Österreich und Greenpeace melden Bedenken an: 40 Jahre sind genug. Keine radioaktive Laufzeitverlängerung in Frankreich für 1300 Megawatt Reaktoren
Noch bis zum 30. September läuft in Frankreich ein informelles Verfahren, in dem es möglich ist, Sicherheitsbedenken gegen die Planungen vorzubringen, dass nach den 900 MW-Reaktoren nun auch die Meiler der 1300 MW-Baureihe über die Frist von 40 Jahren hinaus in Betrieb bleiben sollen. Wie auch die Schweiz verweigert Frankreich ein Verfahren nach den europäischen Übereinkommen von Espoo sowie dem Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention) zu beteiligen. Dennoch hat jetzt Österreich mit seinem Umweltbundesamt und erheblicher gutachtlicher Kompetenz seine Bedenken gegen die bisherigen Planungen in Frankreich angemeldet und an die zuständigen Stellen in Frankreich übermittelt. Auch Greenpeace hat sich in das Verfahren mit einer kritischen Stellungnahme eingebracht. Aus dem Bundesumweltministerium ist in dieser Sache nichts bekannt. Dort sind die Hinweis-Seiten auch nicht aktualisiert worden, obwohl wegen der kurzfristigen Ansetzung der Wahlen in Frankreich Fristen in vielen Verfahren – wie eben in diesem „freiwilligen“ französischen Atom-Verfahren – verlängert wurden. Wenig engagiert, das BMU. Weder beim BMU, noch auf den Seiten von Rheinland-Pfalz oder dem Saarland lassen sich entsprechende Einwendungen Marke Österreichfinden. (Foto: AKW Civeaux mit 2 Reaktorblöcken, EDF)
Zum Verfahren in Frankreich teilt das Bundesumweltministerium ohne die aktualisierte Fristverlängerung im Verfahren mit: „Bei dem aktuellen Verfahren der Concertation handelt es sich nicht um eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP); somit fällt dieses auch nicht unter die Espoo-Konvention. Diese Veröffentlichung von Informationen zur Concertation erfolgt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.“
- Schweizer Atomstrom: Mehr als 40 Jahre AKW Leibstadt? Geplanter Langzeitbetrieb mit großen nuklearen Gefahren. Zu Leibstadt siehe auch hier bei IPPNW Deutschland. Wie verschiende Anti-Atom-Organisationen in der Schweiz und Deutschland fordert auch die IPPNW von der Schweiz, endlich ein Verfahren nach Espoo und Arhus-Konvention für das AKW Leibstadt durchzuführen und sowohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine grenzüberschreitende Beteiligung der Bevölkerung auf den Weg zu bringen.
- Schon 2019 waren die 900 Megawatt-Reaktoren in ein solches unterschwelliges und vermeintlich freiwilliges Verfahren „geschickt“ worden. Sie dazu das Umweltbundesamt Österreich (siehe unten).
- Die Stellungnahme der Umweltbundesamt Österreich ist hier online und auch unten dokumentiert. Sie ist hier in der englischen Fassung mit einer deutschen Zusammenfassung als PDF zu finden und hier auch auf umweltFAIRaendern.
- Die Stellungnahme von Greenpeace Luxemburg zu den 1300 MW-Reaktoren ist hier als PDF online zu finden. Eine zusammenfassende Übersicht Brschüre zu dem Thema hat GP hier als PDF veröffentlicht. Die ältere Stellungnahme gegen die Laufzeitverlängerung der 900 MW-Reaktoren ist hier als PDF.
Dokumentation: BundesumweltAmt Österreich zu dem aktuellen Verfahren zur Baureihe 1300 MW und weiter unten zur Baureihe 900 MW.
Betriebsverlängerung französischer Kernkraftwerke – Baureihe 1300 MW
Generische Sicherheitsaspekte bei Laufzeitverlängerungen französischer Reaktoren der 1300 MW-Baureihe
Die Laufzeiten von Kernkraftwerken (KKW) sind in Frankreich gesetzlich nicht begrenzt. Jedoch finden alle 10 Jahre periodische Sicherheitsüberprüfungen (Visite Décennale) statt.
Électricité de France (EdF) strebt die Bewilligung für den Weiterbetrieb der 20 Reaktoren der 1300 MWe Baureihe über die angenommene 40 jährige Betriebsdauer hinaus an. Das Haut Comité pour la transparence et l’information sur la sécurité nucléaire (HCTISN) hat ein – auf freiwilliger Basis stattfindendes ‒ öffentliches Begutachtungsverfahren eingeleitet.
Öffentlichkeitsbeteiligung 18. Jänner 2024 – 30. September 2024.
Das Haut Comité pour la transparence et l’information sur la sécurité nucléaire (HCTISN) führt zwischen 18. Jänner 2024 und 30. September 2024 eine freiwillige Öffentlichkeitsbeteiligung durch.
Einen Teil der Informationen stellt HCTISN auf einer unten verlinkten Internetseite auch in englischer Sprache zur Verfügung.
Auf der entsprechenden Webseite (in Französisch) besteht die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen durch die potentiell betroffene Öffentlichkeit.
Stellungnahmemöglichkeit Online (Link zu HCTISN)
in Englisch:
Fachstellungnahme Österreich Juli 2024
Ein Expert:innenteam unter der Leitung des Umweltbundesamtes hat für das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) eine Fachstellungnahme zum französischen Konsultationsprozess bezüglich die generischen Anforderungen an die Betriebsverlängerung der französischen 1300 MWe Reaktoren erarbeitet. Die Betroffenheit Österreichs ergibt sich daraus, dass auch für die französischen 1300 MWe Reaktoren schwere Unfälle mit bedeutenden Freisetzungen an radioaktiven Stoffen nicht ausgeschlossen werden können und in einem solchen Fall Interventionsmaßnahmen in Österreich erforderlich werden können.
Grundlage der Erstellung der Fachstellungnahme waren Detailanalysen zu folgenden Themenbereichen:
- Wie läuft ein PSÜ (Periodische Sicherheitsüberprüfung) in Frankreich ab. Welche Punkte sind aus den vorangegangenen PSÜ-Verfahren weiterhin offen?
- Gibt es generische Mängel/Fehler aus der Durchsicht von Ereignismeldungen aus den letzten Jahren, speziell bei den 1300 MWe Reaktoren, die eine besondere Berücksichtigung erfordern?
- Welche Nachweise sind speziell auf Einwirkungen durch externe Ereignisse für die Betriebsverlängerung der 1300 MWe Reaktoren in Betracht zu ziehen?
- Wie sind die seitens der EdF angekündigten Ertüchtigungsmaßnahmen, die den EPR in Flamanville als eine Art Maßstab zum Inhalt haben, zu bewerten?
Auf Basis der Detailanalysen (die einschlägigen Berichte werden demnächst ergänzend veröffentlicht werden) wurde eine Fachstellungnahme erarbeitet und an die französische Seite übermittelt.
Die Fachstellungnahme kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:
- Externe Gefahren – Erdbeben: Die Anforderungen seitens der französischen Atomaufsicht (ASN) zur Bewertung von Naturgefahren entsprechen nicht den aktuellen WENRA-Richtlinien.
- Externe Gefahren- Überflutung: Der relevante ASN-Leitfaden zur Beurteilung von Überflutungsgefahren wurde 2005-2012 erstellt und ist als veraltet anzusehen.
- Externe Gefahren – menschengemachte Gefahren: Die einschlägigen Analysen sollen derzeit noch nach der 4. PSÜ erfolgen. Diesbezüglich wird angeregt, diese Analysen im Rahmen der 4. PSÜ durchzuführen.
- Auslegungsdefizite der 1300 MWe Baureihe: Gegenüber dem EPR in Flamanville, der vier 100% redundante Sicherheitssysteme aufweist, verfügen die 1300 MWe Reaktoren nur über 2×100% Redundanzen. Eine Nachrüstung auf das angestrebte EPR-Niveau ist daher rein technisch betrachtet nahezu unmöglich.
- Der EPR verfügt über einen sogenannten Core Catcher, der ein Containmentversagen verhindern soll. Sowohl für die 900 MWe als auch die 1300 MWe Reaktoren sind die Untersuchungen zur grundsätzlichen Implementierung eines gleichwertigen Systems nicht abgeschlossen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist hierzu keine Bewertung möglich. Das Hardened Safety Core erhöht die Widerstandsfähigkeit der 1300 MWe Reaktoren gegen externe Gefährdungen wie Erdbeben und Überflutungen. Das EPR-Design gegen Erdbeben und Überflutungen basiert auf wesentlich strengeren Anforderungen.
- Es wird die Erstellung eines eigenen „Risikoberichtes“ angeregt, der die Differenzen in den Sicherheitsmargen zwischen den nachgerüsteten 1300 MWe Reaktoren und dem als Referenz angegebenen EPR aufzeigt, sodass die Öffentlichkeit das weiterhin bestehende Risiko besser abschätzen kann.
Die Fachstellungnahme ist in englischer Sprache verfasst und enthält auch eine Zusammenfassung in Deutsch und Französisch.
Dokumentation aus dem Jahr 2019 vom Bundesumweltamt Österreich:
Betriebsverlängerung französischer Kernkraftwerke – Baureihe 900 MW
Generische Sicherheitsaspekte bei Laufzeitverlängerungen französischer Reaktoren der 900 MW-Baureihe
Die Laufzeiten von Kernkraftwerken (KKW) sind in Frankreich gesetzlich nicht begrenzt. Jedoch finden alle 10 Jahre periodische Sicherheitsüberprüfungen (Visite Décennale) statt.
Kurzgutachten ASN-Bescheid 900 MW Reaktoren
Die Betriebsbewilligung der französischen KKW ist unbegrenzt, es muss jedoch alle zehn Jahre eine Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) durchgeführt werden, um den Weiterbetrieb zu ermöglichen. Die nun durchgeführte vierte PSÜ ist von besonderer Wichtigkeit, da das ursprüngliche Design der Reaktoren nur auf eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt ist.
Mit dem am 23.02.2021 vorgelegten Beschluss der französischen Nuklearaufsichtsbehörde ASN wurde die generische Phase beendet.
Nach Veröffentlichung des ASN-Beschlusses wurde dieser einer Analyse in Hinblick auf vormalig erstellten österreichischen Fachstellungnahmen erstellt, wobei auch ein Ausblick auf weitere Handlungsoptionen gegeben wird.
Die folgenden technischen Themen sollten mit der französischen Seite besprochen werden:
Unfälle ohne Kernschmelze:
• Viele der im ASN-Beschluss angeführten Änderungen werden erst durch weitere Studien untermauert werden müssen, deren Ergebnisse von ASN in weiterer Folge noch abgenommen werden sollten. Somit liegt zum Ende der 4. PSÜ der insgesamt erforderliche Nachrüstumfang nicht konkret verifiziert vor.
Unfälle mit Kernschmelze
• Fortschritt und gegebenenfalls Verzögerung bei der Implementierung der Maßnahmen zur Verhinderung des Durchschmelzens der Fundamente und Verstärkung der seitlichen Wände. Darstellung der möglichen Maßnahmen zur Verstärkung des Fundaments der Reaktorgebäude aus sehr kieselhaltigem Beton, die entsprechenden Studienergebnisse und die daraus insgesamt tatsächlich resultierenden Maßnahmen. Die Entscheidung sollte transparent begründet werden.
• Fortschritt und gegebenenfalls Verschiebungen bei der Implementierung des Systems zur Ableitung der Restwärme aus dem Sicherheitsbehälter ohne Entlüftung.
• Fortschritt und gegebenenfalls Verschiebung bei der seismischen Verstärkung der Vorrichtung der Entlüftung und Filterung des Sicherheitsbehälters
Erdbeben
• Überprüfung der standortspezifischen Erdbebengefährdung und anderer externer Gefährdungen auf Grundlage neu erhobener Daten und aktueller Methoden.
• Überprüfung der Auslegungsgrundlage der Reaktoren in Bezug auf Erdbeben und anderer Einwirkungen von außen.
Lagerung abgebrannter Brennelemente
• Fortschritt und gegebenenfalls Verzögerungen bei der Implementierung eines zusätzlichen Kühlsystems des Brennelementlagerbeckens und des Notwassersystems als Teil des Hardened Safety Core.
• Diskussion einer bereits erfolgten oder noch zu erfolgenden Prüfung der Möglichkeit einer Verstärkung der Struktur des Brennelementlagergebäudes.
relevante Unterlagen
Öffentlichkeitsbeteiligung 3. Dezember 2020 – 22. Jänner 2021
Die französische atomrechtliche Aufsichtsbehörde ASN (Autorité de Sûreté Nucléaire) führte zwischen 3. Dezember 2020 und 22. Jänner 2021 eine Öffentlichkeitsbeteiligung zu ihrem Entscheidungsentwurf für die generisch erforderlichen Sicherheitsanforderungen bezüglich des weiteren Betriebs der 900 MW-Baureihe der französischen Atomkraftwerke (32 KKW-Blöcke) über die im Rahmen der Auslegung unterstellte Betriebsdauer von 40 Jahren hinaus durch.
ANMERKUNG: Die obig angegebene Frist wurde – durch Email von der ASN am 14.1.2021 bestätigt – um eine Woche, somit vom 15.Jänner auf den 22.Jänner, verlängert.
Einen Teil der Informationen, insbesondere eine Zusammenfassung ihrer Stellungnahme, stellt ASN auf einer unten verlinkten Internetseite auch in englischer Sprache zur Verfügung.
Auf der entsprechenden Webseite besteht die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen durch die potentiell betroffene Öffentlichkeit.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wurde eine Fachstellungnahme erarbeitet werden.
weiterführende Informationen:
Fachstellungnahme (Jänner 2021)
Ein Expertenteam unter der Leitung des Umweltbundesamtes hat für das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie eine Fachstellungnahme zum französischen Konsultationsprozess bezüglich die generischen Anforderungen an die Betriebsverlängerung der französischen 900 MW-Kernkraftwerke erarbeitet.
Die Experten kommen zu folgenden Schlussfolgerungen:
Analyse der wichtigsten sicherheitsrelevanten Aspekte – Unfälle ohne Kernschmelze
• Bestehende grundlegende Defizite bei den 900-MW-Reaktoren gegenüber den von ASN angegebenen Anforderungen an die Sicherheit als Voraussetzung für einen Betrieb über die ursprüngliche Laufzeit von 40 Jahren hinaus bleiben weiterhin bestehen.
• Angesichts der festgestellten Defizite bei der zentral wichtigen Beherrschung von Ereignissen auf der Sicherheitsebene 3 besteht gegenüber dem EPR, einem Reaktortyp der 3. Generation, der gerade in Flamanville im Bau ist, ein deutlich erhöhtes Risiko dafür, dass es zu auslegungsüberschreitenden Ereignissen der Sicherheitsebene 4 mit der Konsequenz einer Gefährdung der Rückhaltung radioaktiver Stoffe kommen kann.
• Es ist jedoch anzumerken, dass viele der im ASN-Bescheidentwurf angeführten Änderungen erst durch weitere Studien untermauert werden müssen, deren Ergebnisse von ASN in weiterer Folge noch abgenommen werden müssen. Somit ist zum Ende der generischen Phase der 4. PSÜ der volle Umfang der erforderlichen Nachrüsten nicht bekannt..
Analyse der wichtigsten sicherheitsrelevanten Aspekte – Unfälle mit Kernschmelze
• Die Überprüfung durch die Nuklearaufsichtsbehörde ASN im Bereich Kernschmelzunfälle zeigt eine Reihe von Defiziten in den von EDF bislang vorgelegten Konzepten. ASN fordert nun die Umsetzung von signifikanten Verbesserungen der Konzepte.
• Das von EDF vorgeschlagene Konzept zur Verhinderung des Durchschmelzens des Fundaments kann noch nicht als effektiv bezeichnet werden. Bei der Hälfte der KKW ist ein Durchschmelzen der (sehr kieselhaltigen) Fundamente zu erwarten. Eine Entscheidung zu der erforderlichen Verstärkung der entsprechenden Fundamente ist noch nicht getroffen. Ob die erst in einigen Jahren zwischen ASN und EDF zu vereinbarenden Maßnahmen ausreichend sind, kann derzeit noch nicht bewertet werden.
• Insgesamt ist das gesetzte Ziel der Begrenzung der radiologischen Auswirkungen während eines schweren Unfalls nicht erreicht.
Lagerung der abgebrannten Brennelemente
• ASN fordert umfangreiche Nachreichungen, schränkt aber hinsichtlich der erforderlichen Nachrüstungen bereits ein, dass diese „verhältnismäßig“ sein müssen. Das dann schlussendlich erreichte Sicherheitsniveau kann daher noch nicht bewertet werden.
• Um langfristig die Freisetzung aus dem SFP im Falle eines schweren Unfalls zu vermeiden, ist das Erreichen eines sicheren Zustands ohne Sieden des Wassers erforderlich. Ob dieser Zustand für alle Unfallszenarien erreicht werden kann, muss EDF noch nachweisen.
Öffentlichkeitsbeteiligung 2019
Die französischen Reaktoren der 900MW Baureihe werden in den nächsten Jahren sukzessive ihre Auslegungslaufzeit von 40 Jahren erreichen. Durch eine vierte periodische Sicherheitsüberprüfung (VD4) können Laufzeiten über 40 Jahre hinaus erreicht werden. Für diese Reaktoren – mit Ausnahme der beiden ältesten Reaktoren Fessenheim-1 und Fessenheim-2 – werden in Frankreich derzeit generisch für die ganze Baureihe relevante Sicherheitsaspekte der VD4 betrachtet.
Um der Öffentlichkeit eine Beteiligung auch schon in der generischen Phase der VD4 für die 900 MW-Reaktoren zu ermöglichen, führt das Haut Comité pour la transparence et l’information sur la sécurité nucléaire (HCTISN) derzeit in Frankreich ein eigenständiges freiwilliges Verfahren, genannt Concertation, durch.
Zuständig für die Bewertung der kerntechnischen Sicherheit der französischen KKW ist ausschließlich die französische Atomaufsichtsbehörde ASN (Autorité de sûreté nucléaire). Die ASN beabsichtigt die Erstellung und Veröffentlichung einer generischen Anforderungsliste an die Reaktoren, welche die Bewilligung zur Laufzeitverlängerung erhalten sollen. Diese Anforderungsliste wird – entsprechend der französischen Rechtslage – einem öffentlichen Begutachtungsverfahren unterzogen werden.
Ein Expertenteam unter der Leitung des Umweltbundesamtes hat für das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus eine Fachstellungnahme zum französischen Konsultationsprozess der HCTISN bezüglich die generischen Anforderungen an die Betriebsverlängerung der französischen 900 MW-Kernkraftwerke erarbeitet.
Die Betroffenheit Österreichs ergibt sich daraus, dass auch für die französischen 900 MW Kernreaktoren schwere Unfälle mit bedeutenden Freisetzungen an radioaktiven Stoffen nicht ausgeschlossen werden können und in einem solchen Fall Interventionsmaßnahmen in Österreich erforderlich werden können.
Die Experten sind der Auffassung, dass die folgenden Bedingungen als Voraussetzung für eine Laufzeitverlängerung eines 900 MW AKW der französischen CP0 und CPY Generationen erfüllt sein müssen:
- Nachweis der Einhaltung der erforderlichen Sicherheitsreserven über die beabsichtigte Lebensdauerverlängerung insbesondere für die Komponenten, die nur für eine Laufzeit von 40 Jahren ausgelegt sind (ohne Zuhilfenahme probabilistischer Analyseergebnisse).
- Alle zur Erreichung der sicherheitstechnischen Zielsetzung – Anpassung an die Sicherheitsmerkmale des EPR – als erforderlich angesehenen Nachrüstungen sind vor Wiederinbetriebnahme nach der 4. Sicherheitsüberprüfung durchzuführen.
- Aufbau eines vollständigen Ebene 4 Konzepts
- Vollständige Installation des „Hard Core“ als System der Sicherheitsebene 4a (Notstandssystem).
- Nachweis der Beherrschung der beim EPR als RRC-A (Risk Reduction Categorie A) klassifizieren Anlagenzustände (ohne ausschließliche Berücksichtigung der Ergebnisse aus den PSA-Untersuchungen).
- Maßnahmen und Einrichtungen des anlageninternen Notfallschutzes sollen auch bei extremen externen Einwirkungen verfügbar sein. Dabei ist deren Verfügbarkeit über einen längeren Zeitraum von Bedeutung.
- Ausschluss von cliff-edge Situationen für den Fall extremer Einwirkungen.
- Nachweis der beim EPR als RRC-B (Risk Reduction Categorie B) klassifizieren Kernschmelzphänomene hinsichtlich einer Begrenzung der Freisetzung radioaktiver Stoffe in die Umgebung – Sicherheitsebene 4b (ohne ausschließliche Berücksichtigung der Ergebnisse aus den PSA-Untersuchungen).
Für die 900-MW-Reaktoren ist heute ein Kernschmelzunfall mit einer großen Freisetzung möglich und wird auch nach der Umsetzung des derzeit geplanten PLE-Programms möglich sein.
Im Zuge der EU-Stress Tests wurden zahlreiche Schwachstellen bezüglich der 900 MW-Reaktorflotte offensichtlich. Viele vorgeschriebene Nachrüstmaßnahmen wurden bislang noch nicht abgeschlossen.
Die bedeutendste Schwachstelle stellt die Verwundbarkeit der Brennelementlagerbecken dar, welche nur durch relativ dünn ausgeführte Wände geschützt sind. Diese Gefährdungslage würde weitere 20 Jahre bestehen, zumal Maßnahmen zur Behebung dieser Schwachstelle derzeit nicht vorgesehen sind. Das Programm zur Betriebsverlängerung wird daher nicht das selbstgesteckte Sicherheitsziel erreichen können, da hier die Anforderungen, wie sie für den EPR bestehen, insbesondere Schutz der Brennelementlagerbecken gegen einen Flugzeugabsturz, nicht erreicht werden wird können.
Ein extern induzierter schwerer Unfall in einem Brennelementlagerbecken der 900 MW-Reaktoren kann so zu einem Kühlmittelverlust führen. Ausreichende Maßnahmen zur Sicherstellung der notwendigen dauerhaften Wasserbedeckung sind derzeit nicht verfügbar.
Fachstellungnahme VD4 900 MW März 2019
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