Volksentscheid Energienetze: BUND Hamburg handelte gemeinnützig – Urteil für mehr Demokratie

Volksentscheid Energienetze: BUND Hamburg handelte gemeinnützig – Urteil für mehr Demokratie

Zu den tragenden Säulen des Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“ zur Rekommunalisierung der Hamburger Energienetze von Vattenfall und E.on gehörte der BUND. Immer wieder war der Umweltverband während des über Jahre dauernden Prozesses von unterschiedlichen Akteuren angegriffen worden. Unter anderem mit dem Argument: Er dürfe so einen Volksentscheid gar nicht betreiben, weil er als gemeinnütziger Verein damit politisch jenseits seiner Aufgaben aktiv wäre. Eine gerichtliche Überprüfung führte sogar zum Entzug der Freistellungserklärung in den Jahren 2010 und 2011, schien damit diesen Argumenten Recht zu geben. Eine enorme Belastung für das Handeln eines Vereins, der maßgeblich durch Spenden finanziert wird. Und eine Art Disziplinierung seines politischen Handels. Auch Attac kann davon ein Lied sind. Der BUND Hamburg ging gerichtlich durch alle Instanzen. Jetzt hat der oberste Bundesfinanzhof die Sache klar gemacht: Eine gemeinnützige Körperschaft wie der BUND Hamburg, die nach ihrer Satzung den Umweltschutz fördert, darf sich mit allgemeinpolitischen Themen befassen, sofern sie parteipolitisch neutral bleibt, sich an ihre satzungsmäßigen Ziele hält und die von der Körperschaft vertretenen Auffassungen objektiv und sachlich fundiert sind. Ein Urteil mit Signalwirkung für mehr Demokratie!

Mit einer Pressemitteilung reagierte der BUND Hamburg zu diesem auch bundesweit bedeutsamen Urteil für andere gemeinnützige Vereine: „Engagement des BUND im Rahmen der Volksinitiative UNSER HAMBURG – UNSER NETZ war nicht gemeinnützigkeitsschädlich“, heißt es in der Überschrift. Weiter schreibt der Umweltverband: „Der BUND Hamburg kommentiert die heutige Veröffentlichung des Urteils (Az. X R 13/15, hier direkt als PDF) des Bundesfinanzhofes (BFH) zu seiner Revision wie folgt. „Wir sind sehr froh über die Entscheidung des Bundesfinanzhofes. Das erstinstanzliche Urteil des Finanzgerichtes Hamburg wurde aufgehoben. Entscheidend ist aber auch, dass das höchste deutsche Finanzgericht bestätigt hat, dass unser Engagement in den Jahren 2010 und 2011 im Rahmen der Volksinitiative UNSER HAMBURG UNSER NETZ nicht gemeinnützigkeitsschädlich gewesen ist. Damit erlangt das Urteil auch eine bundesweite Bedeutung. Die direkte Demokratie und das Engagement gemeinnütziger Vereine, in denen bundesweit zigtausend Menschen aktiv sind, werden klar gestärkt“, so Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

Zum Hintergrund: 2011 hatte es aus der Bürgerschaft heraus den massiven Vorwurf gegeben, dass der BUND Hamburg durch sein Engagement für die Rekommunalisierung der Energienetze außerhalb des Satzungszwecks „Umweltschutz“ handele. Insbesondere schließe die damit verbundene Beeinflussung der politischen Willensbildung die Gemeinnützigkeit aus. Die Finanzverwaltung Hamburg hatte sich damals dieser Auffassung angeschlossen. Es folgte ein komplizierter Rechtsstreit über mehr als sechs Jahre. Der BUND Hamburg wurde in der Sache von der Kanzlei Esche, Schümann und Commichau vertreten.“

Der NDR berichtet über dieses wichtige Urteil und erinnert mit Blick auf die damaligen Auseinandersetzungen um den Volksentscheid zunächst daran: „Im Anschluss stellten einige Oppositionspolitiker die Gemeinnützigkeit des BUND in Frage. Wer eine Volksinitiative gründe, betätige sich politisch und könne dafür keine Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen, so ihr Argument.“ Das jetzige Urteil, so der NDR weiter, führe zu „Erleichterung beim BUND“.

Das damalige Urteil des Hamburger Finanzgerichts, mit dem die Freistellungsbescheide des BUND für die Jahre 2010 und 2011 widerrufen worden waren, lastete jahrelang auf dem Hamburger Umweltverband, der in seinen Entscheidungen über seine politische Aktivitäten angesichts des laufenden Verfahrens immer wieder sehr genau prüfen musste, wie er sich zu politischen Projekten und Kampagnen stellen konnte, ohne weitere Risiken für seine Spendenbasis einzugehen. Vor diesem Hintergrund ist der „Freispruch“ durch den Bundesfinanzhof nicht nur eine Bestätigung gegenüber den damaligen Kritikern, sondern bringt auch Klarheit für das überparteiliche politische Engagement in Umweltfragen, in denen der Umweltverband sich engagiert oder engagieren wird.

Über das Urteil berichtet auch die Plattform „lto“ (Legal Tribune online). Dort ist unter anderem zu lesen: „In seinem Urteil weist der BFH ausdrücklich darauf hin, dass er die im Einspruchsverfahren vom Finanzamt vertretene These zum zulässigen Ausmaß des politischen Engagements gemeinnütziger Körperschaften nicht für überzeugend hält.“

Allgemeinpolitische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften, Urteil vom 20.3.2017   X R 13/15

Eine wegen Förderung des Umweltschutzes gemeinnützige Körperschaft darf sich mit allgemeinpolitischen Themen befassen, wenn sie parteipolitisch neutral bleibt, sie sich dabei an ihre satzungsmäßigen Ziele hält und die von der Körperschaft vertretenen Auffassungen objektiv und sachlich fundiert sind. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. März 2017 X R 13/15 gilt dies in besonderem Maße, wenn eine Körperschaft nach ihrer Satzung den Umweltschutz fördert, weil in diesem Bereich ein großer Teil der wirksamen Maßnahmen nicht durch den Einzelnen, sondern nur durch den Gesetzgeber getroffen werden können.

Im entschiedenen Fall hatte ein Spender einem Verein, der den Umweltschutz durch zahlreiche Einzelprojekte fördert, einen Geldbetrag zugewendet. Die Spende war zweckgebunden zur Unterstützung der Durchführung eines Volksbegehrens, das die Rekommunalisierung von Energienetzen zum Gegenstand hatte. Der Verein stellte hierfür eine Zuwendungsbestätigung aus. Das Finanzamt (FA) hielt dies für unzulässig, da die Unterstützung eines Volksbegehrens eine unzulässige politische Betätigung darstelle und der Umweltschutz durch ein Volksbegehren nicht unmittelbar gefördert werde. Das Finanzgericht (FG) hat diese Fragen offengelassen, die Klage aber schon deshalb abgewiesen, weil der Verein seine Aufwendungen für das Volksbegehren nicht von dem Bankkonto, auf dem die Spende eingegangen war, sondern von einem anderen Bankkonto bezahlt hatte.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Nach dem Urteil des BFH verlangt das gemeinnützigkeitsrechtliche Gebot zeitnaher Mittelverwendung nicht, genau den konkreten, von einem Spender zugewendeten Geldschein oder genau das auf einem bestimmten Bankkonto der Körperschaft durch Spendeneingänge entstandene Guthaben innerhalb der gesetzlichen Frist für die gemeinnützigen Zwecke zu verwenden. Vielmehr genügt es, wenn die projektbezogenen Aufwendungen von einem anderen Bankkonto der Körperschaft bezahlt werden. Es kommt daher allein auf eine Saldo-Betrachtung an.

Weil aber hinsichtlich der Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen noch einige andere Fragen zu klären sind, hat der BFH das Verfahren an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen.

Dabei weist der BFH ausdrücklich darauf hin, dass es fraglich sei, ob die vom FA vorgebrachten Argumente die Annahme rechtfertigen, der Kläger habe mit seinem Eintreten für die Rekommunalisierung der Energienetze nicht mehr dem Ziel des Umweltschutzes gedient. Beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens seien zudem keine Gesichtspunkte erkennbar, die dafür sprechen könnten, dass die Unterstützung der Volksinitiative durch den Kläger seine Verpflichtung zur parteipolitischen Neutralität verletzt haben könnte. Er habe nicht zur Unterstützung einer bestimmten politischen Partei aufgerufen. Zudem treten nahezu alle relevanten politischen Parteien dafür ein, den Klimawandel zu begrenzen und erneuerbare Energien zu fördern.

Bundesfinanzhof, Verknüpftes Dokument, siehe auch:  Urteil des X.  Senats vom 20.3.2017 – X R 13/15 –

Dirk Seifert

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