Jahrzehntelanger Atomkonflikt: Ehemaliges Endlager Gorleben – Rückbau ist endlich genehmigt

Jahrzehntelanger Atomkonflikt: Ehemaliges Endlager Gorleben – Rückbau ist endlich genehmigt

Eine der größten Atomlügen Deutschlands geht nun in die endgültige Stilllegung. Um Atomkraftwerke betreiben zu können, brauchte es irgendwie eine Art Endlager für den Atommüll, hatten Gerichte (!) in den 1970er Jahre entschieden. Da die Bundesregierung dafür keinen Plan, aber viele Atommeiler im Bau hatte, wurde kurzerhand an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze im niedersächsischen Gorleben wie von Zauberhand ein Salzstock gefunden, der als Endlager doch „wunderbar“ wäre. Obwohl der Standort auf seine „Eignung“ noch „geprüft“ werden sollte, wurden schon mal über 100 Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll um die Ecke in ein „Zwischenlager“ eingeparkt. Eine erste Prüfung ohne politische Vorfestlegungen kam aber schließlich im Rahmen einer ersten Untersuchung ohne politische Einmischungen zum Ergebnis: Der Salzstock Gorleben ist gar nicht geeignet. Nun endlich wird dieses konfliktreiche Kapital westdeutscher Atompolitik beerdigt: Endlich liegt die Genehmigung vor, mit dem das „Forschungsbergwerk“ endlich zugeschüttet wird.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. reagierte vor wenigen Tagen mit einer Pressemitteilung auf die Genehmigung für den Rückbau des ehemals geplanten Endlagers in Gorleben.

Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) hat heute den neuen Hauptbetriebsplan für das Erkundungsbergwerk Gorleben zugelassen. „Damit ist der Weg frei für die geplante Verfüllung der Grubenbaue“, erklärt heute LBEG-Präsident Carsten Mühlenmeier.

Der Salzstock Gorleben wurde beim Neustart der Endlagersuche bereits im ersten Vergleichsschritt im Herbst 2020 wissenschaftsbasiert aussortiert und sollte wieder verfüllt werden. Das Salz, das beim Ausbau des Bergwerks aufgefahren wurde, liegt ca. 1 Kilometer entfernt im Wald auf Halde.

Ursprünglich hatte der Rückbau des ehemaligen Erkundungsbergwerks Gorleben bereits im Sommer beginnen sollen, die Verzögerung hatte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) auf den Plan gerufen. Vermutet wurde im Kreis der Gorleben-Aktivist:innen, dass das Projekt auf die Lange Bank geschoben würde, um eine anderweitige Nutzung nach den Bundestagswahlen zu ermöglichen.

„Wir haben mächtig Druck gemacht. Jetzt gibt es grünes Licht für die Verfüllung und wir erwarten, dass es noch in diesem Jahr losgeht, zumal das Betreiberkonsortium die Vorarbeiten für den Rückbau bereits abgeschlossen hat“, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Auf jeden Fall bleibe es bei den Sonntagsspaziergängen. „Die setzen wir fort bis zum Abschluss des Rückbaus und haben auch die verlängerte Zwischenlagerung in Gorleben auf dem Zettel.“

Wolfgang Ehmke, BI-Pressesprecher, 0170 510 56 06

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PM zur Genehmigung des Rückbaus in Gorleben durch das Niedersächsische Umweltministerium:

Meyer: „Genehmigung zur Verfüllung des Salzstocks vom LBEG endlich erteilt – Endlagerprojekt Gorleben ist Geschichte“

– Neuer Hauptbetriebsplan für das Erkundungsbergwerk in Gorleben zugelassen –

PI 113/2024

Dazu sagt Niedersachsens Umwelt- und Energieminister Christian Meyer:

„Heute wurde endlich die Genehmigung zur Verfüllung des für ein Endlager ungeeigneten Salzstocks in Gorleben erteilt. Es ist vor der anstehenden Bundestagswahl ein wichtiges Signal in die Region, dass das Kapitel Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommüll nun wirklich und endgültig geschlossen wird. Die parteiübergreifende Entscheidung für eine neue bundesweite Endlagersuche gilt. Gorleben ist als Endlager geologisch ungeeignet, daher ist der Rückbau des Erkundungsbergwerks nur konsequent. Ich erwarte von der BGE nun unverzüglich den Beginn der Verfüllungsarbeiten zum Schließen und zum Rückbau des Salzstocks in Gorleben. Es wäre gut, wenn der Start noch vor der Bundestagswahl erfolgt. Dem LBEG und allen Beteiligten danke ich, dass nun die bergrechtliche Genehmigung zur Verfüllung des Salzstocks vorliegt. Damit wird die in der Region Lüchow-Dannenberg bestehende Verunsicherung hinsichtlich des vormals geplanten Endlagers beendet.“

Update: Siehe außerdem zum Thema:

Gorleben-Rückbau beginnt – 2 Mrd. Euro ins Salz gesetzt

1129(2)Nach Monaten der Ungewissheit ist nun klar: Am 29. November beginnt der Rückbau des Erkundungsbergwerks Gorleben, das rund ein Kilometer entfernt, im Wald aufgehaldete Salz – rd. 400.000 Kubikmeter – wird zur Verfüllung von Strecken, Hohlräumen und am Ende der Schächte sukzessive wieder unter Tage verbracht.

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) hatte massiv darauf gedrungen, dass der Rückbau noch vor den Bundestagswahlen begonnen wird, um zu verhindern, dass noch einmal um Gorleben gepokert werden könnte.

Die Kosten für den Aus- und Rückbau belaufen sich auf rd. 2 Mrd. Euro.

„Diese Kosten und die politischen Verwerfungen hätte man sich sparen können“, so BI-Sprecher Wolfgang Ehmke, „die Gorleben-Befürworter in Politik und Behörden wurden jedoch niemals für dieses Desaster zur Verantwortung gezogen.“

Schon 1983 hatte die damals federführende Behörde, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), empfohlen, neben dem Salzstock Gorleben-Rambow auch andere Standorte zu untersuchen. Die PTB hatte die Tiefbohrergebnisse ausgewertet, die u.a. den Wasserkontakt belegten. PTB 1983 1. Fassung Doch das neue Regierungskabinett unter Helmut Kohl (CDU) hielt trotzdem an Gorleben fest, man brauchte „Fortschritte bei der Erkundung“ des Salzstocks als „Entsorgungsnachweis“ für den Bau und Betrieb von Atomkraftwerken.

Am 17. März 1986 begannen die Abteufarbeiten von Schacht Gorleben I im Tiefkälte-Gefrierverfahren und damit offiziell der Bau des „Erkundungsbergwerks“. „Warnungen der Kritiker wie zum Beispiel des Quartärgeologen Klaus Duphorn wurden ignoriert. Stattdessen wurde die „Eignungshöffigkeit“ des Salzstocks postuliert und noch in den 1990er Jahren, nachdem die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) eine Salzstudie vorlegte, attestierte die damalige Bundesministerin Angela Merkel (CDU) dem Salzstock die besten Eignungsqualitäten. Bizarr, denn der Salzstock Gorleben-Rambow war von der BGR gar nicht betrachtet worden,“ erinnert die BI.

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(Merkel-Mitschnitt)

Die offizielle Erzählung, in Gorleben würde der Salzstock lediglich „erkundet“, konnte sehr früh als Lüge enttarnt werden. Im Juli 1980 wurde ein Hamburger Geologieprofessor in einem Intercity-Zug Zeuge eines Gesprächs, bei dem Vertreter der PTB, des niedersächsischen Sozialministeriums und der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) über Wege diskutierten, wie unter Umgehung von Rechtsvorschriften ein Probeschacht im Gorlebener Salzstock bereits so breit angelegt werden könnte, dass er später als Zugang zu einem Endlager dienen könne. Dr. Werner Heintz, Abteilungsleiter der PTB, gab später seine Teilnahme an diesem Gespräch zu.

Die letztlich erfolgreiche Auseinandersetzung um das Endlagerbergwerk hatte einen hohen Preis. Zu beklagen waren bei einem Schachtunfall 1987 ein toter und fünf schwerverletzte Bergleute.

Immer wieder war die von hohen Mauern mit Nato-Draht und Wasserwerfern umgebene Schachtanlage Ziel von Aktionen. Wiederholt wurde das Bergwerksgelände besetzt. Spektakulär war eine Bohrturmbesetzung am 21. Juni 1990, dem Tag der ersten Rot-Grünen Regierung in Niedersachsen.

Die 14 Aktivist:innen aus dem Wendland forderten damals die unverzügliche Umsetzung der zwischen SPD und Grünen vereinbarten Pläne zum Ausstieg aus der Atomenergie. Horrende Schadensersatzforderungen gegen die Aktivist:innen waren die Folge.

Ehmke: „Es wäre falsch, an dieser Stelle einfach einen Schlussstrich zu setzen. Angesichts der wachsenden politischen Kräfte, die sich weiterhin für die Hochrisikotechnologie Atomkraft stark machen, brauchen wir eine verstetigte Erinnerungskultur. So sollte unbedingt das Graffiti geschmückte Mauerteil vor Ort erhalten bleiben, für dessen Verbleib wir uns erfolgreich eingesetzt haben, und zwar als „Mahnmal für industriepolitische Fehlentwicklung des letzten Jahrhunderts“. Die Atomkraft ging dank des zivilgesellschaftlichen Engagements, der Müll der bleibt, wir machen weiter.“

Wolfgang Ehmke, BI-Pressesprecher, 0170 510 56 06

Fotos: BI Umweltschutz

Dirk Seifert

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