Stilllegung einer Atomforschungsanlage: Konsensorientierter Dialog

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Soll nun zerlegt werden: Der über 400 Tonnen schwere Reaktordruckbehälter des Atomschiffs Otto Hahn, der seit den 80er Jahren auf dem Gelände der GKSS/HZG mit fragwürdiger Genehmigung lagert. Foto GKSS/HZG

Nächste Etappe im „konsensorientierten Dialog“ bei der Stilllegung der ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS, östlich von Hamburg. Seit nunmehr rund dreieinhalb Jahren läuft der Prozess zwischen dem Betreiber Helmholtz-Zentrum Geesthacht und einer Begleitgruppe. Nach einem Alternativenvergleich, immer wieder externer Unterstützung durch unabhängige Experten und auch kritischen Auseinandersetzungen, haben sich die Beteiligten nun auf einige weitere Schritte zur Stilllegung der Atomanlagen verständigt. Das haben Begleitgruppe und HZG in einem gemeinsamen Newsletter mitgeteilt. Grundlage der Zusammenarbeit sind Selbstverständniserklärungen und gemeinsame „Grundzüge der Zusammenarbeit“. (* siehe unten)

Nach wie vor gibt es heftige Differenzen zur bestehenden Lagergenehmigung für den Reaktordruckbehälter des Atomschiffs „Otto Hahn“, der seit Anfang der 80er Jahre auf dem Gelände in einem Silo liegt. Einig ist man sich aber, nun im Rahmen der Stilllegung auch die Zerlegung dieses mittelradioaktiven Erbes weiter zu verfolgen.

Außerdem ergab eine umfassende Prüfung einer Option zum sicheren Teileinschluss des Reaktorbeckens unter Zuhilfenahme des Physikers Wolfgang Neumann, dass diese nun nicht weiter verfolgt werde. Auch der künftige Einsatz von mobilen Konditionierungsanlagen wurde detailliert geprüft.

Der gemeinsame Newsletter ist hier als Dokumentation:

APRIL 2016Newsletter „HZG im Dialog“
der Begleitgruppe „Stilllegung Atomanlagen des HZG (ehem. GKSS)“ und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG)

Begleitgruppe und Betreiber finden Konsens für den weiteren Umgang mit dem Reaktordruckbehälter (RDB) des stillgelegten Atomschiffes „Otto Hahn“
„Die Begleitgruppe unterstützt die Pläne des HZG, das Zerlegungskonzept für den RDB der „Otto Hahn“ weiterzuverfolgen.“ Dieser Satz im Protokoll beendet die gut eineinhalb Jahre dauernde Diskussion im HZG-Dialog.

Im Zentrum stehen dabei die Genehmigungslage des Reaktordruckbehälters (RDB) des stillgelegten Atomschiffes „Otto Hahn“ und die Pläne zum weiteren Umgang mit ihm.
1981 wurde der 480 Tonnen schwere Reaktordruckbehälter brennstofffrei in einem dafür eigens errichteten Betonschacht auf dem Gelände des Geesthachter Forschungszentrums eingelagert. Die zuständige Atomaufsicht in Kiel (heute Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume MELUR) erteilte damals die Genehmigung zur „Lagerung von Komponenten des Nuklearschiffes „Otto Hahn“ für wissenschaftliche Untersuchungen“.

Nach Durchsicht der vom HZG zur Verfügung gestellten Unterlagen kommt die Begleitgruppe zu dem Schluss, dass über die notwendigen Untersuchungen im Rahmen des Strahlenschutzes hinaus keine Forschung erfolgt ist. Aus ihrer Sicht bestehen daher weiterhin Zweifel an der Gültigkeit der Genehmigung. Für die Begleitgruppe liegt der Verdacht nahe, dass man mit der Einlagerung des RDB in Geesthacht das Atommüllproblem verschleiern wollte.

Aus Sicht des HZG und des MELUR ist die Genehmigung gültig, da die „Lagerung für wissenschaftliche Untersuchungen“ nicht zwingend daran gebunden ist, dass über die notwendigen Untersuchungen im Rahmen des Strahlenschutzes hinaus weitere Forschungsarbeiten durchgeführt werden.

Auch wenn der Dissens in der politischen und juristischen Einschätzung bestehen bleibt, haben sich beide Seiten auf eine Prüfung des HZG-Vorschlags zum weiteren Umgang mit dem radioaktiv belasteten RDB geeinigt. Auf Wunsch der Begleitgruppe hat das HZG den unabhängigen Physiker Wolfgang Neumann beauftragt, das bisher vorliegende Zerlegungskonzept und den Umgang mit dem entstehenden Atommüll zu bewerten.
Dieser Prüfbericht liegt nun vor. Grundsätzlich stellt Neumann vier Alternativen vor und bewertet sie:

·        die dauerhafte Lagerung des RDB am derzeitigen Standort,
·        den Abtransport des unzerlegten RDB an einen anderen Standort zur dortigen Zerlegung (z.B. das zentrale Zwischenlager in Lubmin),
·        die Zwischenlagerung in derzeitiger Form bis zur Fertigstellung eines Bundesendlagers für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll,
·        und das vom HZG vorgesehene Zerlegungskonzept.

Eine dauerhafte Lagerung vor Ort schließt Neumann schon aufgrund der Geologie des Standortes grundsätzlich aus.  Der Abtransport des unzerlegten RDB wäre unter den heutigen Anforderungen nicht genehmigungsfähig, da eine Beschädigung des RDB bei einem Transportunfall nicht ausgeschlossen werden kann. Gegen die weitere Zwischenlagerung vor Ort sprechen für Neumann Zweifel an der dauerhaften Abschirmung des Betonschachtes gegen das anstehende Hangwasser und sicherheitstechnische Anforderungen an ein Zwischenlager, die nur durch einen grundlegenden Umbau des Schachtes oder Baumaßnahmen am RDB zu erfüllen wären.
Das Zerlegungskonzept des HZG wird hingegen als schlüssig und zielführend eingestuft. Unter Sicherheitsgesichtspunkten ist es das empfehlenswerte Verfahren.
Das HZG plant dabei über dem Betonschacht ein Zerlegegebäude zu errichten und den RDB schrittweise zu zerlegen, die Einzelteile in dafür vorgesehene Atommüllbehälter zu verpacken und dann auf dem Gelände des Forschungszentrums zu lagern, bis sie für eine Endlagerung im Bundesendlager abgefordert werden. Alle dafür notwenigen Arbeiten erfolgen unter den höchstmöglichen Sicherheitsstandards und Anforderungen an den Strahlenschutz.

Nach eingehender Beratung unterstützt die Begleitgruppe die Pläne des HZG. In der Stellungnahme von Wolfgang Neumann werden einige Empfehlungen zur Überprüfung einzelner Aspekte abgegeben wie zum Beispiel die Primärkreis-Dekontamination, die Zerlegung des Dampferzeugers vor Ort und der Umgang mit radioaktiven Reststoffen. Die Vorschläge des Gutachters werden die Grundlage für die kommenden Diskussionen im Rahmen des HZG-Dialoges bilden.

Hier haben Begleitgruppe und Betreiber im konsensorientierten Dialog einen konstruktiven Weg im transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit dem radioaktiv belasteten RDB eingeschlagen,auch wenn Begleitgruppe und HZG  weiterhin  in der rechtlichen  Bewertung weit voneinander abweichen.

Angestoßen durch die Diskussionen im HZG-Dialog haben sowohl das schleswig-holsteinische Umweltministerium als auch das Bundesministerin für Bildung und Forschung das Thema aufgegriffen und sich dafür eingesetzt, dass früher als ursprünglich geplant Bundesmittel zur Verfügung stehen. Somit kann nun das HZG weiter in die Detailplanung des Zerlegungskonzeptes eintreten.

Erste praktische Arbeiten sind voraussichtlich nicht vor 2019 zu erwarten.

Weitere Hintergrundinformationen und das gesamte Gutachten von Wolfgang Neumann als Download finden Sie unter:

http://www.hzg.de/public_relations_media/hzg_im_dialog/newsletter/index.php.de

  • Der Autor ist Mitglied der Begleitgruppe in dem Dialog.

Dirk Seifert

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