Volksentscheid Energienetze Hamburg: Ex-SPD-Staatssekretär Müller kritisiert SPD – „Strategische Fehler“ und „schlechte Beratung“
Klare Worte von einem SPD-Genossen, der es wissen muss. Auf „klimaretter.info“ nimmt der ehemalige SPD-Staatssekretär im Bundes-Umweltministerium, Michael Müller, kein Blatt vor den Mund, wenn er die Hamburger SPD ebenso kritisiert wie den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Bundestag. Franz-Walter Steinmeier hatte sich in Sachen Rekommunalisierung der derzeit noch zu Vattenfall und E.on gehörenden Hamburger Energienetze gegen den Volksentscheid gestellt.
„Der hundertprozentige Rückkauf, wie ihn manche fordern, ist teure Rechthaberei, die der Politik die Finanzmittel für nicht weniger wichtige Politikfelder nimmt“, hatte Steinmeier jüngst bei einem Besuch erklärt und sich damit hinter die Linie der Hamburger SPD-Spitze gestellt.
Steinmeier ist „schlecht beraten“
Michael Müller, kritisiert diese Äußerungen scharf: „Ich weiß nicht, wer Steinmeier da so schlecht berät. Es geht doch nicht um teure Rechthaberei, sondern um eine notwendige Einsicht, die die SPD – wenn auch mühsam – bei der Deutschen Bahn gelernt haben sollte: Bei der Infrastruktur müssen die Netze in öffentlicher Hand bleiben. Das gilt auch und gerade bei der Energiepolitik. Wie sonst soll eine Energiewende durchgesetzt werden? Die Netze haben eine herausgehobene Bedeutung sowohl für die Kosten als auch für das Umsteuern zu Dezentralität“, heißt es in dem Interview auf klimaretter.info.
In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt hat sich Steinmeier recht widersprüchlich zu den Hamburger Energienetzen geäußert. Einerseits erklärte Steinmeier, dass die internationalen Energiekonzerne „nicht an der Energiewende interessiert“ wären, andererseits unterstützt er die Politik der Hamburger SPD-Führung, als Minderheitsaktionär diese mächtigen Konzerne „als Partner“ zu stärken. Siehe dazu: Volksentscheid Energienetze Hamburg: Steinmeier (SPD) über Vattenfall und E.on – Internationale Konzerne nicht an Energiewende interessiert. Das Interview in voller Länge hier beim Abendblatt)
SPD-Genosse Michael Müller kritisiert die SPD-Linie: „Ich halte es für einen strategischen Fehler, die Netze nicht für die öffentliche Gestaltung der Energiepolitik einzusetzen. Das ist aus meiner Sicht mit der Idee des Gemeinwohls nicht vereinbar. Gerade die Energiewende braucht einen starken öffentlichen Sektor. Dafür brauchen wir eine öffentlich-rechtliche Netzgesellschaft. Ich bin davon überzeugt, dass eine ökologische Politik ohne einen absoluten Vorrang des Allgemeinwohls vor dem privaten Reichtum nicht zu machen ist.“
Eine Partei – zwei Welten
Kurios ist die Hamburger SPD-Politik auch mit Blick auf die Berliner SPD: In Berlin will ein Volksentscheid ebenfalls die Rekommunalisierung des Stromnetzes von Vattenfall erreichen und ein eigenes öffentliches Stadtwerk gründen. Siehe dazu: Energienetze und Volksentscheide: SPD inBerlin gegen – in Hamburg für Vattenfall und auch hier: Berliner Volksentscheid gegen Vattenfall und Wahlkampf: SPD-Fraktion will mit CDU über Annahme im Abgeordnetenhaus sprechen.
Auch die ehemaligen SPD-Bürgermeister Henning Voscherau und Ortwin Runde haben die Linie von Olaf Scholz in Sachen Energienetze und Vattenfall und E.on deutlich kritisiert. Siehe dazu: Hamburger Diskurs Energiewende – SPD-Mitglieder für vollständige Rekommunalisierung der Energienetze
Michael Müller war als SPD-Politiker bis 2009 Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium, heute ist er Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands.
Mehr zum Thema: Volksentscheid Energienetze Hamburg: “Das große Geschäft mit Hamburgs heißem Wasser”
Siehe auch:
- Fette Beute: 100 Millionen Euro Gewinn jährlich für Vattenfall und E.on aus den Hamburger Energienetzen
- Volksentscheid Energienetze Hamburg – So rechnet sich die Übernahme
- Geheim: Vattenfalls Millionengewinne mit dem Fernwärmegeschäft in Hamburg
- Vattenfall: SPD-Senat zementiert Fernwärme-Monopol und kauft Katze im Sack