EU-Fördermittel für Uran-Brennstoff-Herstellung für osteuropäische Reaktoren im emsländischen Lingen – Frankreich macht Druck – Neue Verträge mit Slowakei

EU-Fördermittel für Uran-Brennstoff-Herstellung für osteuropäische Reaktoren im emsländischen Lingen – Frankreich macht Druck – Neue Verträge mit Slowakei

Der französische Atomkonzern Framatome intensiviert seine Aktivitäten im Urangeschäft mit Osteuropa, um am bundesdeutschen Standort in Lingen im Emsland künftig – mit russischer Unterstützung – Uran-Brennelemente vom Typ VVER (WWER) herzustellen. Eine dafür erforderliche Genehmigung nach dem Atomgesetz liegt allerdings noch gar nicht vor. Der Konzern erhöht immer mehr den Druck auf die Atombehörde in Hannover und das BMU in Berlin. Nun hat Frankreich mitgeteilt, dass die EU die Arbeiten von Framatome und beteiligten osteuropäischen Partnern mit 10 Millionen Euro unterstützten wird. Außerdem wurde bekannt, dass auch die Slowakei entsprechende Lieferverträge mit Framatome vereinbart hat. Die Herstellung dieser Brennelemente in Lingen bei „Advanced Nuclear Fuels“ ist auch umstritten, weil Frankreich auf erhebliche Hilfe von Russland angewiesen ist, um diese Produktion aufzunehmen. Knowhow. Lizenzen, Genehmigungsvoraussetzungen und Maschinen stammen von den russischen Staatskonzernen TVEL bzw. Rosatom. Ebenso das Uran. Behörden und Anti-Atom-Initiativen sehen in der russischen Beteiligung, insbesondere wegen des Krieges gegen die Ukraine, erhebliche Risiken. Russischer Einfluss in Lingen könne auch Tür und Tor für Sabotage bieten. Sinnvoll wäre, die Uranfabrik in Lingen abzuschalten und auch in Osteuropa den Atomausstieg und die Erneuerbaren Energiewende auf den Weg zu bringen. Das verhindert nicht nur Atomkatastrophen. (Foto Framatome VVER, 3D view of a Framatome conceptual design of a VVER 440 fuel assembly)

Update: „Bulgarien: Westinghouse-Brennstoff in Kosloduj-5 im Einsatz – Im Block 5 des Kernkraftwerks Kosloduj wurden 43 Brennelemente des Herstellers Westinghouse während der Jahresrevision in den Kern eingesetzt. Dies markiert den Beginn der vierjährigen Übergangsphase weg von russischem Uran in Bulgarien.“ Das meldet das Schweizer Nuklearforum. Siehe den Text unten in voller Länge.

Gegen die Pläne für die Produktionserweiterung in Lingen hatten im Frühjahr über 10.000 Einwendungen die zuständige Behörde erreicht. Inzwischen hat die Behörde mitgeteilt, dass im November in Lingen die Erörterung der Einwendungen ein drei Tagen erfolgen soll. Der Erörterungstermin ist rechtlich nicht öffentlich und nur für diejenigen, die Einwendungen vorgetragen hatten. Einwenderinnen haben aber die Möglichkeit, Sachverständige oder Experten zu benennen, die dann auf der Veranstaltung entsprechende Argumente vortragen können.

Proteste einiger Initiativen und Gruppen konzentrieren sich seit Monaten darauf, die Produkterweiterung in Lingen vor allem mit Blick darauf zu kritisieren, dass der französische Atomkonzern dafür auf die Unterstützung Russlands angewiesen ist. Ein Unding, so die Empörung, würde damit der Krieg Russlands gegen die Ukraine doch unterstützt. Außerdem könnte Russland über solche Geschäfte möglicherweise Einfluss und Sabotagemöglichkeiten bekommen. Dass damit aber auch die Atomreaktoren in Osteuropa am Netz bleiben, statt auch dort den überfälligen Atomausstieg und die Energiewende auf Basis der Erneuerbaren einzuleiten, wird nicht thematisiert. Gerade mit Perspektive auf Europa eine mehr als überfällige Debatte!

Warum ausgerechnet im Atomausstiegs-Land Bundesrepublik weiterhin eine Uranfabrik Brennelemente herstellen darf, statt stillgelegt zu werden, gerät dabei fast aus dem Blick. Tatsächlich ist es für viele Medien offenbar nicht relevant und auch die Grünen haben hier in den letzten Jahren keinerlei nennenswertes Engagement gezeigt, um die Schließung der Uranfabriken zu erreichen (eine weitere steht in Gronau, die ebenfalls vom Atomausstieg ausgenommen ist). Im bestehenden Koalitionsvertrag ist es schlicht kein Thema und auch nach all den Angriffen gegen die Grünen in den letzten Monaten tauchen die ab, statt den atomaren Wahnsinn zu kritisieren, den Atomenergie bedeutet. Gerade auch mit Blick auf die Kämpfe rund um die Atomanlagen in der Ukraine. Wer braucht da noch Atomwaffen?

Wenig Aufmerksamkeit gibt es auch dafür, dass Westinghouse bereits seit Jahren in Schweden entsprechende Brennelemente ohne russisches Knowhow herstellt und damit  osteuropäische Reaktoren versorgt und damit die AKWs in Osteuropa in Konkurrenz zu Russland in Betrieb hält.

Framatome teilte bereits im Juni 2024 mit, dass die EU die Aktivitäten zur VVER-Produktion für osteuropäische Reaktoren unterstütze: „Das im Rahmen des Euratom-Forschungs- und Ausbildungsprogramms finanzierte europäische Projekt „SAVE“ (Safe and Alternative VVER European Project) von Framatome für den Brennstoff WWER 440 wird von der EU mit 10 Millionen Euro unterstützt. Dieses europäische Projekt bringt 17 Interessengruppen zusammen, um die Risiken in der Brennstoffversorgungskette durch die Entwicklung und Umsetzung einer alternativen europäischen Lösung zu minimieren. Zu diesen europäischen Partnern gehören die folgenden vier Versorgungsunternehmen: ČEZ, Fortum, MVM Paks und Slovenské Electrárne,“ heißt es in einer Meldung. Auch WNN meldete diese EU-Unterstützung.

Insgesamt sind 19 VVER-Reaktoren in Europa in Betrieb, darunter 4 vom Typ WWER-1000 in Bulgarien und der Tschechischen Republik sowie 15 vom Typ WWER-440 in Finnland, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn. Mit allen strebt neben Westinghouse auch Framatome entsprechende Verträge an. Vor wenigen Tagen erst hat NUCNET vermeldet, dass Framatome und der slowenische Betreiber sich auf einen Liefervertrag für Brennelemente für das AKW Mohovce verständigt hätten: Lionel Gaiffe, Senior Executive Vice-President, Fuel Business Unit bei Framatome und Branislav Strýček, Vorsitzender und Generaldirektor von Slovenske Elektrarne hätten entsprechende Verträge unterzeichnet, heißt es dort. „Das französische Nuklearunternehmen Framatome und der slowakische Energieversorger Slovenske Elektrarne haben einen bedeutenden Vertrag über die langfristige Lieferung von Kernbrennstoff für die in Russland gebauten WWER-Kernkraftreaktoren in Bohunice und Mochovce ab 2027 unterzeichnet.“

Zu Verträgen von Framatome mit Bulgarien siehe z.B. auch hier (Sofiaglobe). Dort geht es um einen Vorvertrag aus dem Jahr 2022. In dem Bericht ist zu lesen: „Nach der Unterzeichnung eines 10-Jahres-Vertrags mit Westinghouse Electric Company über die Lieferung von Brennstoff für den Reaktorblock 5 des Kraftwerks ist dies bereits der zweite Vertrag, den das einzige bulgarische Kernkraftwerk innerhalb weniger Wochen bekannt gibt. Die Vereinbarung mit Framatome legt den Zeitplan für die Gespräche vor der Unterzeichnung eines 10-Jahres-Vertrags fest, sagte das Ministerium, nannte aber keine weiteren Einzelheiten. Die finanziellen Bedingungen wurden ebenfalls nicht bekannt gegeben. Bulgarien bezieht den Kernbrennstoff für die beiden 1000-MW-Reaktoren des sowjetischen Typs VVER-1000 derzeit aus Russland. Der Vertrag mit Framatome wird zwischen 2025 und 2034 laufen, so das Ministerium. Der Vertrag, der neben dem mit Westinghouse abgeschlossen wurde, sichert die weitere Arbeit des Kernkraftwerks Kozloduy für einen Zeitraum von 10 Jahren, sagte der bulgarische Energieminister Rossen Hristov in der Erklärung.“

Doku: Bulgarien: Westinghouse-Brennstoff in Kosloduj-5 im Einsatz

Im Block 5 des Kernkraftwerks Kosloduj wurden 43 Brennelemente des Herstellers Westinghouse während der Jahresrevision in den Kern eingesetzt. Dies markiert den Beginn der vierjährigen Übergangsphase weg von russischem Uran in Bulgarien. 19. Juni 2024

Kernkraftwerk Kosloduj aus der Vogelperspektive

Das bulgarische Kernkraftwerk Kosloduj mit den Blöcken 5 und 6 des russischen Typs WWER-1000.
Quelle: Kozloduy Nuclear Power Plant plc (KNPP)

Am 10. Juni 2024 schloss die Kernkraftwerkbetreiberin Kozloduy Nuclear Power Plant plc (KNPP) die Jahresrevision bei Kosloduj-5 ab. Mit Erlaubnis der bulgarischen Nuclear Regulation Agency (NRA) konnte der Druckwasserreaktor des russischen Typs WWER-1000 wieder an das nationale Stromnetz angeschlossen werden. Die NRA genehmigte bereits am 22. April 2024 den Einsatz des neuen RWFA-WWER-1000-Kernbrennstoffs, nachdem sie ein umfassenden Genehmigungsverfahren und eine gründlichen Sicherheitsbewertung durchgeführt hatte. So konnten 43 der im April von Westinghouse gelieferten frischen Brennelemente während der geplanten Jahresrevision ab 5. Mai in den Kern von Block 5 eingesetzt werden.

Westinghouse und KNPP unterzeichneten im Dezember 2022 einen 10-Jahres-Liefervertrag über RWFA-WWER-Kernbrennstoff. Die Brennelemente haben sich laut Westinghouse bereits in mehreren Kernkraftwerken der Ukraine bewährt. Der schrittweise Ersatz von Kernbrennstoff aus Russland durch Westinghouse-Brennstoff dauert vier Jahre. Neben Kosloduj-5 steht in Bulgarien auch noch der WWER-1000-Reaktor von Block 6 in Betrieb. Kosloduj-6 wird von 2025 bis 2034 mit frischem Kernbrennstoff des französischen Unternehmens Framatome versorgt.

Gemäss Aussagen der bulgarischen Regierung aus dem Jahr 2022 wurde eine Diversifizierung der Brennstofflieferanten aufgrund «unakzeptabler» Vertragsänderungen notwendig, welche die russische Seite gefordert hatte. Auch die Europäische Union sieht eine solche Diversifizierung vor. Quelle B.G. nach KNPP, Medienmitteilung, 10. Juni 2024, sowie Westinghouse, Medienmitteilung, 29. Mai 2024

Dirk Seifert

3 Gedanken zu “EU-Fördermittel für Uran-Brennstoff-Herstellung für osteuropäische Reaktoren im emsländischen Lingen – Frankreich macht Druck – Neue Verträge mit Slowakei

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