage des Nationalen Begleitgremiums (NBG) wird im Bericht über eine Veranstaltung der Geschäftsführer der für die Atommüllentsorgung in Jülich zuständigen Gesellschaft mit Blick auf die gewachsenen Terrorrisiken so wiedergegeben: „Die rechtlichen und technischen Probleme, die es zu überwinden gilt, haben es in sich. Ein Beispiel: Im Juli 2017 hat das Bundesumweltministerium höhere Anforderungen für die Sicherung von Atomtransporten in Kraft gesetzt. So erfordere das neue Regelwerk mit seinen Auflagen die Konzeption neuer Fahrzeuge, erläuterte Printz. Hier komme man an technische Grenzen. Ein Transport nach Ahaus wäre ein logistischer Kraftakt.“ Printz ist Geschäftsführer der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) und für die sichere Lagerung des hochradioaktiven Atommülls verantwortlich.
Der staatliche Umgang mit der Atommülllagerung wird immer mehr zu einer unverantwortlichen Groteske. In Lubmin muss aufgrund bestehender Sicherheitsmängel ein neues Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll gebaut werden. In Brunsbüttel hat ein Gericht dem dortigen Zwischenlager die Genehmigung komplett entzogen, der Müll lagert dort geduldet und die Genehmigungsbehörde beschwert sich öffentlich, dass Vattenfall erforderliche Sicherheitsgutachten nicht liefert.
Und auch in Jülich lagert der hochradioaktive Atommüll seit Jahren ohne ausreichende Sicherheit und nur noch geduldet. Der jetzige Betreiber, die mehrheitlich zum Geschäftsbereich des Bundesforschungsministeriums gehörende Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN), soll das derzeitige Lager schnellstmöglich räumen. Als mögliche Option zur Räumung kommen offiziell in Frage: Export der 152 Castoren in die USA, Transport ins Zwischenlager Ahaus oder Neubau eines verbesserten sicheren neuen Lagers in Jülich selbst.
Doch schon seit Jahren tobt zwischen dem Bundesforschungsministerium und dem Bundesumweltministerium darüber ein Streit, was eine vernünftige und sichere Lösung sein soll. Anti-Atom-Gruppen und Hubertus Zdebel fordern statt gefährlicher Atomtransporte den Neubau eines Lagers in Jülich, im BMU wäre man eher mit Ahaus zufrieden.
Vor allem im Bundesforschungsministerium, aber auch in Landesbehörden in NRW und in dem ehemaligen staatlichen Kernforschungszentrum Jülich würde man es am liebsten sehen, wenn der Atommüll aus Jülich komplett in die USA verfrachtet wird. Um diese sogenannte US-Option weiter offen zu halten, statt vor Ort endlich ein mögliches neues Zwischenlager zu bauen, klagt jetzt die zum Geschäftsbereich des Forschungsministeriums gehörende JEN als Verwalter des Jülicher Atommüllerbes gegen das fachlich dem Bundesumweltministerium unterstehende Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft (BAFA), um eine Genehmigung für den Export von Brennelementekugeln zu erhalten. In den USA sollen diese Kugeln – ein Gemisch aus Brennstoff und Grafit – dazu dienen, ein Verfahren zur Wiederaufarbeitung zu entwickeln. Technische Lösungen, mit dem Atommüll aus Jülich in den USA umzugehen, müssen derzeit noch entwickelt werden.
Dokumentation der Antworten der Bundesregierung auf Fragen des MdB Hubertus Zdebel
1. Schriftliche Frage Drucksache 19/8806 (PDF), Frage 171. Abgeordneter Hubertus Zdebel (DIE LINKE.)
Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe dafür, dass das im Bereich des Bundesforschungsministeriums angesiedelte staatliche Forschungszentrum Jülich (FZJ) laut eines Berichts des Nationalen Begleitgremiums (NBG) der ebenfalls staatlichen Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN) im Jahr 2012 zunächst ein Grundstück für den möglichen Neubau eines Zwischenlagers für die hochradioaktiven AVR-Brennelement-Kugeln (AVR –Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor Jülich) überlassen hatte und diese Überlassung des Grundstücks im November 2018 schließlich zurücknahm, nachdem die JEN erfolgreich Voruntersuchungen und ein Bodengutachten vorgelegt hatte,in denen gezeigt werden konnte, dass bislang fehlende Nachweise in Sachen Erdbebensicherheit erbracht werden könnten und damit die Möglichkeit zum Neubau eines Zwischenlagers vor Ort inJülich statt Atomtransporte in die USA oder nachAhaus deutlich verbessert würde (www.nationales-begleitgremium.de/SharedDocs/Kurzberichte/DE/ Kurzbericht_26_Sitzung_19.02.2019.html; jsessionid=694D632A50B9D36918D82D88603 D7187.1_cid331)), und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass umgehend der JEN das Grundstück wieder zur Verfügung gestellt wird, um die Planungen für den Neubau eines Zwischenlagers als eine Option zur Herstellung einer sicheren Lagermöglichkeit für die AVR-Brennelemente zu beschleunigen?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Michael Meister vom 19. März 2019
Richtig ist, dass die Forschungszentrum Jülich GmbH (FZJ) 2012 einen möglichen Standort auf dem FZJ-Gelände für ein potenzielles neues Zwischenlager ausgewählt hat. Eine Überlassung dieses Grundstücks an die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN) fand damals indes nicht statt. Die Geschäftsführung des FZJ hat unlängst Überlegungen zur anderweitigen Nutzung des Geländes angestellt, dessen Eigentümerin das Land Nordrhein-Westfalen ist. Damit verbundene Fragen befinden sich zurzeit in einem Klärungsprozess. Richtigzustellen ist ferner, dass sich die geologischen Bodenuntersuchungen im Auftrag der JEN nicht auf das FZJ-Gelände, sondern auf das bestehende AVR-Brennelemente-Zwischenlager beziehen.
2. Mündliche Frage Drucksache 19/79 (PDF)
Frage 69 des Abgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE):
Bis wann wird nach Kenntnis der Bundesregierung das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) über den – laut Sachstandsbericht des Wirtschaftsministers des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr . Andreas Pinkwart, vom 27 . Juni 2018– von der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen GmbH (JEN) gestellten Antrag auf Export der verbrauchten AVR-Brennelemente in die USA entscheiden (www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-931.pdf), und welche Anhaltspunkte sind nach jetziger Kenntnis vorhanden, die zu einer Ablehnung einer solchen Exportgenehmigung führen können?
Antwort der Parl . Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter, Bundesumweltministerium:
Die atomrechtlichen Prüfungen im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sowie im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sind aufwendig sowie umfangreich und dauern an. Grundlage der vertieften Prüfung sind im Wesentlichen das Atomgesetz, die Verordnung über die Verbringung radioaktiver Abfälle oder abgebrannter Brennelemente (Atomrechtliche Abfallverbringungsverordnung– AtAV) sowie die einschlägigen internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Der benötigte Zeitbedarf kann aufgrund der Komplexität der Prüfung noch nicht sicher festgestellt werden.
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