Schweigen und Ausweichen: Deutsche Beteiligung an Entwicklung von Atomwaffen im Rahmen der NATO

Schweigen und Ausweichen: Deutsche Beteiligung an Entwicklung von Atomwaffen im Rahmen der NATO

Geht es um Atomwaffen und das deutsche Verhältnis zu ihnen und um die nukleare Teilhabe, schweigen sich Bundesregierungen aus. Das zeigen abermals die Antworten auf eine Kleine Anfrage von Hubertus Zdebel (DIE LINKE) nach einer deutschen „Beteiligung an Forschung und Entwicklung von Atomwaffen und Komponenten“ im Rahmen der Regelungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes. Die Bundesregierung „stimmt weder den darin enthaltenen Wertungen zu, noch bestätigt oder bestreitet sie die darin enthaltenen Aussagen oder Darstellungen“, heißt es. Natürlich ist Deutschland für Abrüstung, aber: „Deutschland bleibt über die nukleare Teilhabe in die Nuklearpolitik und die diesbezüglichen Planungen der Allianz eingebunden.“ Allerdings: „Eine Finanzierung von Atomwaffen durch den Bundeshaushalt oder andere nationale Finanzierungswege erfolgt nicht.“ Allen anderen konkreten Fragen weicht die Bundesregierung aus. Dabei ist z.B. bekannt: Mindestens mit Blick auf die URENCO an den Standorten in Gronau/Jülich sowie beim FRM II in München-Garching hat die Bundesrepublik Knowhow über den Uran- und den Plutoniumpfad zur Atomwaffe. Das wurde im Rahmen der Verhandlungen um den Atomdeal mit dem Iran bekannt, als entsprechende Experten die Bundesregierung  bei den Verhandlungen unterstützten. Auch in der ehemaligen Atomforschungsanlage in Karlsruhe verfügte die Bundesrepublik über Plutonium-Knowhow.

Gleich sieben detaillierte Fragen zu konkreten Beteiligungen deutscher Einrichtungen an Aktivitäten in Verbindung mit Atomwaffen innerhalb der Nato-Staaten ledert das Verteidigungsministerium mit dem Hinweis ab: „Im deutschen Kontext ist die Grundlage für diese Zusammenarbeit das Abkommen zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über Zusammenarbeit auf dem  Gebiet der Verwendung von Atomenergie für Zwecke der gemeinsamen Verteidigung vom 5. Mai 1959 (United Nations Treaty Series 355 No. 5083).“ (Siehe hier das Abkommen als PDF).

Anlass der Fragen von Zdebel ist eine Passage im Kriegswaffenkontrollgesetz, die eine Beteiligung deutscher Einrichtungen im Rahmen der Nato bei der Konstruktion von Atomwaffen möglich erscheinen lässt.

Die Bundesrepublik hat über den Atomwaffensperrvertrag den Verzicht zur Herstellung eigener Atomwaffen erklärt. Im § 16 des Kriegswaffenkontrollgesetzes „Nukleare Aufgaben im Nordatlantischen Bündnis“ heißt es allerdings: „Die Vorschriften dieses Abschnitts und die Strafvorschriften der §§ 19 bis 21 gelten, um Vorbereitung und Durchführung der  nuklearen Mitwirkung im Rahmen des Nordatlantikvertrages vom 4. April 1949 oder für einen Mitgliedstaat zu gewährleisten, nur für Atomwaffen, die nicht der Verfügungsgewalt von Mitgliedstaaten dieses Vertrages unterstehen oder die nicht im Auftrag solcher Staaten entwickelt oder hergestellt werden.“ Die Formulierungen legen nach Einschätzung der Fragestellenden nahe, dass die Bundesrepublik Deutschland zwar keine Atomwaffen besitzen darf, aber im Rahmen des Nordatlantikvertrages an der Forschung und Entwicklung von Atomwaffen beteiligt sein kann, wenn diese Beteiligung sich auf Atomwaffen von Mitgliedsstaaten bezieht.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben sich 2017 mit der Frage „Völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands beim Umgang mit Kernwaffen – Deutsche und europäische Ko-Finanzierung ausländischer Nuklearwaffenpotentiale“ befasst (https://www.bundestag.de/resource/blob/513080/c9a903735d5ea334181c2f946d2cf8a2/wd-2-013-17-pdf-data.pdf). Die Ausarbeitung betont, dass Deutschland keine eigenen Atombomben erwerben darf, eine nukleare Teilhabe aber zulässig wäre. Es heißt dort aber auf Seite 3 auch: „Im Gegensatz zum Übereinkommen über Streumunition von 2008 (12) enthält der NVV kein explizites Unterstützungs- oder Ko-Finanzierungsverbot, also ein entsprechendes Verbot für Nichtkernwaffenstaaten, Kernwaffenstaaten bei der Entwicklung oder Modernisierung ihres Atomwaffenpotentials (finanziell) zu unterstützen.“

Diese Aussage unterstützt nach Ansicht der Fragestellenden die oben genannte Einschätzung, dass die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der nuklearen Teilhabe innerhalb des Nordatlantikvertrages auch an der Forschung und Entwicklung von Atomwaffen im Besitz von Mitgliedsstaaten des Nordatlantikvertrages beteiligt sein kann.

Dirk Seifert