Kostenfalle: Weiteres Milliarden-Euro schweres Atomdesaster?

Kostenfalle: Weiteres Milliarden-Euro schweres Atomdesaster?

Droht möglicherweise ein nächstes Milliarden Euro schweres Atommülldesaster in Sachen Atomenergie? Verantwortlich für den Rückbau der stillgelegten Atomkraftwerke sind die ehemaligen Betreiber. Für den nun anstehenden Rückbau des ehemaligen Atommeilers in Hamm wollen die Unternehmen RWE und einige Stadtwerke die Kosten nicht übernehmen. Nachdem sie vor Gericht mit einer Klage gescheitert sind, die Kosten auf den Staat zu übertragen, könnten sie jetzt möglicherweise einen Konkurs erklären und damit am Ende die Rückbaukosten auf die Steuerzahler*innen übertragen. Das könnte auch bei anderen Rückbauprojekten drohen.

Um die Lasten der Atomkonzerne zu reduzieren, hatte die damalige Bundesregierung 2017 mit Unterstützung der Grünen eine “Neuordnung” beim Atomausstieg vorgenommen. Der gesamte Bereich der Atomabfälle wurde verstaatlicht und gegen eine Einmalzahlung von rund 24 Mrd. Euro wurden RWE, Vattenfall, PreußenElektra und Eon sowie weitere kleiner beteiligte Unternehmen von der weiteren Kostenverantwortung endgültig befreit.

Um die Kosten für die Atommülllagerung zu finanzieren, wurde mit der Einlage der Atomkonzerne ein staatlicher Entsorgungsfonds (KENFO) gebildet, der über eine entsprechende Geldanlage und Verzinsung sicherstellen soll, dass die anfallenden Kosten über die nächsten Jahrzehnte auf Basis dieser Kapitaleinlage gesichert werden können. Angesichts der Unsicherheiten im Kapitalgeschäft und der vor wenigen Monaten verkündeten deutlichen Verlängerung bei der Endlagersuche um mehrere Jahrzehnte, könnte es zu schon in diesem Bereich zu erheblichen Problemen kommen, für die am Ende die Steuerzahler*innen gerade stehen müssten.

Für den Rückbau der Atomkraftwerke aber sollten die Betreiber weiterhin allein verantwortlich bleiben. Die dafür erforderlichen Summen sollten weiterhin über sogenannten Rückstellungen in den Konzernen bereitgestellt werden. Diese Rückstellungen bedeuteten obendrein großen Vorteile für die Unternehmen, denn sie waren bzw. sind steuerfrei, helfen den Unternehmen immer wieder auch bei der Finanzierung von anderen Projekten.

Auf eine Sicherung dieser Rückstellungen für den Abbau der Atommeiler in einem ebenfalls staatlich kontrollierten Fonds hat die Bundesregierung damals aber komplett verzichtet. Nicht einmal verbindlichen Vorschriften zum Umgang mit den Rückstellungen und deren Sicherung hatte die Bundesregierung erlassen oder gesetzlich geregelt. So hatten und haben die Konzerne weiterhin komplett freie Hand. Das war vielfach als naiv und kurzsichtig kritisiert worden, – oder aber Kalkül.

Im Verfahren zum Rückbau des Atomkraftwerks in Hamm, welches in den 1990er Jahren nach einer Reihe Störfälle stillgelegt werden musste, hatten die Betreiber, angeführt durch RWE versucht, die Kosten an den Bund zu übertragen. Eine entsprechende Klage ist vor Gericht zwar zunächst gescheitert, aber ein Schlupfloch blieb. Wären die Betreiber zahlungsunfähig, müssten die Steuerzahler*innen doch die finanzielle Verantwortung übernehmen.

Staatliche bzw. gesetzliche Sicherungen, dass die ehemaligen Atomkonzerne möglicherweise in laufenden Rückbauprojekten, die noch über Jahrzehnte laufen werden, ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten, gibt es nicht.

UmweltFAIRaendern dokumentiert zu dem Thema eine PM der BI Lüchow Dannenberg:

(siehe auch hier z.B. telepolis)

Rückbau der Atomkraftwerke – eine Kostenfalle

Eigentlich schien alles geregelt: 24 Mrd. Euro zahlten die AKW-Betreiber 2017 in einen Fonds zur Finanzierung der Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle (KENFO) ein, die Aufgaben wurden neu verteilt: Die Energiekonzerne sind zuständig für den Rückbau der Atomanlagen und die Abfallbehandlung (Konditionierung) der nuklearen Abfälle, der Bund übernimmt seitdem neben den Kosten für Endlagerung bzw. Endlagersuche auch noch die Kosten für die Zwischenlagerung des Atommülls. Der Fehler, so die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) sei, dass beim Vertragsabschluss keine „Nachschlusspflicht“ vereinbart wurde und alle Mehrkosten bei der Atommüllentsorgung letztlich, wenn die KENFO-Gelder aufgezehrt werden, von den Steuerzahlenden getragen werden. Das ist jetzt schon der Fall bei den havarierten Atommülldeponien Morsleben und Asse II. Die deutlich länger dauernde Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle mit der Folge, dass auch die Zwischenlager bis zu 100 Jahren betrieben werden müssten, führten zu einer weiteren Kostenexplosion.

Nun droht erstmalig sogar die Aufgaben- und Kostenteilung ins Wanken zu geraten, eine Betreibergesellschaft droht pleite zu gehen, und zwar die des stillgelegten AKW Hamm-Uentrop. Das Kraftwerk, das drei Jahre lediglich im Probebetrieb lief, steht bereits seit 1989 still. Die Betreibergesellschaft hatte vor dem Landgericht Düsseldorf geklagt und meinte, Bund und Land wären verpflichtet, in die Bresche zu springen: Rund eine Milliarde Euro würde der Abriss kosten, das könne sie nicht stemmen.

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Das ist merkwürdig, denn hinter der Betreibergesellschaft stehen nicht nur kommunale Unternehmen, sondern auch der Energieriese RWE, der allein im Jahr 2023 ein überraschend hohes Nettoergebnis von 4,5 Milliarden Euro eingefahren hat.“

Das Gericht wies den Antrag zurück, bei einer Insolvenz allerdings muss der Bund tatsächlich einspringen. Ehmke: „Denjenigen, die in Deutschland den Wiedereinstieg in die Atomkraft fordern, muss man diese Entwicklungen um die Ohren hauen. Wir haben stets davor gewarnt. Allein ökonomisch ist die Atomkraft barer Unsinn.“

Dirk Seifert

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