Problem Atommüll: Entria und die Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle – Randbedingungen und Lösungsansätze
Wie geht es weiter mit der Lagerung hoch radioaktiver Atomabfälle in Deutschland? Klar ist: Es gibt in Fragen Sicherheit Handlungsbedarf. Einerseits weil die Terrorrisiken im Nuklearbereich wachsen, andererseits weil die Zwischenlagerung deutlich länger als bislang angenommen dauern wird. Jetzt veröffentlicht das staatlich geförderte Forschungsprojekt ENTRIA bzw. einige der dort aktiven WissenschaftlerInnen in einem Buch zahlreiche interdisziplinäre Beiträge zu den Randbedingungen der Zwischenlagerung dieser brisanten Abfälle und diskutiert Lösungsansätze. Hier zunächst das Inhaltsverzeichnis mitsamt der Zusammenfassungen der Beiträge des von Dennis Köhnke, Manuel Reichardt und Franziska Semper im Springer-Verlag herausgegebenen Buches.
- Für die Ewigkeit – Konzepte zur dauerhaften Atommülllagerung
- BUND: Lagerung von hochradioaktivem Atommüll unzureichend geschützt – Sicherheitsdebatte mit Öffentlichkeit notwendig
Fünf Jahre hat das staatliche Forschungsprojekt Entria interdisziplinär an den Fragen zur Atommülllagerung gearbeitet. Entria steht für „Entsorgungsoptionen für radioaktive Reststoffe: Interdisziplinäre Analysen und Entwicklung von Bewertungsgrundlagen“. Vor wenigen Wochen zog Entria auf einer Abschlusstagung in Braunschweig Bilanz. Fortgesetzt werden soll das Projekt aber künftig unter dem Dach von Niedersachsen – das jedenfalls hatte die alte rot-grüne Landesregierung vorgesehen.
Ein wenig kurios war das Forschungsprojekt in die politische Landschaft hingestellt: Denn während die ForscherInnen unter dem Dach des Bundesforschungsministeriums starteten, sorgten Bundestag und Bundesrat unter Einbeziehung einer sogenannten Endlager-Kommission parallel mit der Initiative zu einem neuen Anlauf bei der Suche nach einem dauerhaften Atommülllager mit dem Standortauswahlgesetz für gesetzliche Festlegungen. Beide Projekte in Sachen Umgang mit Atommüll liefen im Grunde ohne wesentliche Berührungspunkte nebeneinander her.
Trotzdem dürften die Beiträge, die Dennis Köhnke, Manuel Reichardt und Franziska Semper als Herausgeber zum Thema „Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle – Randbedingungen und Lösungsansätze zu den aktuellen Herausforderungen“ jetzt vorlegen, noch in einigen Bereichen für Diskussionen sorgen. Denn klar ist: So wie es derzeit im Gesetz geschrieben steht, wird die Endlagersuche nicht ablaufen und klar ist auch: Weil sich das Finden und Inbetriebnehmen eines unterirdischen Atommülllagers hinziehen wird, kommt immer mehr Sicherheits-Bedeutung den vorhandenen Zwischenlagern für hoch radioaktiven Atommüll zu.
Das folgende ist beim Springer-Verlag zur Bewerbung des Buches online und kann es dort sowohl als Real-Book und als E-Book bestellt werden. Es folgen zunächst die Beiträge mit einer Zusammenfassung und unten das Inhaltsverzeichnis zur Übersicht.
Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle, HG
Die Beiträge:
1. Zwischenlagerung hoch radioaktiver, Wärme entwickelnder Abfälle in Deutschland – ein Überblick
Zurzeit werden bestrahlte Brennelemente und zurückgeführte verglaste Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in für 40 Jahre genehmigten Oberflächenanlagen zwischengelagert. Dort warten sie auf weitere Entsorgungsschritte, deren Ziel in Deutschland aktuell die Verbringung in ein Endlager ist. Es zeichnet sich spätestens seit Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes im Jahre 2013 ab, dass die derzeit gültigen Aufbewahrungsgenehmigungen erloschen sein werden, bevor ein betriebsbereites Endlager für diese Abfallarten zur Verfügung steht. Aus dieser Situation ergeben sich zahlreiche, zum Teil unerwartete Herausforderungen auf technischer, gesellschaftlicher und juristischer Ebene, von denen im vorliegenden Band einige wesentliche Aspekte benannt, eingeordnet und diskutiert werden.Die Einführung gibt einen Überblick über die Historie und die in Deutschland in Betrieb befindlichen Anlagen zur Zwischenlagerung, deren Gestalt und Eigenschaften sich jeweils aus den zum Zeitpunkt der Konzeptionierung und Errichtung geltenden Randbedingungen ableiten lassen.“
2. Oder vielleicht doch nicht unter der Erde – Überlegungen zur Rolle der Oberflächenlagerung in einer Entsorgungsstrategie
3. Wärmeentwicklung und Radionuklid-Inventar
Der Beitrag „Wärmeentwicklung und Radionuklid-Inventar“ beleuchtet am Beispiel von bestrahlten Brennelementen aus Kernkraftwerken und verglasten Spaltproduktlösungen aus der Wiederaufarbeitung (HAW-Kokillen) den Zusammenhang zwischen der Menge der radioaktiven Reststoffe, der Aktivität der Radionuklide und der Wärmeentwicklung bei der Oberflächenlagerung über einen Zeitraum von bis zu 200 Jahren. Neben physikalischen Grundlagen wird die prognostizierte Menge der Wärme entwickelnden, hoch radioaktiven Reststoffe behandelt, die in Kernkraftwerken entstehen. Die Änderung der Aktivität und der Wärmeentwicklung der bestrahlten Brennelemente und HAW-Kokillen über den Zeitraum einer längerfristigen Oberflächenlagerung wird beleuchtet. Es schließt sich eine kurze Diskussion der Entsorgung in tiefen geologischen Formationen an, die auf eine längerfristige Oberflächenlagerung folgen kann. Ausführungen über die Abschirmwirkung eines Transport- und Lagerbehälters und die Änderung der Dosisleistung an der Außenseite des Behälters schließen den Beitrag ab.“
4. Interventionstechniken für Zwischenlagerbehälter
5. Die unbestimmte Nutzungsdauer als besondere technische Herausforderung bei der Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle
Dennis Köhnke:
Zwischenlager für hoch radioaktive Abfälle und abgebrannte Brennelemente sind keine hypothetische Option, sondern eine weltweit umgesetzte, industrielle Praxis. Diese Lager sind, wie das Präfix zwischen ausdrückt, für die zeitlich befristete Verwahrung radioaktiver Stoffe vorgesehen. In diesem Beitrag wird die im politischen Raum festgelegte Nutzungsdauer als besondere, technische Planungsgröße herausgestellt. Die Wechselwirkung zwischen der anfänglich festgelegten Nutzungsdauer und der Dauerhaftigkeit der Zwischenlagerkomponenten wird am Beispiel der durch Normen vorgegebenen Entwurfskriterien für Stahlbetonbauteile erläutert, um die aus einer verlängerten Nutzungsdauer resultierenden Konsequenzen für das Alterungsmanagement in einem Zwischenlager aufzuzeigen. Im gleichen Zuge werden die gegenüber gewöhnlichen Bauwerken besonderen Randbedingungen in einem Zwischenlager diskutiert, die noch nicht in Normen berücksichtigt sind. Die Frage, ob die Aufbewahrungsgenehmigungen für die deutschen Zwischenlager in der Zukunft verlängert werden sollten oder ein oder wenige zentrale Zwischenlager neu errichtet werden sollten, wird nur implizit und überwiegend aus bautechnischer Perspektive beantwortet.
6. Herausforderungen und Randbedingungen für das Zwischenlagerbauwerk als langfristig wirksame, vollwertige mechanische Barriere
7. Sicherheit und Strahlenschutz bei Genehmigungsverlängerung zur Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle
8. Aufbewahrungsgenehmigung für radioaktive Abfälle – Verlängerung versus Neugenehmigung
9. Gerechtigkeit an der Oberfläche
10. Wissenschaftlich-technische und rechtliche Aspekte für Genehmigungsverfahren nach § 6 AtG zur Aufbewahrung bestrahlter Kernbrennstoffe über 40 Jahre hinaus
Bestrahlte Kernbrennstoffe sowie aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe zurückzunehmender radioaktiver Abfall werden bis zu ihrer Ablieferung an ein Endlager derzeit in Zwischenlagern nach § 6 des Atomgesetzes (AtG) aufbewahrt. Die geltenden Genehmigungen nach § 6 AtG für diese Zwischenlager sind durch Festsetzung eines dem Datum nach bestimmten Zeitpunktes oder auf maximal 40 Jahre ab Einlagerung des ersten Behälters in das jeweilige Zwischenlager befristet. Zudem dürfen die radioaktiven Inventare in den einzelnen Behältern für maximal 40 Jahre ab dem Zeitpunkt der Behälterbeladung aufbewahrt werden. Nach dem Standortauswahlgesetz soll über den Standort für ein Endlager für insbesondere hoch radioaktive Abfälle, zu denen bestrahlte Kernbrennstoffe sowie aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe zurückzunehmender radioaktiver Abfall zählen, bis zum Jahr 2031 entschieden werden. Aus dem im August 2015 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit veröffentlichten Nationalen Entsorgungsprogramm [NaPro 2015, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg) (2015) Programm für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm). Berlin: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit] geht hervor, dass das Endlager um das Jahr 2050 in Betrieb gehen soll. Da voraussichtlich nicht sichergestellt werden kann, dass bis zum Ablauf der in den jeweiligen Zwischenlagergenehmigungen festgesetzten Befristung sämtliche Kernbrennstoffe und radioaktiven Abfälle aus den Zwischenlagern an ein Endlager abtransportiert sind, nimmt der vorliegende Artikel die wissenschaftlich-technischen und rechtlichen Aspekte einer Zwischenlagerung der bestrahlten Kernbrennstoffe über 40 Jahre hinaus, sogenannte verlängerte Zwischenlagerung, in den Blick.“
11. Radioactive Waste Management Strategy In The Netherlands
The Netherlands literally means low lands; large parts of the country are indeed below the sea level. In their century-long struggle with water, the Dutch have relied on an approach of long-term, inclusive and pragmatic solutions. This approach is also reflected in the radioactive waste management strategy. In the Netherlands the policy is based on the philosophy that hazardous materials must be isolated, controlled and monitored. This is done by securing containment of radioactive waste in terms of organisational aspects as well as in terms of physical treatment. Really long-term, i.e. at least 100 years, storage in above ground engineered structures of low-, medium- and high-level waste, including spent fuel and (TE)NORM is the first element in the Dutch policy. Secondly, and included in the policy are all necessary steps to be taken for the longer term. The burden of the waste will not solely be transferred to the next generations because a clear system of liabilities is created and the availability of finances is guaranteed for the future. For a country with a small nuclear power programme and an important amount of waste from other applications of radioactive materials, it is a practical solution that works.
12. Zusammenfassung und Resümee
2 Gedanken zu “Problem Atommüll: Entria und die Zwischenlagerung hoch radioaktiver Abfälle – Randbedingungen und Lösungsansätze”