Atomforschung Deutschland: Mehr als eine halbe Milliarde Euro für Urananreicherung und die Option auf die Bombe
Mehr als eine halbe Milliarde Euro hat die Bundesrepublik in die Forschung für die Urananreicherung der URENCO in Gronau und anderenorts investiert. Die Steuergelder flossen laut Angaben der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Hubertus Zdebel (Drucksache 18/1910) zwischen 1970 und 1992. An der Urananreicherungsfirma Urenco sind derzeit jeweils mit einem Drittel die Staaten Großbritannien, die Niederlande und über die Uranit GmbH die deutschen Atomkonzerne E.on und RWE beteiligt. Keine Angaben gibt es über die Steuergelder, die bis 1970 in die staatliche Forschung zu Urananreicherung geflossen sind. 1960 hat die Bundesregierung die bis dahin privatwirtschaftliche Urananreicherung von der Degussa für 5 Millionen DM übernommen. (Die Kleine Anfrage ist auch hier downloadbar (PDF).)
Konkret teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort mit:“Die Bundesrepublik Deutschland hat die Entwicklung der Anreicherung mit dem Gaszentrifugenverfahren und den Aufbau und den Betrieb von Anreicherungsaktivitäten im Rahmen des völkerrechtlichen Vertrages von Almelo zwischen 1970 und 1992 mit ca. 1,16 Mrd. DM gefördert.“
Unklar ist, ob weitere Zahlungen der Bundesregierung in dieser Summe enthalten sind oder noch dazu kommen: Die Bundesregierung teilt in der Antwort auf die Anfrage von Zdebel mit, dass die private Uranit GmbH mindestens 270 Millionen DM – also rund 135 Millionen Euro – direkt bzw. als Förderung des Standortes der Urananreicherungsanlage in Gronau erhalten hat.
Ausweichend antwortet die Bundesregierung auf die Frage, wie viel die Uranit Gmbh für die Übernahme der bis dahin staatlichen Urananreicherungs-Forschung gezahlt hat: „Aufgrund eines Vertrages mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie, übernahm die URANIT GmbH im Jahr 1987 das Vermögen der Gesellschaft für Kernverfahrenstechnik mbH (GKT) vom Bund zum Buchwert per 31. Dezember 1985.“
Hintergründe und Einzelheiten
- Die Urananreicherung in Gronau ist vom Atomausstieg nicht betroffen. Die dortige Anlage der URENCO kann unbefristet weiter Brennstoffe für Atommeiler in aller Welt produzieren. Bis heute ist die Bundesregierung durch den Vertrag von Almelo verpflichtet, die kommerzielle Nutzung der Urananreicherung mit der Gaszentrifugen-Technologie zu fördern! Siehe dazu auch hier: Atomausstieg 2012 – Urananreicherung per Staatsauftrag
Die Forschung und Entwicklung der Urananreicherung begann bereits in Nazi-Deutschland. Schon in dieser Zeit versuchten Forscher aus dem „Uran-Verein“ Verfahren zu entwickeln, um möglichst reines Uran 235 zu erhalten. Dieses Uran 235 ist für die Kernspaltung in Atomreaktoren und auch für Atomwaffen relevant. Schon während des zweiten Weltkriegs waren die zum Degussa-Konzern gehörenden Auer-Werke bei Berlin von großer Bedeutung für die Forschung in Nazi-Deutschland.
- Über die Auer-Werke: Die Nazis, die Uranmaschine und die deutsche Atombombe und Die Atombombe kam aus Deutschland – Ein Bericht von RBB
Die Degussa setzte diese Arbeiten auch in der zweiten Hälfte der 50er Jahre fort – nachdem die Begrenzungen durch die Allierten Kontrollmaßnahmen, die ein Verbot der Atomforschung in Deutschland vorsahen, beendet waren. Anfang der 60er Jahre übernahmen die Bundesrepublik Deutschland und auch das Land NRW dann diese Bereiche der Urananreicherung von der Degussa.
- Bundesrepublik und Atomwaffen: “Finger am Abzug” – Spurensuche zur Geschichte der Urananreicherung
- URENCO Gronau: Risiko Atomwaffen-Technik und die deutsche Atom-Politik
- Uranfabrik Gronau: “Atomanlage, mit der die Bundesrepublik ihren Status als potenzielle Atommacht unterstreicht”
- Urananreicherung URENCO: “Die Dinge, die wir tun, könnten auch für nicht-friedliche Zwecke genutzt werden, wie z.B. Atombomben”
- Siehe zu Degussa und NRW auch: Bernd A. Rusinek über die “Urananreicherung in Nordrhein-Westfalen” (PDF, siehe auch hier direkt) über die Rolle der DEGUSSA : “Erfahrungen im Umgang mit größeren Mengen hatte allein eine Tochter der DEGUSSA. DEGUSSA stellte bis Kriegsende etwa 12 t Uranmetallpulver her. Hier entstanden die Verbindungen zwischen Akteuren und Unternehmen, die nach dem Kriege weitergeführt wurden.” (S. 4) – Siehe den Link oben: Bundesrepublik und Atomwaffen: Finger am Abzug – Spurensuche…
Die Bundesregierung teilt in der Anfrage mit: „Der Bund gründete in den 1960er-Jahren eine bundeseigene Gesellschaft zur Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Urananreicherung. In diese Gesellschaft für Kernverfahrenstechnik mbH (GKT) wurde Know-how und Personal von der Firma Degussa eingebracht. Dafür zahlte der Bund ca. 5 Mio. DM an Degussa. Die GKT nahm ihre Arbeit im September 1964 in Jülich auf. Die Gründung der GKT erfolgte im wesentlichen aus Erwägungen der nuklearen Nichtverbreitung.“
Zu der behaupteten Politik der nuklearen Nichtverbreitung durch die Bundesrepublik gibt es zahlreiche neuere Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Deutschland intensiv daran gearbeitet hat, die internationalen Kontrollregime zur Nichtverbreitung von Atomwaffen zu unterminieren. Siehe dazu die oben genannten Links und die dort genannten neuen Forschungsergebnisse, insbesondere: Bundesrepublik und Atomwaffen: “Finger am Abzug” – Spurensuche zur Geschichte der Urananreicherung
Nachdem 1970 mit dem Vertrag von Almelo die kommerzielle Förderung der Urananreicherung per Ultra-Gaszentrifungen beschlossen worden ist, wurde die Urananreicherung mit dem trinationalen Konzern „privatisiert“. Während in den beteiligten Staaten England und Niederlande die Aktivitäten staatlich blieben, übertrug die Bundesrepublik ihre Aktivitäten an die Uranit GmbH: Als kommerzieller Rechtsträger für die Kooperation im Bereich Urananreicherung mit den Niederlanden und Großbritannien wurde in Deutschland die Firma URANIT GmbH von der Bundesregierung benannt. An diese Stellung als kommerzieller Rechtsträger knüpft der Vertrag von Almelo verschiedene Folgen. Unter anderem sollten die Rechtsträger Begünstigte von möglichen Förderprogrammen der drei Troikastaaten sein.“
Und: „Die URANIT wurde als Uran-Isotopentrennungs-Gesellschaft mbH, Jülich mit Gesellschaftsvertrag vom 6. August 1969 gegründet und am 29. September 1969 in das Handelsregister eingetragen.Gründungsgesellschafter waren zu gleichen Anteilen die Firmen Gelsenberg AG, Essen und Nukem Nuklearchemie und Metallurgie GmbH, Hanau.“
Auch die Uranit Gmbh wurde mit Steuergeldern unterstützt: „Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden bis 1979 Bundesmittel in Höhe von rund 139 Mio. DM zum Bau und Betrieb der Pilotanlagen in Almelo und Capenhurst an die URANIT GmbH gezahlt. Bis 1983 wurde nach Kenntnis der Bundesregierung der URANIT GmbH als Beitrag zur Finanzierung von Urananreicherungsanlagen ein rückzahlbarer Zuschuss in Höhe von 338 Mio. DM gezahlt. Zusätzlich zahlte der Bund ca. 49 Mio. DM für die Entwicklung des Standortes Gronau im Rahmen der Unterstützung von Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit.“ Von dem genannten Zuschuss, so die Bundesregierung, hat die Uranit aber nur ein Drittel zurückgezahlt: „Die URANIT GmbH hat rund 110 Mio. DM an den Bund zurückgezahlt.“
Offenbar hat die Bundesregierung der Uranit GmbH dabei im Jahr 1993 Schulden schlicht erlassen und auf Rückzahlungsansprüche schlicht verzichtet. Auf diese Weise hat die private Uranit GmbH schlicht rund 220 Millionen Euro Steuergelder von der damaligen Bundesregierung geschenkt bekommen. Wörtlich schreibt die Bundesregierung dazu: „Im Jahr 1993 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie, und der URANIT GmbH ein Aufhebungsvertrag geschlossen. In diesem Aufhebungsvertrag verpflichtete sich URANIT GmbH zu einer Zahlung von ca. 106 Mio. DM an den Bund. Die Vertragspartner bestätigten, dass die Fördermaßnahmen für technische Entwicklungsprojekte im Rahmen des Vertrages von Almelo abgeschlossen und erfolgreich beendet seien. Ansprüche im Hinblick auf die durch die Bundesrepublik Deutschland für die Urananreicherungsaktivitäten der URANITGmbH gezahlten Investitionszuschüsse und Ausgleichszahlungen von Jahresfehlbeträgen sollten damit nach dem Verständnis der Vertragsparteien grundsätzlich abgegolten sein.“
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