Uralt-AKW Leibstadt an der deutschen Grenze: Anwohner:innen verklagen die Schweiz

Uralt-AKW Leibstadt an der deutschen Grenze: Anwohner:innen verklagen die Schweiz

Das unmittelbar an der Grenze zu Deutschland am Rhein gelegene AKW Leibstadt soll nach dem Willen des Schweizer Umweltdepartments über eine Laufzeit von 40 Jahren hinaus in Betrieb bleiben. Ein Störfall mit Freisetzung von Radioaktivität hätte vor allem in Baden-Württemberg erhebliche Auswirkungen für Mensch und Umelt. An für eine solch lange Betriebsdauer vorgesehene internationale Rechtsstandards wollen sich die Schweizer Behörden aber nicht halten. Atomexperten, wie der Gutachter Prof. Dr. Manfred Mertins, ehemals hochrangiger Sachverständiger bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) spricht vom „Überschreiten einer roten Linie.“ Internationales Recht (Espoo und Aarhus Konvention) fordert in Fällen von AKW-Betriebszeiten über 40 Jahre hinaus eine Umweltverträglichkeitsprüfung und eine grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung. Nachdem bereits Anfang 2024 anwohnende Bürger:innen auf beiden Seiten der Grenze die Einhaltung dieser Rechtsstandards mit anwaltlicher und Unterstützung  der Schweizer Energiestiftung, Greenpeace und dem Trinationalen-Atom-Schutzverband wurde heute eine Klage beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. (Foto: Wladyslaw Sojka – www.sojka.photo)

Die Anwohnenden und ihre Unterstützenden haben heute auf einer Pressekonferenz umfangreich zu den Hintergründen informiert und die Klage begründet. Dazu haben Sie eine eigene Internetseite eingerichtet, in der der Ablauf der bisherigen Schritte gegenüber der zuständigen Atombehörde mitsamt den Dokumenten veröffentlicht sind. Seit dem Sommer 2024 prüft man auch im Bundesumweltministerium, dass die Schweiz die entsprechenden Anforderungen der internationalen Abkommen nach Espoo etc. einhält und hat dies auch gegenüber dem zuständigen Umwelt-Departement mitgeteilt. Auch das Umweltministerium in Baden-Württemberg hatte sich dahingehend geäußert, ein Verfahren nach Espoo durchführen zu wollen. Dafür allerdings muss die Schweiz ein solches Verfahren eröffnen. Weil das aber bislang unterblieben ist, wird nun das Schweizer Umwelt-Departement verklagt.

  • Einen Überblick gibt es in dieser Praesentation_Prozess_Leibstadt (PDF), die bei der Pressekonferenz gezeigt wurde. Beachte dazu die weiteren Links unten!! Die anonymisierte Klageschrift ist hier als PDF online.
  • Eva Stegen hat hier einen interessanten Artikel veröffentlicht: „Kernige Wahl-Versprechen: Das glauben sie selbst nicht!“ Der Text ist beim Kulturjoker online.

Dokumentation:

«Prozess Leibstadt»: Anwohnende ziehen AKW vor Gericht

Gemeinsame Medienmitteilung der Schweizerischen Energie-Stiftung SES, des Trinationalen Atomschutzverbands TRAS und von Greenpeace Schweiz

Fünfzehn Personen haben eine Beschwerde gegen das AKW Leibstadt und das Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, wie sie heute an einer Medienkonferenz bekannt gegeben haben. Für den Langzeitbetrieb des AKW Leibstadt, der Mitte Dezember 2024 Tatsache geworden ist, verlangen sie eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und demokratische Mitsprache. Dazu verweisen sie auf internationale Abkommen, die die Schweiz zu einer grenzüberschreitenden UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichten.

Das AKW Leibstadt ging nach 40 Jahren Betriebszeit am 15. Dezember 2024 in den Langzeitbetrieb über. Die Beschwerdeführenden wohnen alle in der näheren Umgebung des AKW Leibstadt, einzelne davon auch auf der deutschen Seite des Rheins.

Vorgehen gegen Verzögerung und Ablehnung des Gesuchs

Im Februar 2024 wendeten sie sich mit einem Gesuch ans UVEK. Sie legten dar, warum das AKW Leibstadt nach internationalem Recht eine grenzüberschreitende UVP, unter Mitsprache der betroffenen Bevölkerung, durchführen muss, bevor es den Langzeitbetrieb aufnimmt (Espoo- und Aarhus-Konventionen). Als Anfang Dezember 2024 weder eine UVP noch ein Entscheid zum Gesuch vorlag, klagten die Anwohnenden wegen Rechtsverzögerung. Unterdessen hat das UVEK das Gesuch geprüft und abgelehnt. Gegen diesen Entscheid wehren sich die Anwohnenden und machen dem AKW Leibstadt und dem UVEK den Prozess. Sie haben ihre Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht.

Mehr Transparenz und Klarheit gefordert

«Das AKW sei sicher, wird behauptet. Aber wieso bekommen wir dann diese Jodtabletten für den Fall eines Super-GAUs?», fragt sich Anwohnerin Katleen De Beukeleer. Sie weiss nicht, wie sie diese Wiedersprüche ihrer Tochter erklären soll. Dass sich das AKW keiner UVP unterziehen will, kommt nicht nur ihr verdächtig vor. Die Anwohnenden bestehen daher auf einer ehrlichen, transparenten und öffentlichen Untersuchung, die aufzeigt, welche Folgen der Weiterbetrieb dieser alternden Hochrisiko-Technologie für Mensch und Umwelt hat.

Gefahr über die Grenze hinaus

«Das AKW Leibstadt steht gleich an der Grenze. Die schwerwiegenden Folgen eines Störfalls würden den Süddeutschen Raum bis weit nach Norden betreffen», verdeutlicht Anwohner Hans Eugen Tritschler, der auf der deutschen Seite des Rheins wohnt. «Wegen solchen Gefahren für Mensch und Umwelt existieren diese internationalen Vereinbarungen, an die sich auch die Schweiz halten muss. Sie verpflichten das AKW Leibstadt zur UVP, und zwar auch dann, wenn das einen gewissen Aufwand darstellt und die Ergebnisse vielleicht nicht die sind, die sich die Betreiber wünschen», betont Tritschler.

Weitere Informationen:

Dirk Seifert

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