Rot-grünes Versagen und schwarz-gelbe Ignoranz – Wie in NRW der Klimaschmutz vor die Wand fährt

Aus Anlass der Braunkohleproteste, die in weniger als zwei Wochen (vom 24. bis 29. August) im Rheinischen Revier stattfinden werden, befasse ich mich in einer kleinen Artikelserie mit den Hintergründen der Klimaproteste, u.a. den Zielen des Pariser Klimaabkommens, der Ideologie des ‚grünen‘ Kapitalismus und der Analyse von Karl Marx zum Verhältnis von Kapitalismus und Ökologie. Auch DIE LINKE ist Teil des Widerstands gegen die Profitmaximierung der Energieriesen auf Kosten von Mensch und Umwelt und gegen die rückwärtsgewandte Klimapolitik der Bundesregierung. Wie schon in den letzten beiden Jahren werde ich auch Ende August als parlamentarischer Beobachter bei den Protesten im Rheinischen Revier vor Ort sein. Heute blicke ich noch einmal genauer auf das Land Nordrhein-Westfalen, das Versagen der alten rot-grünen Landesregierung und die noch stärkere klimapolitische Ignoranz der neuen schwarz-gelben Landesregierung.

  • Foto: „Das südlich von Grevenbroich gelegene Kraftwerk Neurath verursachte 2015 die zweithöchsten Treibhausgasemissionen aller europäischen Kraftwerke. Es wird maßgeblich mit Braunkohle aus dem nahegelegenen Tagebau Garzweiler betrieben, der bereits 2015 Ziel der Klimaproteste war.“ Wikipedia, CC BY-SA 3.0, Tetris L)

Das Rheinische Braunkohlerevier ist genau der richtige Ort für die anstehenden Klimaproteste. NRW kommt in Sachen Klimaschutz nämlich eine Schlüsselrolle innerhalb Deutschlands zu. Mehr als ein Drittel der bundesweiten CO2-Emissionen werden im bevölkerungsreichsten Bundesland ausgestoßen. Nicht nur sind hier mit RWE, E.ON und STEAG drei der größten Energiekonzerne ansässig. Darüber hinaus stehen im Rheinischen Revier drei der fünf Kraftwerke mit dem größten CO2-Ausstoß in Europa, die alle von RWE betrieben werden (Neurath, Niederaußem und Weisweiler). In NRW kommen drei Viertel des Stroms aus der Kohleverbrennung. Hier wird mehr Kohle verfeuert als in den Vereinigten Staaten von Amerika. RWE ist dabei der größte Klimakiller und versucht seit Jahren mit miesesten Manövern, die Energiewende zu blockieren. Wenn in Nordrhein-Westfalen der Klimaschutz scheitert, dann scheitert er in ganz Deutschland. Wenn hier stattdessen konsequent sozial-ökologisch umgebaut würde, wie es DIE LINKE fordert, hätte das Signalwirkung für die gesamte Bundesrepublik.

Siehe auch die folgenden Hintergrund-Texte:

Rot-Grün: „Einladungen“ an die Energiekonzerne

Umso schlimmer, dass SPD und Grüne in den vergangenen Jahren ihrer Regierungszeit viel über Klimaschutz geredet, aber nur wenig dafür getan haben. Während CDU und FDP die Energiekonzerne ganz offensiv hofieren – dazu später mehr – hatten viele Umweltorganisationen Hoffnungen in Rot-Grün gesetzt. Anfang 2013 hatte die damalige Landesregierung dann tatsächlich das bundesweit erste Klimaschutzgesetz auf Landesebene verabschiedet. Es enthielt durchaus ambitionierte Ziele, die zum Teil über diejenigen des Bundes und der EU hinausgingen. Der CO2-Ausstoß in NRW sollte bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Die genauen Maßnahmen sollten im Klimaschutzplan konkretisiert werden, den der damalige Landesumweltminister Johannes Remmel (B90/Die Grünen) nach langem Hickhack 2015 vorlegte.

Außer frommen Wünschen und unzähligen Verweisen auf die Verantwortung der Bundesebene blieb eine bezeichnende Formulierung Remmels im Gedächtnis, der den Kabinettsbeschluss eine „Einladung“ [H3]nannte. Die Energiekonzerne sollten sich durch sanfte Anreize eingeladen fühlen, die Energiewende voranzubringen. Auf Verbindlichkeit oder gar Druck auf die unwilligen Konzerne verzichtete Rot-Grün bewusst. Der Klimaschutz in NRW sollte schiedlich-friedlich marktkonform vonstattengehen. „Einladung“ lässt sich hier also auch anders verstehen. Für die Kohledreckschleudern in NRW bedeutete dies ein „Weiter so“ – keines der drei als größte Dreckschleudern Europas geltenden Braunkohlekraftwerke wurde unter grüner Regierungsverantwortung abgeschaltet – und in den Konzernetagen lachte man sich wieder einmal ins Fäustchen. Von der selbst ernannten Ökopartei war von nun an kein nennenswerter Widerstand mehr gegen die Energieriesen zu erwarten.

In Sachen Kohleausstieg hat sich seitdem in NRW nichts mehr getan. Da hilft auch die Verkleinerung des Braunkohletagebaus Garzweiler II nicht weiter, denn der Rahmenbetriebsplan für das Rheinische Revier gilt unverändert bis 2045. Außer Klimaschutzkosmetik hat Rot-Grün hier nichts zustande gebracht, nicht einmal eine noch so vage Ausstiegsperspektive, die für die Planungssicherheit der betroffenen Regionen so immens wichtig wäre. Ministerpräsidentin Kraft (SPD) erklärte den Kohleausstieg kurzerhand für nicht machbar, kramte dafür das bereits widerlegte Argument der gefährdeten Versorgungssicherheit hervor und es war ihr nicht einmal zu peinlich, sich als Arbeitsplatzretterin zu inszenieren. Na klar, die Hartz-IV-SPD als Arbeiterpartei. Die Parallelen zur Bundesebene sind offensichtlich: Während dort Barbara Hendricks (SPD) die Klimabesorgte mimen darf und Sigmar Gabriel (SPD) als Wirtschaftsminister ihre Klimaschutzpläne zusammenkürzte, durfte sich in NRW Remmel als grüner Klima-Onkel inszenieren, während Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) den Kontakt zu den Energiekonzernen aufrechterhielt und den Umweltminister zur passenden Zeit zurückpfiff.

Schwarz-Gelb: Protektionismus für die Energiekonzerne

Während die rot-grüne Landesregierung also auf ganzer Linie versagte und keines ihrer klimapolitischen Wahlversprechen umsetzen konnte, gelten bei der neuen Landesregierung aus CDU und FDP nochmal ganz andere Maßstäbe. Denn Laschet, Lindner und Co. wollen mit Klimaschutz eh möglichst wenig zu tun haben, weshalb das Wort „Klimaschutz“ auch direkt aus der amtlichen Bezeichnung des Umweltministeriums gestrichen wurde, das nun nur noch „Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz“ heißt. Dessen neue Amtsinhaberin ist Christina Schulze-Föcking (CDU), bis zum Amtsantritt eine stolze Massentierhalterin aus dem Münsterland, die prompt für die Haltungsbedingungen auf dem Hof ihres Mannes in die Kritik geriet. Der Akzent im Ministerium wird sich nun deutlich vom Klimaschutz in Richtung Agrarlobby und Heimattümelei verschieben. Das ohnehin gescheiterte Landesklimaschutzgesetz und den handzahmen Klimaschutzplan von Rot-Grün wollen CDU und FDP direkt wieder einkassieren, da ihnen selbst das zu viel ist. An der Kohleverstromung will Schwarz-Gelb ohne Einschränkungen festhalten.

In fast schon trumpesker Manier hatte die FDP bereits im Landtagswahlkampf die geplante Energiewende als „teure Ideologie“ beklagt. Stattdessen setze man auf eine „marktwirtschaftliche Lösung der Energiewende“ (O-Ton Christian Lindner während der Vorstellung des schwarz-gelben Koalitionsvertrags). Schwarz-Gelb predigt das neoliberale Dogma, dass der Markt die Dinge von selbst regeln werde: „Planwirtschaftliche Ausbaupfade für erneuerbare Energien werden wir nicht festsetzen.“ (Koalitionsvertrag, S. 41) Mit anderen Worten: Die liberalkonservative neue Landesregierung ist absolut planlos beim Klimaschutz und auch noch stolz darauf. Die Ziele des Pariser Klimaabkommens, zu dem sich CDU und FDP dem Worte nach bekennen, wird sie auf diese Art und Weise krachend verfehlen.

Mit Druck auf der Straße das klimapolitische Rollback verhindern

Dass wirksamer Klimaschutz marktförmig als „grüner“ Kapitalismus inszeniert nicht gelingt, hatte ich bereits in der letzten Woche versucht zu erläutern. Der Witz ist nun aber, dass die neue NRW-Landesregierung es mit der Marktsteuerung der Energiewende selbst offenbar nicht so ernst meint. Zumindest scheint bei ihr der Markt nur aus den Energiekonzernen RWE und Co. zu bestehen, weshalb ich vom Protektionismus der Energieriesen spreche. Den Ausbau der Windenergie will Schwarz-Gelb nämlich drastisch reduzieren, und zwar mit dem vorgeschobenen Argument, dass man auf die Bedürfnisse von Mensch und Landschaften Rücksicht nehmen müsse, wie FDP-Chef Lindner beteuerte. Im Rheinischen Braunkohlerevier scheint mit den Menschen, die unter der Luftverpestung und den Umsiedelungen leiden, und mit den Mondlandschaften hingegen alles in Ordnung zu sein. Ein durchsichtiges Manöver des FDP-Strahlemanns, der Politik in guter alter FDP-Manier als Erfüllungshilfe für die Interessen der Großkonzerne interpretiert.

Nicht nur die landeseigenen Klimaschutzziele, die Laschet und Lindner keinen Pfennig wert sind, werden deutlich verfehlt. Auch die Ziele des Pariser Klimaabkommens kann Deutschland nur erreichen, wenn der Kohleausstieg sofort beginnt. DIE LINKE fordert daher einen sozial flankierten Ausstiegsplan, der nicht nur vorsieht, dass spätestens 2035 das letzte Kraftwerk vom Netz sein muss, sondern auch, dass ein Strukturwandelfonds von Bund und Ländern mit mindestens 250 Mio. € jährlich eingerichtet wird. Der Strukturwandel darf nicht auf dem Rücken der Belegschaften ausgetragen werden, sondern RWE und Co. – die jahrelangen Profiteure – müssen zur Kasse. Genug Anlass also für kreative und entschlossene Proteste der Klimabewegung. Nur mit Druck von der Straße kann die Rollback-Politik der neuen Landesregierung gestoppt werden. Bereits in wenigen Tagen, am 18. August, beginnt das Klimacamp im Rheinland.

Dse4Zdebel

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