Atomkonzerne – Tot gesagte leben wohl länger
Die Atomkonzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW machen die atomare Schlussrechnung und sind zufrieden. Dank den Beschlüssen von Grünen, SPD und CDU/CSU werden sie von der Verantwortung für die Finanzierung der Atommüllkosten gegen eine Einmalzahlung befreit. Das verhagelt ihnen jetzt noch mal die Bilanzen. Aber die Talsohle sei nun erreicht oder gar durchschritten, so die Statements aus den Konzernzentralen in Essen, Düsseldorf und anderswo. Eben noch als Pleite-Unternehmen gehandelt, ist jetzt strategische Neuausrichtung angesagt. Die SteuerzahlerInnen übernehmen die Altlasten und das atomare Risiko.
Bei E.on und Co ist man zunehmend entspannt, nachdem Grüne, SPD und CDU/CSU im Bundestag den Weg für die Neuregelung der Atommüll-Entsorgung freigemacht und die Konzerne von der dauerhaften Verantwortung für den Atommüll befreit haben. Auch der von den Konzernen zusätzlich geforderte öffentlich-rechtliche Vertrag, mit dem das Gesetzespaket zusätzlich gegen spätere Änderungswünsche durch den Bundestag abgesichert werden soll, soll in trockenen Tüchern sein, wie es heißt. Dafür müssen die Atomkonzerne nicht mal alle Klagen gegen Deutschland in Sachen Atomenergie zurücknehmen. Etwas 11 Mrd. Euro könnten E.on und die anderen vom Steuerzahler zurückbekommen, sollten die Klagen gegen die Uranbrennelementesteuer und die Washingtoner Endschädigungsklage von Vattenfall erfolgreich verlaufen.
Einmalig müssen die Konzerne jetzt zum Sommer 2017 insgesamt knappe 24 Mrd. Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds einzahlen. Danach sind sie von allen weiteren Kosten und Forderungen in Sachen Atommülllagerung befreit. Ein Schnäppchen und eine enorme Entlastung für die Unternehmen.
Noch vor wenigen Wochen hieß es im Bundestag: Die Konzerne könnten zusammenbrechen und deshalb müsse man sie jetzt aus der Kostenhaftung entlassen, sonst bliebe am Ende für die Steuerzahler gar nichts übrig.
Bei Johannes Teyssen, Vorstandschef bei E.on, klingt das ganz und gar nicht so. Zwar müssen auf das letzte Geschäftsjahr erneute hohe Schulden abgeschrieben werden. Aber die Frankfurter Allgemeine Zeitung zitiert ihn am gestrigen Dienstag unter der Überschrift “Die Atomfolgekosten werfen Eon nicht um” mit Blick auf das Kommende: „Mit dem neuen Geschäftsjahr wird Eon erstmals ein ,strunz normales‘ Unternehmen mit einer ,strunz normalen‘ Bilanz sein“ und die FAZ ergänzt: „Mit Blick auf die Bilanz schließt Teyssen weitere böse Überraschungen aus. „Da haben die Aktionäre nichts Weiteres mehr zu befürchten.“
Die Kosten und Risiken des atomaren Wahnsinns hätte man nun mit „gewaltigen Wertberichtigungen auf die Tochtergesellschaft Uniper, die das konventionelle Kraftwerksgeschäft und den globalen Energiehandel übernommen hat“, abgeschrieben. Teyssen spricht sogar davon, dass eine „berechtigte Chance auf eine Wertaufholung“ bestehe und höhere Erträge wieder möglich sind: „Ich sehe eher positive Tendenzen auf uns zukommen, negative kann ich mir kaum vorstellen“, versichert er. Die meisten Investoren sähen das offenbar genauso, meint Teyssen mit Blick auf die vor einigen Tagen erfolgreich abgeschlossene Kapitalerhöhung.“
Da redet keiner, der nicht eine Zukunft für seinen Laden sieht. Die FAZ schreibt weiter: “Insgesamt muss der Konzern im Sommer rund 10 Milliarden Euro für die Überweisung an den Nuklearfonds bereitstellen. “Wir haben einen zweistelligen Milliardenbetrag an liquiden Mitteln in der Bilanz und könnten das ganz theoretisch sogar weitgehend aus eigenen Mitteln bezahlen”, rückt Teyssen den Eindruck zurecht, dass Eon die Puste ausgehen könnte. Dennoch werde man zur Stärkung der Liquidität und zur Abdeckung von Rückzahlungen aktuell bestehender Anleihen nach achtjähriger Abstinenz in diesem Jahr voraussichtlich wieder den Anleihemarkt bemühen. “Nach aktueller Planung reden wir dabei über einen Gesamtbetrag von bis zu 3 Milliarden Euro”, sagt Teyssen, der mit einer großen Aufnahmebereitschaft für die Anleihen rechnet. “Wir würden sicherlich auf ein hohes Interesse des Kapitalmarkts stoßen”, ist er überzeugt. Die voraussichtlichen Zinsbelastungen sieht er je nach Laufzeit und Plazierungszeitpunkt gegenwärtig bei 0,5 bis 1,5 Prozent.”
Auch bei der fast schon tot gesagten RWE läuft es nach der Haftungsbefreiung wieder besser, auch wenn die atomare Schlussbilanz noch abgearbeitet werden muss. Probleme hat RWE zusätzlich noch durch den hohen Anteil Braunkohle. Insofern wird der laufende Umbau von RWE schwieriger im Vergleich zu E.on und bezahlen müssen das die beteiligten Kommunen und Städte, die auf ihre Dividende verzichten müssen oder nur in geringem Umfang erhalten.
Dennoch: Doch schon im Januar vermeldete das Unternehmen, dass es die Einzahlungen in den Atommüll-Fonds zum 1. Juli 2017 stemmen wird. Für das zurückliegende Geschäftsjahr wird auch RWE daher einen Verlust von rund sechs Mrd. Euro verbuchen, berichtet die Wirtschafts-Woche.
Im Februar berichtet der Tagesspiegel über RWE: “Die Neuregelung der kerntechnischen Entsorgung ist sinnvoll, bedeutet für RWE aber eine gewaltige finanzielle Kraftanstrengung”, erklärte RWE-Finanzvorstand Markus Krebber. Das Unternehmen wolle seinen fälligen Beitrag von 6,8 Milliarden Euro für den Atommüllfonds zum 1. Juli zu entrichten, um damit “aus der Haftung für vorwiegend politisch induzierte Risiken der Entsorgung entlassen zu werden” und eine Zinsbelastung für ausstehende Zahlungen zu vermeiden.” Aber auch bei RWE ist die Talsohle nun durchschritten: “Ungeachtet des Milliardenverlusts verwies RWE auch auf positive Aspekte in der Geschäftsentwicklung.”