Rechtwidrige Nutzung von hochangereichertem Waffen-Uran im Reaktor Garching – Bundesregierung bleibt tatenlos

Die Bundesregierung wird offenbar nicht in den von der bayerischen Staatsregierung geduldeten möglicherweise rechtswidrigen Betrieb des Atomforschungsreaktor FRM II in München Garching eingreifen. In der Antwort auf eine Schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) teilt die Bundesregierung jetzt lediglich mit, dass das Bundesforschungsministerium (BMBF) mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (StMWK) „derzeit zum weiteren Vorgehen bei der Umstellung des Betriebs des Forschungsreaktors FRM II auf einen Brennstoff mit deutlich geringerer Anreicherung in Gesprächen mit dem StMWK“ sei. Ob oder in welcher Weise das Bundesumweltministerium aktiv wird, ist der Antwort nicht zu entnehmen. (Siehe Frage 166, Drucksache 19/12234 (PDF). Der vollständige Wortlaut von Frage und Antwort ist unten dokumentiert.)

Hubertus Zdebel, zuständiger Sprecher für Atomaussteig in der Bundestagsfraktion DIE LINKE: „Der Betrieb eines Forschungsreaktors mit hochangereichertem atomwaffenfähigem Uran ist kein Pappenstiel. Hier müssen rechtlich höchste Maßstäbe gelten. Weil es damals bei der Genehmigung massive internationale Proteste gab, war der Einsatz derartiger Brennelemente in der Betriebs-Genehmigung strickt befristet worden. Das jetzt zu ignorieren und als eine Art Nebensache abzutun ist auch in der internationalen Lage verheerend. Deutschland gibt international ein katastrophal schlechtes Vorbild ab, wenn jetzt nicht stillgelegt wird. Eigentlich gibt es da kein vertun: Die Bundesregierung muss Bayern anweisen, die Genehmigung für den Forschungsreaktor FRM II aufzuheben.“

Hintergrund: Anfang Juli hat ein Rechtsgutachten der Atomrechts-Expertin Cornelia Ziehm ergeben, dass der weitere Betreib des Forschungsreaktors in Garching rechtlich unzulässig wäre, weil trotz einer einschränkenden Inhaltsbestimmung in der Genehmigung der Einsatz der hochangereicherten und atomwaffenfähigen Uran-Brennelemente seit 2010 fortgesetzt worden ist. Um die Risiken eines militärischen Missbrauchs zu begrenzen, laufen weltweit Bemühungen, derartig hochangereicherte Brennstoffe nicht mehr zuzulassen. Ausgerechnet die deutsche Haltung und Praxis läuft diesen Bemühungen zuwider.

Dokumentation (Siehe Frage 166, Drucksache 19/12234 (PDF)): Antwort von Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin, Mitglied des Deutschen Bundestages, 6. August 2019 auf die Fragen von MdB Hubertus Zdebel (DIE LINKE):

Ihre Schriftliche Frage mit der Arbeitsnummer 07/426 vom 29. Juli 2019 (Eingang im Bundeskanzleramt am 31. Juli 2019) beantworte ich wie folgt: Frage 07 /426

„Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung hinsichtlich der Genehmigung und des weiteren Betriebs des Forschungsreaktors FRM II in München Garching, nachdem mit der Vorlage eines Rechts-Gutachtens aufgezeigt wurde (SZ Regionalausgabe – München West, 11.07.2019, S.R3 sowie https://www.sueddeutsche.de/muenchen/garching-forschungsreaktor-tu-muenchen-gutachten-1.4519547), dass der weitere Betrieb des Forschungsreaktors rechtswidrig wäre, weil rechtlich bindende Inhaltsbestimmungen hinsichtlich des Einsatzes von hochangereichertem Uran vorliegen, die vom Betreiber nicht entsprechend den Fristen umgesetzt wurden und die, weil es sich nicht lediglich um Nebenabsprachen handelt, dazu führen müssen, dass entweder das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz oder aber das Bundesumweltministerium den weiteren Betrieb untersagen muss, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung in dieser atomrechtlich und hinsichtlich des Umgangs mit atomwaffenfähigen Materialien wichtigen Angelegenheit ergreifen (bitte Schlussfolgerungen und Maßnahmen jeweils begründen)?“

Antwort

„Die Stellungnahme „Rechtliche Konsequenzen der Nichteinhaltung der Maßgabe der 3. Teilgenehmigung des FRM-II zur Umrüstung auf Brennstoff mit abgesenktem Uran-235-Anreicherungsgrad“ im Auftrag der Bayerischen Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, des Umweltinstituts München e.V„ des Bund Naturschutz in Bayern e.V. sowie der Bürger gegen  Atomreaktor Garching e.V. liegt auch dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vor. Für deren rechtliche Bewertung ist zunächst die zuständige atomrechtliche Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde in Bayern, das Bayerische Staatsministerium für Umwelt  und Verbraucherschutz (StMUV), zuständig.

Nach bisheriger Einschätzung des StMUV hätten die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse der vergangenen Jahre, die in intensiven internationalen Forschungsarbeiten gewonnen wurden, gezeigt, dass die Auflage in der Betriebsgenehmigung, mit der die Technische Universität München zu einer Umrüstung des Reaktors zum 31 . Dezember 2010 verpflichtet werden sollte, auf eine weltweit objektiv unmögliche Handlung gerichtet gewesen sei, die zu dem festgelegten Zeitpunkt aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen konnte. Daher entfalte die Auflage in der Betriebsgenehmigung – auch für den später zwischen Bund und Land vereinbarten Umrüstungszeitpunkt – keine Rechtswirkung. Die Gültigkeit der Betriebsgenehmigung werde dadurch nicht berührt. Das BMU hat das StMUV gebeten, nunmehr auch im Hinblick auf das aktuell bekannt gewordene Rechtsgutachten gegenüber dem BMU zu seiner genehmigungsrechtlichen Position Stellung zu nehmen.

Das BMU setzte sich bereits vor Inbetriebnahme des Forschungsreaktors für die Umrüstung auf niedriger angereichtes Uran ein und tut dies noch immer. Die Umrüstung des FRM II auf einen Betrieb mit niedriger angereichertem Uran von höchstens 50 Prozent U-235 wird weiterhin angestrebt. Da es Schwierigkeiten bei der Entwicklung der dazu benötigten hochdichten Brennstoffe gab, wurde in einer Vereinbarung der Umrüstungstermin von Ende des Jahres 2010 auf Ende des Jahres 2018 verschoben. In dieser Vereinbarung wurde zwischen den Parteien Bundesrepublik Deutschland –  vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) – und dem Freistaat Bayern – vertreten durch das Bayerische Staatministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (StMWK) – vereinbart, sich bis Ende des Jahres 2016 darüber zu verständigen, ob eine Umrüstung bis zum Ende des Jahres 2018 zu erreichen ist. Da dies nicht der Fall war, befindet sich die Bundesregierung, vertreten durch das BMBF, derzeit zum weiteren Vorgehen bei der Umstellung des Betriebs des Forschungsreaktors FRM II auf einen Brennstoff mit deutlich geringerer Anreicherung in Gesprächen mit dem StMWK.“ (PDF)

Dse4Zdebel

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