„Vattenfall – 15 Juristen gegen die Demokratie“

Vattenfall_AKW_Kruemmel_09-2012-23Vattenfall klagt wegen Schadensersatz für seine nach der Fukushima-Katastrophe stillgelegten Atommeiler Brunsbüttel und Krümmel nicht nur wie E.on und RWE vor dem Bundesverfassungsgericht, sondern als ausländisches Unternehmen auch vor dem ICSID, dem International Centre for Settlement of Investment Disputes, das der Weltbank angehört. Vattenfall will 3,7 Mrd. Euro von der Bundesrepublik als Schadensersatz bekommen.

In einem Artikel vom 23. März kritisiert die Frankfurter Rundschau unter der Überschrift „Vattenfall – 15 Juristen gegen die Demokratie“ dieses „Verfahren als völlig intransparent“. Das Verfahren findet weitgehend hinter verschlossenen Türen statt, die Öffentlichkeit wird nicht informiert und selbst Bundestagsabgeordnete bekommen kaum Kenntnis.

Allerdings: Obwohl die FR davon berichtet, dass die Schiedsleute in solchen Verfahren eine dubiose Rolle spielen, erwähnt die Zeitung nicht, dass sich erst vor kurzem einer der Schiedsrichter selbst wegen Befangenheit zurück gezogen hat und das Verfahren damit um Monate zurück geworfen ist: Rückschlag für Vattenfall – Schadensersatzklage für Atomausstieg ausgesetzt!

Das Blatt fragt: „Wie kann es sein, dass Deutschland wegen einer umweltpolitischen Entscheidung in ein dubioses internationales Verfahren gezwungen wird? Der Grund dafür ist ein sogenanntes Investitionsschutzabkommen. Deutschland, der Exportweltmeister, ist auch Weltmeister bei diesen Abkommen, die meist nur zwischen zwei Ländern abgeschlossen werden. Allein 131 bilaterale Schutzabkommen mit anderen Ländern hat Deutschland abgeschlossen. Vattenfall beruft sich bei der Klage auf die Energie-Charta, die 1998 in Kraft trat, an der vor allem europäische Länder beteiligt sind.“

Die FR stellt fest: „Jahrzehntelang herrschte in Deutschland die Überzeugung, dass aufgrund der hohen Rechtssicherheit hierzulande Klagen gar nicht in Frage kommen. Doch auf der vermeintlichen Einbahnstraße gibt es nun Gegenverkehr: Vattenfall klagte bereits 2009 wegen eines Kohlekraftwerks, die Umweltschutzvorschriften wurden daraufhin verwässert.“  Siehe dazu auch die weiteren Artikel unten.

Außerdem berichtet die FR: „Vorangetrieben werden die Verfahren von einem engen Zirkel internationaler Anwaltskanzleien, die in den Verfahren eine Schlüsselrolle einnehmen und aus den Verträgen ein boomendes Millionengeschäft gemacht haben. Bis 1996 gab es erst 38 Verfahren von Investoren gegen Staaten beim ICSID. Allein 2012 wurden 172 bearbeitet. Insgesamt waren der UN-Handelsorganisation bis 2011 450 Verfahren bekannt. Doch die Dunkelziffer ist höher. Während beim ICSID wenigstens noch grob über die Fälle unterrichtet wird, finden viele Verfahren ohne Wissen der Öffentlichkeit statt, weil andere Schiedsorte vereinbart wurden, über die wiederum Stillschweigen herrscht.

Interessant, was die FR mit Bezug auf die Berliner Zeitung über die Schadensersatzsumme schreibt: „Die Klagesumme setzt sich dabei aus unterschiedlichen Teilen zusammen. 900 Millionen will der Konzern für Investitionen in seine Kernkraftwerke zwischen 2002 und 2011 haben. Der weitaus größte Teil der Entschädigung besteht jedoch aus entgangenen Erträgen durch den Verkauf von Strom: Dieser Posten macht laut einem Informanten, der mit der Sache vertraut ist, den Großteil der Restsumme aus, also annähernd drei Milliarden Euro.

Dazu mehr hier: Vattenfalls Entschädigungsklagen gegen die Bundesrepublik – Weltbankgericht als Politik und

Vattenfall und Konzern-Klagen – Demokratieabbau als Standortfaktor und

Neue AKWs und Entschädigungsklagen – Energiewende nur mit ohne Vattenfall

 

Dirk Seifert

2 Gedanken zu “„Vattenfall – 15 Juristen gegen die Demokratie“

  1. Ungeheuerlich, was sich dieser dreiste Stromkonzern VATTENFALL leistet und wie er die deutschen Steuerzahler, die doch bereits genügend an ihn bezahlt haben, indem sie seine Investitionen bezuschussten, ausquetscht und -nimmt wie eine Weihnachtsgans!!

  2. Eine Klage gegen diese freche Willkür einer einzelnen Person ist völlig korrekt. Das hätte ich auch genauso gemacht. Das die Bundesabgeordneten dabei nicht alles erfahren finde ich persönlich hervorragend. Da spüren die Beteilgten einmal wie es ist wenn Informationen abgeschnitten werden. Rechtssicherheit gibt es in Deutschland ebenfalls nicht, es handelt sich dabei um Entscheidungen die vorher schon“vorbestellt“ besiegelt wurden. Da sind viele Gerichte und Richter von betroffen weil sie zum größten teil auch Beamte sind und der Politik dienen.
    Beispiel: Kein Richter wird je eine Entscheidung treffen, dass die Pensionen nach Artikel 3 des GG auf das selbe prozentuale Niveau abgesenkt werden müssen wie die Renten.

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