Harrislee: Proteste gegen die Ablagerung gering belasteter Abfälle aus dem Rückbau von Atomanlagen
Beim laufenden Rückbau der Atomkraftwerke fallen große Mengen von Reststoffen an, die nach dem Gesetz kein Atommüll sind, aber dennoch in geringem Umfang radioaktiv oder kontaminiert sind. Obwohl belastet, dürfen diese Abfälle entweder freigemessen oder freigegeben werden. Daher ist es möglich, solche Reststoffe für den Straßenbau zu verwenden (und damit großflächig zu verteilen) oder aber auf normalen Deponien abzulagern. Nicht nur in Harrislee im Norden Schleswig-Holsteins zur dänischen Grenze regt sich dazu seit langem Protest. Die dortige Landesregierung will möglicherweise per Zwangszuweisungen eine Deponierung erzwingen. Von dem jüngsten Protest gibt es hier bei der Bürgerinitiate aus Harrislee ein Video mit den Reaktionen der Betroffenen vor Ort. 1.500 Menschen hatten an der Demonstration teilgenommen. Protest gibt es auch in der Region Schwandort in Bayern bzw. der Oberpfalz, nachdem dort bekannt wurde, dass Abfälle aus Grafenrheinfeld dort seit Jahren verbrannt werden und die örtliche Politik dies den Bürgeriniativen zunächst nicht mitgeteilt hatte. Darüber berichtet die Bürgerinitiative BüfA Regensburg und hier die Büwaana.
- UmweltFAIRaendern hat über das Problem mit dem „Freimessen/Freigabe“ gering belasteter Abfälle aus der Stilllegung und dem Rückbau von Atomanlagen mehrfach berichtet.
umweltFAIRaendern dokumentiert:
Pressemeldung BAESH.de vom 31.10.2020
Bei der heutigen Fahrzeug-Demo „Atomschutt-Blockade“ haben 1.500 Menschen aus der Grenzregion gegen mögliche Zwangszuweisungen von schwach radioaktiven Abfällen auf die Deponie Balzersen in Harrislee protestiert. Die Deponie an der dänischen Grenze und ist eine von vier Deponien in Schleswig-Holstein, die zeitnah mit einer Zwangsdeponierung von Atomschutt aus dem AKW Brunsbüttel rechnen müssen.
Die Demonstranten versperrten die Zufahrtsstraße zur Deponie mit Autos, Traktoren, Wohnmobilen und Fahrrädern. Mit der symbolischen Blockade sendeten sie eine klare Botschaft an das Umweltministerium in Kiel: „Zwangszuweisung? Damit kommt Ihr nicht durch!“
Die Bürgerinnen und Bürger stehen damit im Schulterschluss mit den Gemeindevertretungen Harrislee und Handewitt, der Stadt Flensburg sowie der dänischen Kommune Apenrade und auch dem Betreiber der Deponie, die die Annahme von AKW-Schutt ablehnen. Sogar Bürger anderer Deponie-Standorte zeigten sich solidarisch und nahmen teil.
In Schleswig-Holstein werden in den kommenden Jahren insgesamt vier Atomanlagen nahezu zeitgleich abgerissen. Dabei sollen nach aktueller Gesetzeslage schwach radioaktive Abrissabfälle aus dem direkten Reaktorumfeld wie konventioneller Bauschutt auf Müll-Deponien verbracht werden. Laut eigenen Angaben bereitet das Umweltministerium in Kiel aktuell die erste Zuweisung vor.
BI-Sprecherin Angela Wolff zur Protestaktion und zur geplanten Zwangszuweisung:
„Dass sich trotz der aktuell angespannten Lage und der Einreisebeschränkung aus Dänemark so viele Menschen auf den Weg gemacht haben, um gegen die Zwangsdeponierung zu protestieren, zeigt sehr deutlich, dass die Bewohner der Grenzregion nicht bereit sind, die Atomschutt-Pläne des Umweltministeriums in Kiel widerstandslos hinzunehmen.
Mit der geplanten Zwangszuweisung verantwortet Umweltminister Jan Philipp Albrecht eine „Basta-Politik“, die sich rigoros über den Willen der betroffenen Kommunen, der Deponie-Betreiber und der Bürgerinnen und Bürger hinwegsetzt. Das ist zum Scheitern verurteilt.
Seit Jahren ignoriert das Umweltministerium in Kiel die Expertise von Fachgremien wie dem Deutschen Ärztetag und Umweltorganisationen wie dem BUND, die vor den Risiken für Mensch und Umwelt warnen, wenn strahlendes Abrissmaterial über die konventionelle Abfallwirtschaft entsorgt wird. Alternative Lagerungskonzepte, die für die AKW-Betreiber zwar teurer wären, dafür aber mehr Sicherheit versprechen, liegen längst vor. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Bevölkerung vermeidbare Gesundheitsrisiken zugemutet werden, damit die Atomkonzerne bei der Stilllegung ihrer Kraftwerke Kosten sparen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Wissenschaft nicht zu einer einheitlichen Bewertung der Strahlenrisiken kommt. Epidemiologische Studien wie die KiKK-Studie legen nah, dass die Gefahren der Niedrigstrahlung weithin unterschätzt werden. Unter diesen Voraussetzungen ist es unverantwortlich, Material über den Weg der Deponie unwiderruflich in der Umwelt zu verteilen.
Umweltminister Jan Philipp Albrecht hat die Möglichkeit, in der Atomschutt-Frage einen alternativen Weg einzuschlagen und damit einen Konflikt zu beenden, der sich nicht nur an Deponiestandorten in Schleswig-Holstein zunehmend verhärtet, sondern bundesweit wächst. Er sollte diese Chance endlich nutzen.“
Die Bürgerinitiative startet Anfang November eine Unterschriften-Sammlung gegen die Lagerung von radioaktiven AKW-Abrissabfällen auf der Deponie. Die Unterschriften wird sie im kommenden Jahr sowohl der Landesregierung übergeben, als auch den Direktkandidaten des Wahlkreises Flensburg-Schleswig bei der Bundestagswahl 2021.
Pressekontakt: Angela Wolff, Sprecherin der Bürgerinitiative baesh.de, Tel. 0178-6635576