Wird Atomforschungsreaktor Garching abgeschaltet? Gericht entscheidet wohl Mittwoch – Nächste Instanz im Blick

Wird Atomforschungsreaktor Garching abgeschaltet? Gericht entscheidet wohl Mittwoch – Nächste Instanz im Blick

Der BUND in Bayern klagt auf Stilllegung des Atomforschungsreaktors in Garching. Bis heute wird hochangereichertes atomwaffenfähiges Uran in Garching für die Kernspaltung eingesetzt. Dabei wird in der Genehmigung vorgeschrieben, dass seit über 10 Jahren weniger riskanter Uranbrennstoff zum Einsatz kommen müsste. Für den BUND und dem Anwalt Ulrich Wollenteit ist die Vorschrift klar – für die bayerische Landesregierung als Genehmigungsbehörde ist eine entsprechende Formulierung nur eine Art “politische Vorgabe”. Am Montag fand vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die mündliche Verhandlung der Klage statt. Deutlich wurde, dass beide Seiten im Verfahren je nach Urteil in die nächste Instanz gehen könnten. Als Klagevertreter des BUND sagte Peter Rottner gegenüber B24: …” es sind eine Menge grundsätzlicher Rechtsfragen zu klären, so das, wie immer es ausgehen wird, auch die nächste Instanz gefragt werden wird.” Es geht um die Frage, ob Deutschland und Bayern ein Signal gegen die wachsenden Risiken der Verbreitung von atomwaffenfähigem Material unter dem Mantel der Forschung sendet – oder nicht.

“Der Reaktor sei seit 2011 „genehmigungslos“, sagte der Anwalt des BN, Ulrich Wollenteit” schreibt Sabine Dobel von der dpa von der Verhandlung. (Hier bei Süddeutsche online) Daher sei die Genehmigungsbehörde in Bayern zum Einschreiten verpflichtet. Laut Dobel erklärte die aber lapidar, dass die Genehmigungsgrundlage lediglich eine “politische Absichtserklärung” wäre. “Vielleicht habe man geglaubt, eine Umstellung samt Genehmigungsverfahren in dieser Frist bewerkstelligen zu können. Das habe sich aber nicht bewahrheitet.”

Der Einsatz von atomwaffenfähigem Uran in einen Forschungsreaktor ist weltweit ein enormes Risiko, öffnet es Tür und Tor auch für andere Staaten, in ihren Forschungsreaktoren hochangereichertes Waffen-Uran zu verwenden. Genau daher hatten sich die USA um die Jahrtausend-Wende bei der Planung und Genehmigung des Reaktors in Garching dafür eingesetzt, “friedliches” Uran zu verwenden. Weil Bayern, Deutschland und TU München aber an ihren Plänen festhielten, verweigerten die USA die Lieferung des Uranbrennstoffs. Kein Problem, so die Verantwortlichen: Kurzerhand wurde das benötigte Uran einfach in Russland eingekauft.

In Frankreich werden nun seit rund 20 Jahren Brennelemente für den Forschungsreaktor in Garching hergestellt und ausgeliefert. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Atomfreunde im Iran, in Pakistan, in Saudi Arabien und vielen anderen Staaten argumentieren, wenn ausgerechnet in Deutschland ein solcher Forschungsreaktor mit Atomwaffen-Material betrieben wird. Eine Steilvorlage in Sachen Proliferation oder Verbreitung von “Dual-Use”-Produkten die sehr leicht für militärische Möglichkeiten missbraucht werden könnten. Wie schnell das mit der gefährlichen Atomenergie gehen kann, zeigt sich auch im Krieg Russlands gegen die Ukraine: Im Kriegsgebiet wird unmittelbar um Europas größten Atomkomplex mit sechs Reaktoren und großen Mengen hochradioaktivem Atommüll im Saporischja mit Raketen gekämpft. Tschernobyl ist vom russischen Militär angegriffen worden.

Auch Wolfgang Liebert aus Wien von der Universität für Bodenkunde, Experte insbesondere in Fragen der zivil-militärischen Atomenergie, war als Sachbeistand für den BUND vor Ort in München. Laut verschiedenen Berichten und dpa machte er auch klar, dass die Umstellung in München zumindest auf die zunächst gefordert Anreicherung unter 50 Prozent Uran235 “längst – und auch schon 2010 – möglich gewesen” wäre. “Experten hätten seinerzeit gewarnt, dass Deutschland mit dem Betrieb des Reaktors der eigenen Nicht-Verbreitungspolitik entgegenlaufe.”

Wollenteit sprach demnach von einem Reaktor “ausgestattet mit einem Brennstoff, der aus Russland stamme. Der „deutsche Alleingang“, einen Forschungsreaktor mit hochangereichertem Uran zu betreiben, habe seinerzeit „international allerhöchstes Unverständnis hervorgerufen“. Und dpa schreibt: “„Dass man etwas tun muss, ist klar“, sagte die Vorsitzende Richterin. Die Frage sei nur, wann und unter welchen Bedingungen dies möglich sei. Es sei klar gewesen, dass ein neuer Brennstoff nicht „vor der Tür stand“. Aus Sicht des Gerichts „spricht vieles dafür, dass diese Frist in der Auflage nicht das Gelbe vom Ei“ gewesen sei, sagte Zimmerer mit Blick auf die in der Betriebsgenehmigung genannte Umrüstungsfrist Ende 2010.”

Der BN, die IPPNW und Grüne Abgeordnete aus dem Landtag in Bayern hatte vor dem mündlichen Termin die Stilllegung des Reaktors bis zu einer Umrüstung gefordert. Die TU ist derzeit dabei, in Zusammenarbeit mit dem französischen Atomkonzern Framatome einen neuen Brennstoff zu entwickeln, der unterhalb der Atomwaffenschwelle liegen soll. Ob die derzeit laufende Entwicklung erfolgreich sein wird, muss sich noch in weiteren Forschungsarbeiten bestätigen. Dazu sind unter anderem Strahlungsexperimente in einem belgischen Forschungsreaktor vorgesehen. Selbst wenn begleitend zu den Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Genehmigungsverfahren für den Einsatz dieser neuartigen Brennstoffe für Garching auf den Weg gebracht wird: Erst nach den 2030er Jahren dürfte ein solches neues Brennelement erstmals zum Einsatz kommen. Verzögerungen sind, so ist das bei der Atomenergie, mehr als wahrscheinlich.

Und zu den Kosten dieser Aktivitäten und welche weiteren Impulse diese Forschungen für andere Technologie haben werden, ist noch gar nicht ausgeleuchtet worden. Möglicherweise tragen die Arbeiten in München-Garching zu einer neuen Generation von Uran-Brennstoffen bei, die in ihren Risiken bislang extrem unterschätzt worden sind? Davor warnen jedenfalls eine Zahl von kritischen Wissenschaftler:innen in den USA. In einem in der Science veröffentlichen Artikel warnen sie vor ähnlichen Risiken mit Uran-Anreicherungen bis zu 20 Prozent.

Und tatsächlich richtet sich die Uranwirtschaft grad neu aus und will das Geschäft mit der Herstellung neuartiger Brennstoffe weiter entwickeln. Genannt werden diese vermeintlich wunderbaren und pflegeleichten neuen SMR-Reaktoren, die es zwar noch nicht gibt, die aber wunderbar sein werden. Believe me! Egal: Die Uranunternehmen planen Expansion und neue Produkte: Darüber hatte umweltFAIRaendern hier berichtet: Zivile Nuklear-Aufrüstung: Anreicherung von Uran wird ausgebaut und deutlich erhöht – Stichwort HALEU

Bei Science ist der Inhalt des Artikels beschrieben mit:

“Abstract

Preventing the proliferation of nuclear weapons has been a major thrust of international policymaking for more than 70 years. Now, an explosion of interest in a nuclear reactor fuel called high-assay low-enriched uranium (HALEU), spurred by billions of dollars in US government funding, threatens to undermine that system of control. HALEU contains between 10 and 20% of the isotope uranium-235. At 20% 235U and above, the isotopic mixture is called highly enriched uranium (HEU) and is internationally recognized as being directly usable in nuclear weapons. However, the practical limit for weapons lies below the 20% HALEU-HEU threshold. Governments and others promoting the use of HALEU have not carefully considered the potential proliferation and terrorism risks that the wide adoption of this fuel creates.”

Dirk Seifert

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