Hamburger Wärme-Dialog: Perspektiven für die Energiewende

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Nach dem erfolgreichen Volksentscheid in Hamburg: Jetzt beginnt der Wärme-Dialog über die Perspektiven der Energiewende im Bereich der (Fern)Wärmeversorgung

Nach dem erfolgreichen Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze ist vor allem die künftige (Fern)Wärme-Versorgung in der Debatte. Ab 2018 kann die Stadt Hamburg diese Fernwärme vom bisherigen Betreiber Vattenfall übernehmen. Das ist das Ergebnis von Verkaufsverhandlungen, die der SPD-Senat nach dem Volksentscheid mit Vattenfall geführt hat. Für den Klimaschutz liegen in der Fernwärme große CO2-Einsparpotentiale. Das alte Kohle-Heizkraftwerk in Wedel, mit dem ein großer Teil der Fernwärme in Hamburg erzeugt wird, muss ersetzt werden. Die große Frage ist: Wie?

Mit Anträgen zur künftigen Wärmeversorgung und zum Bürger-Dialog hatten auch die Grünen und die Linken in der Bürgerschaft das Thema auf die Tagesordnung gesetzt.

Mitte Februar fand dazu eine prominent besetzte Veranstaltung statt: Es geht los: Hamburger Wärmedialog – „Die Zukunft der Hamburger Fernwärmeversorgung“. Rund 80 Menschen nahmen an der Debatte mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Andreas Dressel (SPD), Hanne Harder von der Initiative „Stopp – Kein Mega-Kraftwerk Wedel“, Dr. Matthias Sandrock, Hamburg Institut und Christian Wystub (Betriebsrat Vattenfall Wärme GmbH) teil. Als Moderation war Matthias Ederhof, Vorstand von EnergieNetz Hamburg eG am Start.

Die Debatte, so Carola Ensslen, Gründungsmitglied der Hamburger Energie-Netz-Genossenschaft, hätte klar gemacht, wie groß die Probleme sind, vor der die Hansestadt steht :“Die Diskussion ließ viele Fragen offen – was nach einer Fortsetzung des Dialogs ruft – und drehte sich vor allem um das GuD Wedel und ein zukünftiges Wärmekonzept für Hamburg“. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Dressel soll an der Fortsetzung des Dialogs sein Interesse bekundet haben und davon gesprochen haben, den Dialog im Rathaus fortzusetzen.

Das ist kein Wunder: Über ein Jahrzehnt hat die Hamburger Energiepolitik nach dem Verkauf der ehemals im städtischen Besitz befindlichen HEW und von HeinGas nicht im Senat und den Fachbehörden stattgefunden, sondern in den Konzernzentralen von Vattenfall und E.on. Der Erfolg des Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“ und der nun kommenden Rekommunalisierung der Energienetze zeigt vor allem, dass Senat und Umweltbehörde völlig konzeptlos sind.

Weder gibt es ein Wärme-Konzept für die Stadt, noch ist z.B. bei den Planungen für den Ersatz des alten Kohle-Heizkraftwerks in Wedel überhaupt ein Vergleich von Alternativen durchgeführt worden. Die Frage, wie z.B. die Erneuerbaren Energien in eine künftige Fernwärme-Versorgung integriert und ausgebaut werden können, spielte für Vattenfall keine Rolle. Erst jetzt geht die Umweltbehörde diese Fragen langsam an.

In einem Protokoll zu der Veranstaltung schreibt Ensslen: „Zu diesem Zweck sei laut Andreas Dressel in der BSU eine Projektgruppe unter Hinzuziehung externer Gutachter gebildet worden. Ein Konzeptentwurf solle noch in diesem Jahr stehen. Er versicherte, dass die Stadt bereits die Zeit bis zur Übernahme der Fernwärme im Jahr 2019 nutzen und auch als Minderheitsgesellschafter gemeinsam mit Vattenfall den Kurs des Unternehmens festlegen werde.“

Auch zur Frage der Alternativen für das alte Kraftwerk in Wedel sei demnach jetzt eine Projektgruppe bei der Umweltbehörde eingesetzt, die externe Unterstützung eingebunden hat. Die solle als bevorzugte Variante den Neubau eines (evt. kleiner als bislang geplanten) gasbefeuerten Gas- und Dampf-Kraftwerks (GUD) untersuchen, aber auch die Ertüchtigung des alten Kohle-Heizkraftwerks. Inwieweit Standortalternativen, dezentrale Alternativen und weitere Möglichkeiten dabei auch untersucht werden, ist nicht klar.

Vor allem Umweltverbände und Initiativen, darunter auch Hanne Harder von der Wedel Initiative gegen das MEGA-Kraftwerk, fordern aber vor allem diese Alternativen-Prüfungen. Eine Verlängerung des alten Heizkraftwerks in Wedel könne aus Klimaschutzgründen keine Alternative sein.

Derzeit fehlen der Stadt Hamburg klare Ziele, was denn bei der Wärme-Versorgung künftig erreicht werden soll. Matthias Sandrock, Energieexperte vom Hamburger Institut forderte laut dem Bericht von Ensslen, dass Vattenfall endlich alle Daten und Fakten zur derzeitigen Wärmeversorgung auf den Tisch legen müsse. Mit diesen Daten müsse eine umfassende Analyse auf den Weg gebracht werden. Sandrock zweifelte massiv an, dass es in Wedel bedarf für einen Ersatzbau eines Kraftwerks in der heutigen Dimension gäbe. Dazu verwies er u.a. darauf, dass Wärmepotentiale aus dem gewerblichen Bereich einbezogen werden müssten. Dazu nannte er als Beispiele die Holstenbrauerei, das AK Altona und die Müllverbrennungsanlage Stellingen. Die Nutzung weiterer Quellen, wie Abwärme und auch Geothermie müssten geprüft werden.

In dem Protokoll von Ensslen heißt es weiter: „Matthias Sandrock forderte eine langfristige Wärme-Strategie unter Ermittlung künftiger Bedarfe unter Berücksichtigung von Speicherkapazitäten und mit der konkreten Benennung von Zielen. In diesem Zusammenhang sei ein Fernwärmegesetz dringend erforderlich, wie es in Thüringen etwa als Entwurf vorläge. Bei den Zielen spiele die Verbraucherfreundlichkeit eine große Rolle. Auch Bürgerbeteiligung sei wichtig, sowohl in Form von Mitwirkung an Entscheidungen wie auch finanzieller Beteiligung.“

Aus der betrieblichen Perspektive von Vattenfall schaute der Betriebsrat von Hamburg-Wärme (und Mitglied im Aufsichtsrat), Christian Wystub, auf die künftige Wärmeversorgung. Er plädierte dem Ensslen-Protokoll zufolge für eine zentrale Lösung, weil „dezentrale Erzeugungsanlagen nicht effizient, nicht rentabel und auch nicht versorgungssicher seien. Er verwies auf innovative Ideen, wie zusätzliche Wärmespeicher. Überschüssiger Strom solle etwa in Methangasanlagen gespeichert werden. Außerdem dürfe man nicht nur auf die Erzeugung schauen, sondern müsse auch die energetische Gebäudesanierung in Angriff nehmen. Denn 78% der Heizanlagen seien keine Fernwärmeheizungen.“

Probleme mit der Umsetzung des Volksentscheids bei der Fernwärme:

Nach dem Volksentscheid hat der Hamburger Senat mit Vattenfall Kaufverträge abgeschlossen, die eine sofortige Übernahme des Stromnetzes (in zwei Schritten) vorsehen. Bei der Fernwärme allerdings wurde lediglich eine Kaufoption vereinbart, die 2018 mit Wirkung zum Jahr 2019 umgesetzt werden soll. Als Mindest-Kaufpreis hat der Senat mit Vattenfall 950 Mio. Euro vereinbart. Zwar soll eine Kommission noch den endgültigen Preis ermitteln, aber unter diesen Betrag wird es künftig nicht gehen.

Für viele Beobachter ist das eine für die Stadt möglicherweise sehr schlechte, weil viel zu teure Lösung. Darauf machte auch jüngst Manfred Braasch, Vertreter der Volksentscheids-Initiative, in der Ausschuss-Sitzung der Bürgerschaft aufmerksam. Dem Abendblatt sagte er: “Beim Strom machen wir einen Haken, die Umsetzung des Volksentscheids kommt gut voran. Bei der Fernwärme gibt es allerdings noch eine Menge Fragen, hier ist der Volksentscheid noch lange nicht umgesetzt”, sagte Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. “Was macht der Senat zum Beispiel, wenn der erst in vier Jahren zu ermittelnde Unternehmenswert deutlich unter dem jetzt bereits festgelegten Mindestpreis liegt?” (Siehe oben „Nackt im Wind“)

Auch diese Problematik war Thema auf der Wärme-Dialog-Veranstaltung, die für die Umsetzung des Volksentscheids ein großes Problem werden könnte. Matthias Sandrock wies darauf hin, dass die Stadt nicht zu jedem Preis die Call-Option ausüben dürfe. Andreas Dressel erklärte zwar, wie es zu diesem Verhandlungsergebnis mit Vattenfall gekommen sei und verwies auch darauf, dass mit dieser Lösung nun rechtliche Auseinandersetzungen mit Vattenfall in der Frage der Übernahme beseitigt sein. Auf das Dilemma selbst ging er aber dem Protokoll zufolge nicht wirklich ein.

Dirk Seifert

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